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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0196
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über, in dem ein hl. Michael mit Wage und Schwert auf dem Höllenfürsten kniet.
Es ist ein stark nachgedunkeltes und durch die Übermalung entstelltes Bild, dem
man indes die alte Schule und gute Färbung noch ansieht Die Haltung der
Gottesmutter ist unsicher, die des Kindes verzwickt. Der hl. Andreas spreizt den
kleinen Finger in affektierter Weise. Arg gesucht verhält sich auch der hl. Mark. Da
er mit dem Rücken gegen die Jungfrau sitzt, so muß er, um sie andächtig anzu-
schauen, den Kopf hintenüber werfen. Die flüchtige Stirn ist ein Zeichen des
Sabattini, ebenso das dürftige Kinn, die Nase mit aufwärts gezogenen Löchern. Die
Akte der Fegfeuerselen sind ganz versudelt: sie sind, wo sie bei Andreas vorkommen,
nie hervorragend und meist von Rafael abgeschrieben. Die Haltung des hl. Michael
ist wunderlich. Im Hintergründe erblicken wir das brennende Rom, links die Engels-
burg, eine Erinnerung an die Verwüstung vom Jahre 1527, mit der der Stifter,
wir wissen nicht in welchem Zusammenhänge, mochte gestanden sein. Ob hier
Andreas eigenhändig oder nur Werkstattarbeit anzunehmen ist, kann man nicht
mehr entscheiden. Der von de Dominici genannte »Paolillo« ist eine Er-
findung1).
Andere Fresken werden für den »Palazzo degli Spiriti« erwähnt: er ist
längst vom Erdboden verschwunden, und an seiner Stelle erhebt sich der Haupt-
bahnhof. Auch von den Fresken, die Tutini anführt (»in der Kirche S. Dominik
malte er die ganze Kapelle der Grafen von S. Severino Carrafa aus«) ist nichts mehr
zu sehen. Eine Freske des hl. Ludwig v. Tulus in der Franziskanerkirche ist
mir unbekannt geblieben.
Nur ein einziger Rest von dieser Art Malerei, der hl. Anton von Padua in
S. Marien-der-Gnaden (r. Kreuzschiff, r. Wand unter Glas), ist wohl erhalten. Auf
der ansprechenden Gestalt von etwas leerer und süßlicher Würde in schwerer ein-
farbiger Kutte sitzt der nicht sonderlich ausdrucksvolle Kopf; in der Rechten hält der
Heilige den Lilienstengel, die Linke stützt ein Buch gegen den Gürtel. Der Kopf
ist etwas zu seiner linken Schulter geneigt. Die Falten sind breit und flach, wie sie
für Sabattini karakteristisch sind. Da er in einer Nische steht, war er wohl mit
anderen ein Teil der Korfresken der unteren Reihe, von denen schon die Rede war.
Sabattini ist hier verhältnismäßig so gut, daß der Verlust seiner übrigen Fresken be-
dauert werden muß.
Auch von seinen zahlreichen Tafelbildern ist das Meiste verloren gegangen,
und was uns erhalten ist, vermag uns keinen guten Begriff von seiner Kunst zu
geben, da es mit wenigen Ausnahmen stark mitgenommen ist. Wir wenden uns, um
mit seinem Stil näher bekannt zu werden, zum NM., und halten dann Umschau
in den Kirchen Neapels nach ihm, seinen zahlreichen Nachfolgern und Gesinnungs-
genossen.
1) Vielleicht steht es mit Polidoro von Karavaggio in Verbindung, der vor der
Brandschatzung Roms nach Neapel flüchtete und dort einige Zeit blieb: S. unten.
 
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