Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Studien und Skizzen zur Gemäldekunde — 3.1917/​1918

DOI issue:
Nr. 2
DOI article:
Frimmel, Theodor von: Malerische Naturbeobachtungen, 1
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52767#0052

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
42

Zwar scheint das ein Rückfall zur Ansicht des alten Ptolomäus zu sein,
doch beirrt mich das wenig.
Es klingt so hübsch, wenn es an vielen Orten heißt, das größere
Bild entspringe einer Sehtäuschung, indem wir nahe dem Horizont das Ge-
stirn mit terrestrischen Gegenständen vergleichen, was beim hochstehenden
Gestirn gewöhnlich nicht ebenso möglich ist. Nun läßt sich aber sehr leicht
z. B. der Vollmond bei hoher Stellung so betrachten, daß er von einem
dunklen Hausgiebel oder nahen Felsen überschnitten wird. Die Vergleichungs-
möglichkeit ist in einem solchen Fall zweifellos vollkommen vorhanden, und
dennoch sieht niemand den Vollmond größer, wenn er nahe beim Giebel
oder Felsen gesehen wird. Die Bildgröße bleibt die gleiche. Demnach ist
nicht die Nähe irdischer Gegenstände, die täuscht, sondern das Bild des
niedrig stehenden Gestirns ist in der Tat größer als das des höher stehen-
den. Dazu sei sofort an die Typen erinnert, die oben geschildert worden
sind: bei klarster Luft und scharf begrenzter sil berweißer Scheibe
ist der Größenunterschied bei verschieden hohem Stand der großen Ge-
stirne gering, fast unmerklich. Am meisten fällt er auf, wenn das Gestirn
rot aufgeht oder untergeht, wogegen es einige Stunden danach blendend
weiß am Himmel steht, oder vorher weiß am Himmel gesehen wurde.
Wer sich viel mit trüben Medien und einigermaßen mit Witterungs-
kunde befaßt hat, denkt bei dieser Beobachtung sofort an die Trübung der
Luft. Jeder Maler weiß darum, daß die klare Bläue des Himmels nicht in
der Nähe des Horizonts zu sehen ist (dort mehr Weiß und heller Ocker,
abgetönt nach oben. Wenn Wolken da sind, ihrer größeren Entfernung ent-
sprechend mehr Luftton als bei näheren Wolken!). Eine Lichtquelle er-
scheint, durch eine trübende Dunstschicht gesehen, größer als ohne dieses
Hindernis. (Dünne trübende Rauchwolken nahe beim Auge können das Bild
verkleinern.) Sie bildet sich auch größer ab in der Kamera. Die Grenzen
werden bei zunehmender Trübung des vorgeschobenen Mediums immer
unbestimmter. Die Dicke der trüben Schicht und ihre Entfernung vom Auge
sind dabei von großer. Bedeutung. Die hochstehende Sonne sieht anders
aus, wenn sie uns durch einen allgemein und gleichmäßig verteilten Dunst
bescheint, als wenn niedrig streichende dünne Nebel vorbeijagen, oder sie
durch den Qualm einer modernen Lokomotive gesehen wird. Durch derlei
geringe Bodennebel oder nahe bei uns befindliche Dampfwolken betrachtet,
sehen wir die Sonne noch silberweiß, mit wenig verwaschenem Rand und
nicht vergrößert, durch rußigen Rauch eher verkleinert. Blickt sie uns aber
durch eine zwar wolkenlose, aber sehr dunstreiche Luft an, so kann sie
auch bei hohem Stand etwas gelblich verfärbt sein. Ihr Bild ist dann jedes-
mal unbegrenzt, d. h. die blendende Helligkeit geht auf viele Bogengrade
hinaus allmählich in die gewöhnliche Himmelshelligkeit über.
Ist die Verteilung des Wasserdunstes in der Atmosphäre in der Tat
sehr gleichmäßig, so dickt sich die Färbung des Sonnenglanzes bei sinken-
dem Tag nur wenig zum Goldgelb ein. In diesen Fällen kommt niemals
ein roter Sonnenuntergang mit riesigem Sonnenbild zustande. Es handelt
sich in diesen Fällen einzig um den längeren Weg durch die Luftschicht
rings um die Erde, welchen die Sonnenstrahlen des Morgens und Abends
zurücklegen müssen, verglichen mit den kürzeren Wegen um die Mittags-
zeit und überhaupt bei höherem Stand der großen Gestirne.
 
Annotationen