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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0310
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umgrenzt, seine künstlerische Fantasie wie in Banden geschlagen. Mit rücksichts-
loser Kraft durchbricht er das zu eng gewordene Schema Rafaels, aber inhaltlich
weiß er nichts hinzuzufügen. Das abgewogene Gleichgewicht zwischen Aufbau, Linie,
Farbe, Formen und Licht weicht der Unterordnung aller unter das Licht, wobei die
rücksichtslose Wiedergabe der Natur ohne alle Beschönigung die Grundlage bildet.
Heilige Ehrfurcht vor ihr und alle Fantasie in tiefste Glaubensglut aufgelöst — das ist
Ribera. Das Verklärende der gemeinen Wirklichkeit ist bei ihm der Glaube und, wie
bei Rembrandt, das Licht. Aber natürlich: das Licht muß auf bedeutende Menschen
fallen, Menschen von katolischer Glaubensglut beseelt, Menschen des Zeitalters eines
Filipp II. Auch in Italien hat sich das Volksbild nach holländischem Muster
entwickelt: naturgemäß ist es meist im kleinen Format gehalten; denn nicht der
einzelne Mensch, sondern nur die kleine Menschlichkeit interessiert uns. Solche Ge-
stalten vertragen keine Vergrößerung in heroisches Format. Bei Ribera ist dies eine
innere Notwendigkeit, zugleich ein Ersatz für seinen Mangel an Fantasie. Und daran
scheitert seine Kunst gelegentlich, namentlich in der Jugend. Denn, wenn einmal,
wie es geschieht, das verklärende Licht auf seinen Modellen zu kurz kommt, gegen-
über dem Bemühen auf dem Boden der Wirklichkeit zu bleiben, die keine Fantasie
zu beleben versteht, so verliert sich das »Bedeutende« eines Kopfes, und aus dem
Profeten blickt uns das posierende Neapler Modell entgegen, dem spanische Würde
und spanische Glaubensglut oft genug fern liegen.
Riberas Künstlertum ist also ein italienisches Reis auf spanischer Grundlage: was
Wunder, daß es ihn nach Neapel zieht, und daß er dort sein Lebenswerk entfaltet,
wo Spanien und Italien seit Alfons I aufs Engste verknüpft sind. Gönner der eigenen
Familie werden ihn aus äußeren Gründen dahingezogen haben: war doch auch die
Gattin des Statthalters von Neapel, des Herzogs von Osuna, der 1616 dahinkam,
eine Ribera, und ein Admiral des gleichen Namens stand in neapolitanischen Diensten.
Wir geben einen raschen Überblick über die feststehenden Daten seines Lebens.
Im September des Jahres 1616 verheiratet er sich mit Katarina, der Tochter des
Malers Azzolino1). 1623 wird er als Trauzeuge in Neapel erwähnt. 1624 widmet
1) Johann-Bernhardin Azzolino war Neapolitaner. 1610 finden wir ihn in Genua,
wo er für die Josefskirche die Marter der hl. Apollonia und anderes malt. Rühmender-
wähnt wird er vor allem wegen seiner Arbeiten in Wachs, die er mit ganz besonderer Ge-
nauigkeit bis ins kleinste ausführte. Für Anton Doria verfertigte er so in halber Lebens-
größe die vier Personen der letzten Dinge: den Tod, das Gericht, die Hölle und das Paradies
in wunderlichen Allegorien. Ferner das Lachen und das Weinen in zwei Kinderköpfen. 1618
wird er Mitglied der Lukasgilde in Rom. Von urkundlich ihm gehörigen Arbeiten in Neapel
wissen wir von der Ausmalung der hl. Geistkirche in Gemeinschaft mit Julius Deloca
(15. April 1599). Zwischen den Fenstern sollten Grotesken, an der Kuppel die Dreifaltigkeit,
eine Gottesmutter mit Engelskören und an den Hängepfeilern die vier Kirchenväter angebracht
werden. Im NM. muß sich ein mit seinem Namen bezeichnetes Bild befinden, das 1808
aus der Kapuzinerkirche von Kajazzo in die königliche Sammlung verbracht wurde. —
Über Deloca s. S. 202, 1 und 203, 1. Außerdem sei hier erwähnt, daß die Krippe der
 
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