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Tragik der Neapler Kunst im 17. Jahrhundert, wie wir sie auch an mehr oder minder
gleichlaufenden Beispielen für alle vorhergehenden Epochen kennen lernen konnten.
Ribera ist außerhalb Spaniens nirgends besser zu studieren als in Neapel; Rosa
dagegen ist dort nur sehr dürftig vertreten.
Ribera stammt aus Jatiba in Valenzia in Spanien, wo seine Familie sehr aus-
gebreitet war. Sein Geburtsjahr steht nicht fest, denn ein vom 12. Januar 1588 da-
dierter Taufschein über Josef Benet, Sohn des Llois Ribera in Jatiba (dem S.
Felipe Filipps V) wird zwar schon in einer alten Urkunde auf unsern Meister be-
zogen, kann aber nicht als sicher gelten. Dieser nennt sich nie Benedikt (Benet) mit
Vornamen, und sein Vater hieß nicht Ludwig, sondern urkundlich Simon (Anton);
seine Mutter vielleicht Viktoria Bricchi. Immerhin ist für den Kenner derartiger
Fragen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß 1588 dennoch das Geburtsjahr Riberas
ist. Ribera selbst bezeichnet sich mehrmals auf einigen seiner Bilder als JOSEPH A
RIBERA Spanier, Valenzianer aus Jatiba, Akademiker von Rom, zu Ne-
apel1). Sein Lehrer in Spanien war der Valenzianer Franz Ribalta (geb. 1551 oder
1555, f 1628), der erste große Hellichtmaler Spaniens, der sich in Italien an Rafael,
Sebastian del Piombo und vor allem an Korreggio gebildet hatte. Von ihm
hat Ribera die kühnen Verkürzungen und den Zauber des Helldunkels. Unbedingte
Beherrschung der Form und Sicherheit der Zeichnung sind in jenen Tagen selbstver-
ständlich. Dabei bewahrt der Spanier seine eigene Natur, den tiefen Ernst, die spa-
nische Würde, die lodernde Glaubensglut, den leidenschaftlichen Patos der Auf-
fassung. Alles das spiegelt sein Schüler wider. Und auch dieser durchtränkt sein
spanisches Wesen mit italienischer Kunst. Seine Lehr- und Wanderjahre führen
ihn nach Parma, Padua, Venedig, Rom; er steht fest auf den starken Schultern
Tizians und Korreggios2). Auch Rafaels Kunst des Aufbaus studiert er, vor
allem aber den ihm wesensverwandten Karavaggio. Aber wie sein Lehrer bleibt
er allen gegenüber er selbst. Vielleicht hängt dies damit zusammen, daß, stark wie
sein Karakter, seine Fantasie nur arm ist. Wir finden bei Ribera eine Vereinigung
des stärksten künstlerischen Wollens und Könnens, aber seine Gedankenwelt ist eng
1) So die lateinische Form auf der Silensradierung von 1628, auf der Geburt Kristi
1630 usw. Selten vergißt Ribera den Zusatz, daß er ein Spanier sei, vielleicht in der Vor-
ahnung, daß ihn Neapler Ortsliebe dereinst als einen der Ihrigen beanspruchen würde. Die
lateinische Form der Künstlersignatur ist in unserer Epoche die Regel. So nennt sich Massimo
Maximus Eques, Jordano Jordanus, und die von dem eitlen Rosa angenommene Namens-
form SALVATOR ROSA beruht hierauf, nicht aber, wie man angibt, auf seinem Haß gegen
alles Spanische oder der Sucht aufzufallen. Auch die Signatur der Radierungen Riberas
löst sich in die Bestandteile I, H[ISPANUS] und R[IBERA] auf, zugleich enthält sie andeutend
auch den S[ETABENSIS] A[CADEMICUS] R[OMANUS] P[ARTENOPEJ.
2) In Padua kopiert er den Kristus unter den Schriftgelehrten des Veronese
(im Prado). Eine Wiederholung davon in Neapel, die der neueste Biograf Riberas, A. L. Mayer
(der für Neapel leider nicht ganz zuverlässig ist) noch bei der Fürstin Fon di sein läßt, ist
dort nicht zu finden.
Tragik der Neapler Kunst im 17. Jahrhundert, wie wir sie auch an mehr oder minder
gleichlaufenden Beispielen für alle vorhergehenden Epochen kennen lernen konnten.
Ribera ist außerhalb Spaniens nirgends besser zu studieren als in Neapel; Rosa
dagegen ist dort nur sehr dürftig vertreten.
Ribera stammt aus Jatiba in Valenzia in Spanien, wo seine Familie sehr aus-
gebreitet war. Sein Geburtsjahr steht nicht fest, denn ein vom 12. Januar 1588 da-
dierter Taufschein über Josef Benet, Sohn des Llois Ribera in Jatiba (dem S.
Felipe Filipps V) wird zwar schon in einer alten Urkunde auf unsern Meister be-
zogen, kann aber nicht als sicher gelten. Dieser nennt sich nie Benedikt (Benet) mit
Vornamen, und sein Vater hieß nicht Ludwig, sondern urkundlich Simon (Anton);
seine Mutter vielleicht Viktoria Bricchi. Immerhin ist für den Kenner derartiger
Fragen die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß 1588 dennoch das Geburtsjahr Riberas
ist. Ribera selbst bezeichnet sich mehrmals auf einigen seiner Bilder als JOSEPH A
RIBERA Spanier, Valenzianer aus Jatiba, Akademiker von Rom, zu Ne-
apel1). Sein Lehrer in Spanien war der Valenzianer Franz Ribalta (geb. 1551 oder
1555, f 1628), der erste große Hellichtmaler Spaniens, der sich in Italien an Rafael,
Sebastian del Piombo und vor allem an Korreggio gebildet hatte. Von ihm
hat Ribera die kühnen Verkürzungen und den Zauber des Helldunkels. Unbedingte
Beherrschung der Form und Sicherheit der Zeichnung sind in jenen Tagen selbstver-
ständlich. Dabei bewahrt der Spanier seine eigene Natur, den tiefen Ernst, die spa-
nische Würde, die lodernde Glaubensglut, den leidenschaftlichen Patos der Auf-
fassung. Alles das spiegelt sein Schüler wider. Und auch dieser durchtränkt sein
spanisches Wesen mit italienischer Kunst. Seine Lehr- und Wanderjahre führen
ihn nach Parma, Padua, Venedig, Rom; er steht fest auf den starken Schultern
Tizians und Korreggios2). Auch Rafaels Kunst des Aufbaus studiert er, vor
allem aber den ihm wesensverwandten Karavaggio. Aber wie sein Lehrer bleibt
er allen gegenüber er selbst. Vielleicht hängt dies damit zusammen, daß, stark wie
sein Karakter, seine Fantasie nur arm ist. Wir finden bei Ribera eine Vereinigung
des stärksten künstlerischen Wollens und Könnens, aber seine Gedankenwelt ist eng
1) So die lateinische Form auf der Silensradierung von 1628, auf der Geburt Kristi
1630 usw. Selten vergißt Ribera den Zusatz, daß er ein Spanier sei, vielleicht in der Vor-
ahnung, daß ihn Neapler Ortsliebe dereinst als einen der Ihrigen beanspruchen würde. Die
lateinische Form der Künstlersignatur ist in unserer Epoche die Regel. So nennt sich Massimo
Maximus Eques, Jordano Jordanus, und die von dem eitlen Rosa angenommene Namens-
form SALVATOR ROSA beruht hierauf, nicht aber, wie man angibt, auf seinem Haß gegen
alles Spanische oder der Sucht aufzufallen. Auch die Signatur der Radierungen Riberas
löst sich in die Bestandteile I, H[ISPANUS] und R[IBERA] auf, zugleich enthält sie andeutend
auch den S[ETABENSIS] A[CADEMICUS] R[OMANUS] P[ARTENOPEJ.
2) In Padua kopiert er den Kristus unter den Schriftgelehrten des Veronese
(im Prado). Eine Wiederholung davon in Neapel, die der neueste Biograf Riberas, A. L. Mayer
(der für Neapel leider nicht ganz zuverlässig ist) noch bei der Fürstin Fon di sein läßt, ist
dort nicht zu finden.