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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0265
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Werk des Parisers Simon Von et (1590—1649), der in Rom sehr angesehen Rafael
und Reni nachstrebt, einen hl. Bruno, der die Ordensregel empfängt, gez. SIMONE
VOUET PAR1SIEN PINXIT ROMAE 1620 (Kapitelsaal, zwischen 2. und 3. Fenster
der 1. Wand), einen schwarzschattigen Reni. Sehr breit und von ansprechender Farbe
und klarer Plastik der Engel mit der Lanze der Passion im NM. (83821), sowie
der Engel mit den Würfeln ebendort. — Karl Maratta liefert eine Taufe Kristi
(3. Kap. r.), das unangenehm in der Farbe (das heftige Rot!) sich in nichts von den
übrigen aufdringlichen Werken dieses vielgewandten Römers unterscheidet1). — Von
den »Erben des Veronese« wird unten die Rede sein. —
Glücklich ist Guido Reni mit einer unvollendeten Geburt Kristi vertreten,
die den Korreggio nachahmt (Kor, Rückwand). Trotz seiner akademischen An-
wandlungen und den uns als alte Bekannte anmutenden Personen, der porzellanartigen
Gesichter und der Verteilung des Lichtes, die dem Korreggio abgenommen ist, bleibt
es ein eindrucksvolles Bild, das sich sogar neben dem in nächster Nähe befindlichen
mächtigen Ribera hält. —
Ein seltsamer Zufall stellt in S. Martin neben den einst überschätzten, jetzt mit über-
triebener Verächtlichkeit behandelten Reni seinen Gegenpol, dem erst die für malerische
Lichtprobleme und Wirklichkeitsmalerei lebendig gewordene Gegenwart neue Beachtung
und wohlverdiente Bewunderung schenkt: den Feuergeist Michael von Karavaggio
(1569—1609), eins der wunderbarsten Rätstel der daran so reichen Kunstgeschichte Italiens.
Von ihm hängt in der Sakristei unter dem schwachen Gekreuzigten des Arpino die
Verleugnung des Petrus, ein Werk von ungewöhnlicher Kraft und Bedeutung. Die
Frau, Petrus, drei Kriegsknechte um einen Tisch im dunkeln Raume, erstere stehend, die
andern sitzend und einer im Schlafe aufrecht nach vorn überfallend. Das nächtliche
Halbdunkel durchschneidet grell das harte Morgenlicht und legt sich auf Kopf, Schultern,
Unterarme der ernst auf Petrus weisenden Frau, deren Gesicht ganz im Schatten liegt.
Der hat sich entsetzt erhoben, hebt abwehrend die Hände, leugnet, und die bange Feig-
heit steht unnachahmlich auf diesem Gesichte geschrieben, das aus dem Halbdunkel
hervortritt. Ein Krieger dreht uns den Rücken zu: das Licht spielt auch hier allmälich
verlöschend auf dem linken Schulterstück des prachtvollen blauen Harnisches. Von
den beiden anderen sehen wir* nur mehr die schwach leuchtenden Arme, auf der
Stirn des einen einen Lichtfleck. Hier ist ein malerisches Problem von Licht und
Farbe an einem höchst bedeutsamen Gegenstände vorzüglich gelöst, die Nacht der
Lüge liegt im Kampfe mit und wird besiegt von dem kalt anbrechenden Morgen
der Wahrheit. Man sieht, nicht farbige Probleme allein, und seien sie noch so ge-
schickt gelöst, tun es: es will auch der Gedanke dabei sein. Je vollendeter die male-
rische Lösung und je bedeutender der ihr zugrunde liegende Gedanke, um so höher
das Werk. Hier sehen wir den Meister Riberas: technisch geht wohl der Schüler
1) Im NM. die Anbetung der Drei Könige (83769), glatte und farbige Malerei von
ruhiger Wirkung.
 
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