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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0306
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lange Zeit Gegenstand höchster Bewunderung. Die Decke der Ferdinandskirche
ist beschädigt, die Werke in der Verkündigung sind durch das Feuer von 1757 unter-
gegangen. Im NM. ist Lanfranko mit einem halben Dutzend von Werken vertreten,
in denen er als ein besserer Künstler erscheint als in seinen Fresken. Der Erzengel
Rafael, der den Satan an der Kette hält (84 098), gez. 1610, ist noch ein gut Teil
gewissenhafter und hat, wenn auch massige, so doch sorgfältig gemalte und gezeich-
nete Figuren der Schule. Krist in der Wüste von Engeln beschützt (84146) ist
ein kleines Bild im Langrechteck, auf dem die Landschaft das beste ist. Nur in
seiner Manier gemalt scheint die Gottesmutter mit der hl. Barbara (als schwarzer
Nonne mit roter Börse) und der hl. Margarete (mit Kreuz und Drachen) zu sein
(84101). Bemerkenswert und ein Beweis, daß Lanfranko viel konnte, ist die
Gottesmutter mit Kind, die im Himmel die Sele (in Gestalt eines Knabenaktes)
des am Boden liegenden Jünglings befreit, für den seine Mutter betet (83996). Links
ein kniendes Mädchen mit der Zahnzange (S. Apollonia?), ganz im Vordergründe
links ein hl. Hieronimus, der seine prächtige rote Schleppe aufnimmt. Ein energisches
Bild von großer Farbenkraft und hinlänglich sorgfältiger Zeichnung. Wüster erscheint
schon 84149, ein Jüngstes Gericht, das aus der Jesuitenkirche stammt, und 84115
ist eine seltsame Himmelfahrt der ägiptischen Marie mit ihrer nackten Sele in
einer ansprechenden Landschaft1). —
Über einen vielgenannten Neapolitaner Künstler namens Benaska sind wir fast
ausschließlich auf De D. angewiesen: unser guter Celano fängt leider an, uns zu
verlassen, je mehr wir uns den 1700 nähern. Sehr zum Schaden der Zuverlässigkeit,
wenn es auch nicht von besonderer Wichtigkeit ist, jeden der mehr und mehr zu
wilden Tünchern sich entwickelnden Künstler Neapels bis ins Einzelne zu verfolgen.
Was De D. über Benaska sagt, ist nur mit Vorbehalt zu benützen2). Sicher ist, daß
Johann-Baptist Beinaschi, Benaschi oder Benaska, wie er in Neapel gewöhn-
lich genannt wird, angeblich 1636, in Fossano bei Turin geboren wurde. Orlandi
berichtet: »Johann-Baptist aus Piemont, Schüler des Monsü Spirito (eines Bildnis-
malers in Turin], später in Rom bei [dem Sizilianer] Peter del Pö, sticht die Werke
Lanfrankos3) und arbeitete sich so in seine Manier ein, daß viele seiner Werke für
die des Meisters gelten. Er war ein feuriger Zeichner [feracissimo], von großem
1) De D. nennt als einen 1723 in Gaeta geborenen neapolitanischen Maler den in Rom
tätigen Hiazint Brandi von Poli, einen Schüler des Lanfranko, der in Rom 1669 bis 70
Vorsitzer der Akademie von S. Lukas war. Um ihn zum Gaetaner zu machen, fabriziert der
Fälscher einige Briefe, die er besitzen will. In Wirklichkeit vertauschte er den unbedeutenden
Neapler Maler Kajetan Brandi, der 1689 Mitglied der Anna- und Lukasgilde wurde und
am 11. Oktober 1696 starb, mit dem bekannten Römer aus Poli. Auch ein Dominik Brandi
tritt 1709 der Malergilde Neapels bei.
2) Obgleich Ozzola es in Bausch und Bogen ins Künstlerlexikon übernimmt.
3) Nur so ist die Stelle »disegnö l’opere del Lanfranchi« zu verstehen, denn dieser
selbst war in Neapel, und daß Benaska, wie oft angegeben wird, sein Schüler gewesen sei,
ist schon deswegen unmöglich, weil Lanfranko 1647 starb.
 
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