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eine Ansicht, die den um neue Farbenprobleme sich mühenden Vorkämpfern gewöhn-
lich entgegengehalten wird. Er malt daher nie »Ziegen, Kühe, Architekturen, Still-
leben«. Seinen ersten Lehrer Santafede findet man wieder in der Wahl seiner
Vorwürfe, die stets auf das schöne Ideal gehen, wenn die Mode nicht gerade etwas
anderes verlangt, wie die brünstige und blutige Frömmigkeit der Magdalenen, Judit,
Lukrezien usw. Von Karacciolo nimmt er die schwarzen Schatten, die den Bildern
zwar Kraft und Tiefe geben, sie aber auch frühzeitigem Nachdunkeln oder gar wie
die Kreuzabnahme gänzlichem Verderben aussetzen. Sein eigentliches Vorbild war
aber Guido Reni und dessen Schule, so daß man ihn auch wohl den Guido
Neapels genannt hat, — mit demselben Rechte, wie man Peter Novelli den Rafael
Siziliens, Lesueur den Frankreichs, Mengs den deutschen Rafael nennt Stanzione
blieb in allen den Dingen hinter Reni zurück, in denen er ihm nachahmen wollte.
Seine Farbe ist gröber, seine Ausführung unfeiner, seine Zeichnung mangelhafter,
seine Schatten härter und schwärzer, seine Erfindung ärmer. Umsonst sucht er die
leidenschaftliche und aufdringliche Lebhaftigkeit des Neapolitaners, die Wärme, ja
Glut der Farben, die ihn umgibt, die tiefen unfeinen, aber plastisch wirkenden
Schatten des Karacciolo mit der kühl berechneten, zeichnerischen und malerischen
Absichtlichkeit des Bolonjesen zu vereinen. Aber gerade dort, wo dies am wenigsten
gelingt, ist er uns am liebsten, weil er das Wenige seiner Eigenart deutlich durch-
blicken läßt. Sein Fleisch ist wärmer als das Guidos, die Falten sind plastischer,
die Farben lebhafter. In der Zeichnung ist ihm der Bolonjeser um ein Bedeutendes
voraus: er ist immer korrekt; aber Massimo bei aller Fehlerhaftigkeit nicht selten
wahrer und lebendiger. Alles dies gilt zunächst von den Tafelbildern. In der Fresken-
malerei folgte Massimo weder Karacciolo noch Reni, dessen Aurora (1609) er von
Rom aus wird gekannt haben, sondern dem Tintorettisten Beiisar Korenzio,
dessen hellfarbiger Freskenstil das Neapel jener Tage vollständig beherrscht. Die Heiter-
keit eines schönen, nicht allzu tiefen Ideals in gefälliger Form darzustellen, das
ist das Ziel Stanzionis, das er in einem langen Leben ehrlicher Arbeit auch erreicht
hat. Das Streben nach »Grazie« bezeichnet die Höhe wie die Tiefe, den ganzen
Umfang seines Lebenswerkes. Er malt daher auch nichts Gelehrtes, meidet die Alle-
gorie, haßt das Obszöne, ist aber zugleich Modemaler genug, um jedem der ihm auf
dem Wege begegnenden Meister diesen Vorwurf oder jene Manier abzusehen und
sich darin zu versuchen, so gut es eben ging. Es mag ihm zum Ruhme nachgesagt
werden, daß er dabei niemals zum gewöhnlichen Macher herabsank, wie es Jordano
und seine Nachfolger nach ihm taten* 1 2 3).
1) Dalbano schreibt Stanzioni noch folgende Werke zu, die man meist nicht mehr
findet:
1. eine hl. Familie mit der hl. Anna, die dem Kinde das Kreuz und eine Blume zeigt,
flüchtig, im Hause De Horatiis;
2. einen bedeutenden Krist, der in seiner Hand einen Nagel vom Kreuze hält, ebendort;
3. einen hl. Bruno, die Regel austeilend, bei den Markgrafen Capelli;
eine Ansicht, die den um neue Farbenprobleme sich mühenden Vorkämpfern gewöhn-
lich entgegengehalten wird. Er malt daher nie »Ziegen, Kühe, Architekturen, Still-
leben«. Seinen ersten Lehrer Santafede findet man wieder in der Wahl seiner
Vorwürfe, die stets auf das schöne Ideal gehen, wenn die Mode nicht gerade etwas
anderes verlangt, wie die brünstige und blutige Frömmigkeit der Magdalenen, Judit,
Lukrezien usw. Von Karacciolo nimmt er die schwarzen Schatten, die den Bildern
zwar Kraft und Tiefe geben, sie aber auch frühzeitigem Nachdunkeln oder gar wie
die Kreuzabnahme gänzlichem Verderben aussetzen. Sein eigentliches Vorbild war
aber Guido Reni und dessen Schule, so daß man ihn auch wohl den Guido
Neapels genannt hat, — mit demselben Rechte, wie man Peter Novelli den Rafael
Siziliens, Lesueur den Frankreichs, Mengs den deutschen Rafael nennt Stanzione
blieb in allen den Dingen hinter Reni zurück, in denen er ihm nachahmen wollte.
Seine Farbe ist gröber, seine Ausführung unfeiner, seine Zeichnung mangelhafter,
seine Schatten härter und schwärzer, seine Erfindung ärmer. Umsonst sucht er die
leidenschaftliche und aufdringliche Lebhaftigkeit des Neapolitaners, die Wärme, ja
Glut der Farben, die ihn umgibt, die tiefen unfeinen, aber plastisch wirkenden
Schatten des Karacciolo mit der kühl berechneten, zeichnerischen und malerischen
Absichtlichkeit des Bolonjesen zu vereinen. Aber gerade dort, wo dies am wenigsten
gelingt, ist er uns am liebsten, weil er das Wenige seiner Eigenart deutlich durch-
blicken läßt. Sein Fleisch ist wärmer als das Guidos, die Falten sind plastischer,
die Farben lebhafter. In der Zeichnung ist ihm der Bolonjeser um ein Bedeutendes
voraus: er ist immer korrekt; aber Massimo bei aller Fehlerhaftigkeit nicht selten
wahrer und lebendiger. Alles dies gilt zunächst von den Tafelbildern. In der Fresken-
malerei folgte Massimo weder Karacciolo noch Reni, dessen Aurora (1609) er von
Rom aus wird gekannt haben, sondern dem Tintorettisten Beiisar Korenzio,
dessen hellfarbiger Freskenstil das Neapel jener Tage vollständig beherrscht. Die Heiter-
keit eines schönen, nicht allzu tiefen Ideals in gefälliger Form darzustellen, das
ist das Ziel Stanzionis, das er in einem langen Leben ehrlicher Arbeit auch erreicht
hat. Das Streben nach »Grazie« bezeichnet die Höhe wie die Tiefe, den ganzen
Umfang seines Lebenswerkes. Er malt daher auch nichts Gelehrtes, meidet die Alle-
gorie, haßt das Obszöne, ist aber zugleich Modemaler genug, um jedem der ihm auf
dem Wege begegnenden Meister diesen Vorwurf oder jene Manier abzusehen und
sich darin zu versuchen, so gut es eben ging. Es mag ihm zum Ruhme nachgesagt
werden, daß er dabei niemals zum gewöhnlichen Macher herabsank, wie es Jordano
und seine Nachfolger nach ihm taten* 1 2 3).
1) Dalbano schreibt Stanzioni noch folgende Werke zu, die man meist nicht mehr
findet:
1. eine hl. Familie mit der hl. Anna, die dem Kinde das Kreuz und eine Blume zeigt,
flüchtig, im Hause De Horatiis;
2. einen bedeutenden Krist, der in seiner Hand einen Nagel vom Kreuze hält, ebendort;
3. einen hl. Bruno, die Regel austeilend, bei den Markgrafen Capelli;