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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0287
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Beine und Arme neapolitanisch bewegt Out gemalt ist die Gewandung. Das Fleisch
hat etwas von dem goldenen Tone Riberas, ist aber glatter und weit weniger model-
liert. Das Licht wird auf den nackten Busen vereinigt, auch hier der Mode folgend,
wie sie über Karavaggio hinaus Ribera und seine Nachfolger entwickeln. Den An-
hängern des sanften Stanzione ist dies Werk, das zu den besten seiner Arbeiten ge-
hört, zu heroisch, zu breitwürfig, zu studiert akademisch, — seltsame Vorwürfe bei
einem so in der Sammelkunst befangenen Meister wie Stanzione! Das Bild kam
aus der Kirche des Divino Amore, wo es zwischen 1638 und 1658 entstand.
Das ebenfalls dem Massimo gegebene Bild der hl. Rosa von Lima (84076) stellt
eine sitzende Frau mit einer silbernen Schüssel dar, die mit Rosen gefüllt ist und in
der ein pausbackiger Engel spielt. Es ist höchstens Werkstattarbeit und könnte dem
Niklas de Simone gehören. In den Einzelfiguren glücklich, wenn auch nicht frei
von Zeichenfehlem (so beim knienden Hirten r.) und mangelhaft in dem verzettelten
Aufbau erscheint die Anbetung (84369). Die hart nebeneinander stehenden Farben
und die breit ausfüllende Verwendung der Gewänder deuten auf eine Jugendarbeit.
Die hl. Agate (84427) schließt sich den riberisierenden Arbeiten Stanziones an,
namentlich erinnern an ihn das verschieden getönte Weiß des Tuches, der Blutstropfen
darauf, die ziegelroten Lippen. Aber wie viel weniger ernst ist das alles gemalt: was
sind das für Hände gegenüber den Wunderwerken des Spaniers; ist doch hier die
Plastik durch den dicken Auftrag der Farbe ersetzt. Der kraftlosere hl. Bruno (84341)
wirkt durch die vornehme Einfachheit der Haltung, den großen weißen Mantel, den
silbrigen Ton, ist aber schlecht erhalten. Die Taufe Kristi (N.?) befand sich einst
in der Kartäuserkirche von St. Martin, wo sie (3. Kap. r.) durch die Taufe des Maratta
ersetzt wurde1).
Im Komohause befinden sich zwei kleine Bilder, ein Tod Mariens (N. 1449)
und eine Anbetung der hl. drei Könige (N. 1457), die durch ihr gutes Zusammen-
spiel der leuchtenden Farben und den überlegten Aufbau ansprechen. — Eine nicht
unüble Gottesmutter, gez. MX. mit stehendem Kinde, das ernst auf das Kreuz weist,
befindet sich in der Sammlung Tesorone.
Stanzione war kein großer, aber ein ehrlicher und fleißiger Künstler; sein
Ideal das aller Übergangszeiten: die Vereinigung des Schönen in der Idee mit
dem in der Natur, wobei letztere eine Nebenrolle zu spielen pflegt. Sein Stand-
punkt gegenüber den malerischen Eroberungen der Karavaggio-Riberaschule gleicht
dem auf ein Haar, den wir auch im Kampfe der Gegenwart die besseren Alten
einnehmen sehen: »Ich schaue, sagte er, Hütten, Hühnerhöfe, Pferdeställe und wahr
oder, besser gesagt, unverkennbar gezeichnete Lumpen mit Vergnügen an. Stand
aber dabei der Künstler auf der Höhe der Wirklichkeit, so meine ich, der Mist müsse
hinter mir stinken. Und bleibt er hinter der Wahrheit zurück, so ziehe ich es vor,
mich am Anblick reinlicher und schöner Dinge zu ergötzen, die sich mir darbieten« —
1) Eine von Dalbono erwähnte Gottesmutter des NM. habe ich nicht gefunden.
Rolfs, Geschichte der Malerei Neapels 18
 
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