Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

DOI Heft:
Heft 6
DOI Artikel:
Liliencron, Detlev von: Durch die Nacht: Eine Dichtung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0302

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Tehr langsam, ohne jede Rormverschiebung:
In der- grenzenlosen Morgenstille,
In der loten Landschaft,
wo noch kein Rier, kein Wurm ru entdecken ist,
Vas einzige lebende „Wesen":
Der träge in einer Richtung Ziehende,
Tich nicht verändernde,
Leräuschlose Rauch.
phantastisch !
Ich schreite weiter.
Und komme bei lassens Uhlenkrug vorbei.
Da steht in dem einsamen Rusfpann
Vie schlanke Lmma mit der 6räfinnennase.
Mler schnarcht noch im Hause.
Rur das schöne Mädchen ist schon auf
Und will die Rechter putzen.
Tie lacht, wenn sie mich erkennt.
Rür auf!
Zuerst mal einen Lognac Lau de vie vieillie.
jetzt einen Lroschen gesteckt sMartell.
Ins entsetzliche automatische Klavier.
Tchnellwalier:
Ttiefelputzer war mein Vater
Rm berliner Ttadttheater.
Meine Mutter wusch Manschetten
Rur Offiziere und Kadetten.
Rach dieser Melodie
peddn wi een af.
Richts, nichts geht übers wal/ertanren.
Roch einen Lroschen rin
In die fürchterliche Maschine:
Langsamerer walrer „mit Lefühl":
Rheophil, o Rheophil,
warum hast du mich kalt gestellt,
Rheophil, o Rheophil,
vu warft mein Rlles auf der Welt.
Und auch nach dieser schönen weise
„peddn wie een af."
In der linken Hand hält sie das Wischtuch.
Ich habe meinen Hut ins Lenick geschoben,
himmlisch, himmlisch:
5ich so mit dem fröhlichen Mädel
Im kreise ru drehn.
Rbfchied muh fein
Rddio >
halt, noch 'n Lognac Lau de vie vieillie. Martell.
(Herr Professor voktor RIfred Riese sieht's nicht.)
Und nun, Rlles hat ein Lnde,
Roch einen letzten Lroschen
In den Reufelsrachen:

0 du mein Ma?c, mein Marc, mein Ma?c,
Köpfchen wie wachs, wie wachs, wie wachs,
Wangen so rot, lo rot wie Mut,
Mutter, dem Marc bin ich so gut.
Und aus der Rür,
vie ru ebner Lrde liegt,
walren wir auf die Lhauflee hinaus.
Rus ist der Ranr.
Red wohl.

Run eit ich nach Hause.
Venn schon wird's lebendig:
vadder Ohlsen kommt mit dem Lrotkorb an.
Lrhaben reine Ringer sind's,
Mit denen er die Rundstücke in den Reutet steckt,
ver an den Haustürklinken der Villen hängt.
Lin erster Radler rast,
vie Ttirn weit vorgelegt,
Mit gebogenstem Rücken an mir vorbei.
Lin Rutomobil töfftöfft
Mit Tatansgeschwindigkeit heran:
Ls ist schneeweitz:
vrin sitzen rwei Männer und rwei Rrauen
Mit grotzen schwarren Lulenbrillen.
vie Poesie der Lhaussee.
Lin uralter Rauer,
Mit einer Lmpirehose,
Tchiebt „6odn vag os" vorüber.
Lin wagen mit Rpfeln,
vie nach Hamburg sollten,
Ist umgefallen:
ver Kutscher kratzt sich Hinterm Ohr,
Lenau wie auf einem „Lenrebild".
Und da kommt auch in Rllerherrgottsfrühe
Lin 5arg her aus einem Heidedorf.
Lr steht, kärglich bekränrt, auf einem Leiterwagen.
Unter den paar Leidtragenden
Remerk ich einen, der genau ausfieht
wie Lenau.
Ich weih, datz feine Ramilie,
Zigeuner aus Ungarn,
vor vielen jähren in diesem Heidedorf
hängen geblieben find.
Lenau in meinem alten, lieben Holstein.
Run aber wird's die höchste Zeit:
Rach Haufe, nach Haufe!
vie Rächt gehört der Liebe
(viese Rächt gehörte dem Rileinsein),
ver Rag dem Tchwert.
Mein Tchwert heitzt heute
vie Rrbeit.
 
Annotationen