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Rolfs, Wilhelm
Geschichte der Malerei Neapels: mit einem Titelbild in Heliogravüre, mit 13 Textfiguren und 138 Abbildungen auf 112 Tafeln — Leipzig: Verlag von E.A. Seemann, 1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.56470#0387
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dem kommt bei dem Verlorenen Sohne (84413) noch eine hastige Linienführung.
Ein ihm ebenso vortrefflich liegender Vorwurf ist 131 152: Absalom läßt seinen
Bruder beim Qastmale töten (Abb. 127). Zwei Mordgesellen nach dem Leben
biegen dem Opfer den Kopf hinten über, so daß der Adamsapfel schroff hervortritt,
und stoßen ihm den Dolch in Hals und Brust: eine krasse Mordgeschichte ohne
den leisesten Versuch nach einer geistreicheren Lösung; nichts wie ein Mord nach
Neapler und ein Oastmahl nach Veroneses Art. Auch hier bilden einige bloße
Arme für überkräftige Muskelentwickelung und den Rücken zukehrende Halbfiguren,
die wir von Venedig nur allzu gut kennen, die stetig wiederkehrenden Lieblinge
des schwarzschattigen Kalabresen. Äußerst heftig und blutrünstig mutet auch Judit
und Holofernes (o. Nr.) an. Es wird uns die Schnittfläche am Halse des nach vorn
gefallenen Holofernes präsentiert, die vor einem Hingerichteten gemalt zu sein scheint.
Wäre es nur gemalt, wie etwa das Haupt des Johannes des Ribera! Zwei Pest-
szenen vom Jahre 1656 (o. N.) bilden einen Entwurf für Fresken, die über den
Toren von Neapel zum ewigen Gedenken an das furchtbare Jahr angebracht werden
sollten1). Zu Muskelspielen und Akten wie auch kühnen Verkürzungen geben die
Leichen unten die schönste Gelegenheit.
Dalbono sah in der mehrfach erwähnten Ausstellung noch ein Paar Abend-
malbilder2), einen Jakob und ein Selbstbildnis des Malers. Vielleicht war nach
dem letzteren (das danach nicht schwer wieder aufzufinden sein würde) das Bildnis
gestochen, das Giannone mit der Aufschrift am oberen Rande CAVALIER MATTIA
PRETI DETTO IL CALABRESE abzeichnete und seiner Kritik des De D. beigab.
Es ist ein 2/3 von links gesehenes Brustbild im Mantel mit dem Malteserkreuz, das
also schon von Malta nach Neapel gelangte. Der Kopf ist der eines mittleren Sech-
zigers von unregelmäßiger Bildung, starker Knollennase mit den scharfen Stirnfalten
1) So am alten, niedergelegten Kiajator, an dem des hl. Jänner, wo sie verblaßt
sind, und am Kapuanertor, wo sie bald durch eine mittelmäßige Verklärung des hl. Jänner
ersetzt wurden. Diese übermalte dann im Kolerajahr 1837 Gennaro Malderelli mit einer
Gottesmutter. — An die Pestbilder knüpft De D. eine seiner berüchtigten Anekdoten: Aus
Rom flüchtig, weil er einen Genossen verwundet hat, wird Preti wegen der Pest am Stadttore
von Neapel von einem Soldaten zurückgewiesen. Er erschlägt ihn, wird zum Tode verurteilt
und begnadigt unter der Bedingung, diese Torfresken zu malen. Etwas entfernt Ähnliches
war tatsächlich keinem Geringeren als Van Dyck passiert (wenigstens erzählte man es sich):
Wegen der Pest von Palermo über Neapel (nach Genua) eilend, wird er in Neapel, weil
ohne Gesundheitspaß, zu den Galeren verurteilt. Hier malt er einige Bilder für den Haupt-
mann, der sie dem Statthalter schenkt. Das Übrige ist selbstverständlich. Wichtig ist die
Notiz immerhin als ein Hinweis darauf, daß Van Dyck in Neapel einige Arbeiten könnte
hinterlassen haben, und ich erinnere mich eines Gekreuzigten in einer kleinen gewöhnlich
verschlossenen Kirche dort, der lebhaft an ihn mahnte (S. Giovanni di Dio, 3. Kap. 1.).
(Eine Kopie der Kreuzabnahme in Brüssel ist in der Kirche der hh. Kosmas und
Damian 2. Altar r.).
2) Falls mit »Cene« hier nicht einfach die Gastmäler des Belsazar und des Absalom
gemeint sind.
 
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