Um die Tierschicksale handelt es sich, die
auch Ihr Schicksal geworden sind. Durch die
ganze Presse ging die Notiz, dass das Bild auf
dem Hof der Berliner Paketfahrt in Brand ge-
raten ist. Und nur Sie haben es nicht gewusst?
Doch? Sie haben es gewusst? Und wollen
uns glauben machen, irgend ein Mensch, und
verstehe er sich auf Verdächtigungen noch so
gut, habe diesen unglückseligen Zufall in einen
Zusammenhang mit strafbaren Verfehlungen
Herwarth Waldens gebracht? Einen Zufall,
der ein versichertes Bild auf einem Transport
traf? Auf einem Transport, der mit Wissen
und Willen der Frau Marc erfolgte? Auf einem
Transport, dessen ordnungsmässiges Eintreffen
sogar vom Empfänger, dem Nassauischen Kunst-
verein, irrtümlicherweise bestätigt war. Haben
Sie doch die Liebenswürdigkeit, mir die ehren-
werten Kerle zu nennen, die einen zufälligen
Brand mit einer Leichenfledderei verwechseln.
Oder haben vielleicht Sie die ehrenwerten Kerle
falsch verstanden? Denn wenn ich den Aus-
druck „Leichenfledderei“ ungeprüft auf Ihre
Rechnung setze, so werden Sie mir auf keinen
Fall widersprechen. HerrWestheim, ich wünsche
zu wissen, was Ihnen die ehrenwerten Kerle
erzählt haben, „an deren Zuverlässigkeit zu
zweifeln Sie keinen Grund hatten.“ Genügt
Ihnen die geringste Verdächtigung des Sturm
oder Waldens, um ihre Urheber für „Gewährs-
männer“ zu halten? Und die blosse Behauptung
Waldens, er habe sich nie daran gemacht, sich
die Bilder von Franz Marc anzueignen, genügt
Ihnen wiederum, an Ihren Gewährsmännern
zu zweifeln? Ein paar verlogene Burschen
nennen Sie Männer, die Ihnen „Gewähr“ geben?
An denen Sie nicht zweifeln können, obgleich
die Kerle Ihnen etwas vorlogen, das der Gut-
gläubigste als Lüge erkennt! Solchen Kerlen
glaubt man nur, wenn man ihnen glauben
will. Schwer scheint es Ihnen nicht geworden
zu sein, sich eine Ueberzeugung von der Wahr-
heit zu verschaffen. Und wenn Sie sich diese
Ueberzeugung nicht verschaffen wollten, ehe
Sie jemanden einen Leichenfledderer nennen,
so stehen Sie moralisch, ethisch und leider
auch juristisch nicht anders da als die Urheber
der Verdächtigung selbst. Denn das Gesetz
fragt nur, ob Sie beweisen können. Das ist
bitter, wenn man Recht hat. Aber es ist ge-
recht, wenn durch den einzigen und nächsten
Zeugen Wahrheit oder Unwahrheit bewiesen
werden.
Hier könnte ich diesen Brief beendigen, wenn
nicht Sie selbst, Herr Westheim, seine Fort-
setzung verlangt hätten.
Solange Sie Ihre Postkarte nicht geschrieben
hatten, stand Ihnen jede Auslegung des „Fall
Marc“ privatim und vor Gericht frei. Nach
der Postkarte konnten Sie nicht mehr be-
haupten, Sie hätten darunter etwas ganz Un-
schimpfliches verstanden. Und da Sie im
Kunstblatt in unmittelbarem Zusammenhang
noch von zahlreichen anderen „Fällen“ ge-
sprochen hatten, konnten Sie auch nicht mehr
behaupten, dass Sie mit den übrigen „Fällen“
ebensowenig etwas Schimpfliches haben an-
deuten wollen. Darum liess Walden Sie durch
seinen Anwalt zu der Erklärung auffordern,
dass Sie ihm mit jenen „Fällen“ keine un-
redlichen, wenn nicht gar betrügerischen
Handlungen vorwerfen wollten. Was aber
taten Sie? Sie hatten die beispiellose Kalt-
blütigkeit, dem Anwalt dieses zu schreiben:
„Sie bitten mich um eine Berichtigung: Aber
es scheint, als habe Ihr Auftraggeber Sie nicht
über den wirklichen Inhalt meiner Ausführun-
gen im Aprilheft des Kunstblattes unterrichtet.
.Es ist da mit keinem Wort, auch nicht
dem Sinne nach, behauptet oder der An-
schein erweckt worden, als ob, wie Sie berichtigt
haben wollen, Ihr Auftraggeber sich gegen-
über den von mir genannten Personen unreeller,
wenn nicht gar betrügerischer Handlungen
schuldig gemacht habe. Das ist eine
ganz grobe und gänzlich unbe-
gründete Unterstellung.“
Noch einmal: Es gehört kaltes Blut dazu, so
etwas zu äussern, nachdem man selbst einge-
standen hat, welche infame Handlung mit
dem „Fall Marc“ gemeint war. Aber vielleicht
nehme ich Sie zu ernst, vielleicht verlangen
Sie gar nicht, dass man Ihre harmlosen Aus-
legungen der „Fälle“ glaube. Und wahrhaftig,
es sieht beinahe so aus. Oder Ihr Gedächtnis
hat Sie wieder einmal im Stich gelassen. Oder
wie bringen Sie es sonst fertig, wenige Wochen
später auch den „Fall Chagall“ authentisch
zu erklären und rund heraus zu sagen, dass
Sie hiermit ebenfalls eine geschäftliche Nieder-
trächtigkeit haben andeuten wollen! So etwas
sagen Sie rund heraus, nachdem Sie es vorher
mit hohlem Pathos bestritten haben. Auch
in diesem „Fall“ werden Sie eines Tages sich
von der Wahrheit überzeugen. Dann können
Sie noch einmal behaupten, Ihre Gewährs-
männer seien das Opfer einer Täuschung ge-
worden. Und dann werden Sie vielleicht end-
lich anfangen, sich zu schämen. Heute sieht
es noch nicht danach aus, da Sie nicht nur
die Berichtigung Ihrer „Fälle“ verweigerten,
sondern sogar noch eine Berichtigung von
Walden verlangten. Er hatte im Juniheft des
Sturm von Ihnen gesagt:
„Herr Westheim beteiligt sich an jeder grossen
Mode, auch am Schieben.“
Sie verlangten eine Erklärung, dass Walden
keinerlei Tatsachen bekannt sind, die ihn be-
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auch Ihr Schicksal geworden sind. Durch die
ganze Presse ging die Notiz, dass das Bild auf
dem Hof der Berliner Paketfahrt in Brand ge-
raten ist. Und nur Sie haben es nicht gewusst?
Doch? Sie haben es gewusst? Und wollen
uns glauben machen, irgend ein Mensch, und
verstehe er sich auf Verdächtigungen noch so
gut, habe diesen unglückseligen Zufall in einen
Zusammenhang mit strafbaren Verfehlungen
Herwarth Waldens gebracht? Einen Zufall,
der ein versichertes Bild auf einem Transport
traf? Auf einem Transport, der mit Wissen
und Willen der Frau Marc erfolgte? Auf einem
Transport, dessen ordnungsmässiges Eintreffen
sogar vom Empfänger, dem Nassauischen Kunst-
verein, irrtümlicherweise bestätigt war. Haben
Sie doch die Liebenswürdigkeit, mir die ehren-
werten Kerle zu nennen, die einen zufälligen
Brand mit einer Leichenfledderei verwechseln.
Oder haben vielleicht Sie die ehrenwerten Kerle
falsch verstanden? Denn wenn ich den Aus-
druck „Leichenfledderei“ ungeprüft auf Ihre
Rechnung setze, so werden Sie mir auf keinen
Fall widersprechen. HerrWestheim, ich wünsche
zu wissen, was Ihnen die ehrenwerten Kerle
erzählt haben, „an deren Zuverlässigkeit zu
zweifeln Sie keinen Grund hatten.“ Genügt
Ihnen die geringste Verdächtigung des Sturm
oder Waldens, um ihre Urheber für „Gewährs-
männer“ zu halten? Und die blosse Behauptung
Waldens, er habe sich nie daran gemacht, sich
die Bilder von Franz Marc anzueignen, genügt
Ihnen wiederum, an Ihren Gewährsmännern
zu zweifeln? Ein paar verlogene Burschen
nennen Sie Männer, die Ihnen „Gewähr“ geben?
An denen Sie nicht zweifeln können, obgleich
die Kerle Ihnen etwas vorlogen, das der Gut-
gläubigste als Lüge erkennt! Solchen Kerlen
glaubt man nur, wenn man ihnen glauben
will. Schwer scheint es Ihnen nicht geworden
zu sein, sich eine Ueberzeugung von der Wahr-
heit zu verschaffen. Und wenn Sie sich diese
Ueberzeugung nicht verschaffen wollten, ehe
Sie jemanden einen Leichenfledderer nennen,
so stehen Sie moralisch, ethisch und leider
auch juristisch nicht anders da als die Urheber
der Verdächtigung selbst. Denn das Gesetz
fragt nur, ob Sie beweisen können. Das ist
bitter, wenn man Recht hat. Aber es ist ge-
recht, wenn durch den einzigen und nächsten
Zeugen Wahrheit oder Unwahrheit bewiesen
werden.
Hier könnte ich diesen Brief beendigen, wenn
nicht Sie selbst, Herr Westheim, seine Fort-
setzung verlangt hätten.
Solange Sie Ihre Postkarte nicht geschrieben
hatten, stand Ihnen jede Auslegung des „Fall
Marc“ privatim und vor Gericht frei. Nach
der Postkarte konnten Sie nicht mehr be-
haupten, Sie hätten darunter etwas ganz Un-
schimpfliches verstanden. Und da Sie im
Kunstblatt in unmittelbarem Zusammenhang
noch von zahlreichen anderen „Fällen“ ge-
sprochen hatten, konnten Sie auch nicht mehr
behaupten, dass Sie mit den übrigen „Fällen“
ebensowenig etwas Schimpfliches haben an-
deuten wollen. Darum liess Walden Sie durch
seinen Anwalt zu der Erklärung auffordern,
dass Sie ihm mit jenen „Fällen“ keine un-
redlichen, wenn nicht gar betrügerischen
Handlungen vorwerfen wollten. Was aber
taten Sie? Sie hatten die beispiellose Kalt-
blütigkeit, dem Anwalt dieses zu schreiben:
„Sie bitten mich um eine Berichtigung: Aber
es scheint, als habe Ihr Auftraggeber Sie nicht
über den wirklichen Inhalt meiner Ausführun-
gen im Aprilheft des Kunstblattes unterrichtet.
.Es ist da mit keinem Wort, auch nicht
dem Sinne nach, behauptet oder der An-
schein erweckt worden, als ob, wie Sie berichtigt
haben wollen, Ihr Auftraggeber sich gegen-
über den von mir genannten Personen unreeller,
wenn nicht gar betrügerischer Handlungen
schuldig gemacht habe. Das ist eine
ganz grobe und gänzlich unbe-
gründete Unterstellung.“
Noch einmal: Es gehört kaltes Blut dazu, so
etwas zu äussern, nachdem man selbst einge-
standen hat, welche infame Handlung mit
dem „Fall Marc“ gemeint war. Aber vielleicht
nehme ich Sie zu ernst, vielleicht verlangen
Sie gar nicht, dass man Ihre harmlosen Aus-
legungen der „Fälle“ glaube. Und wahrhaftig,
es sieht beinahe so aus. Oder Ihr Gedächtnis
hat Sie wieder einmal im Stich gelassen. Oder
wie bringen Sie es sonst fertig, wenige Wochen
später auch den „Fall Chagall“ authentisch
zu erklären und rund heraus zu sagen, dass
Sie hiermit ebenfalls eine geschäftliche Nieder-
trächtigkeit haben andeuten wollen! So etwas
sagen Sie rund heraus, nachdem Sie es vorher
mit hohlem Pathos bestritten haben. Auch
in diesem „Fall“ werden Sie eines Tages sich
von der Wahrheit überzeugen. Dann können
Sie noch einmal behaupten, Ihre Gewährs-
männer seien das Opfer einer Täuschung ge-
worden. Und dann werden Sie vielleicht end-
lich anfangen, sich zu schämen. Heute sieht
es noch nicht danach aus, da Sie nicht nur
die Berichtigung Ihrer „Fälle“ verweigerten,
sondern sogar noch eine Berichtigung von
Walden verlangten. Er hatte im Juniheft des
Sturm von Ihnen gesagt:
„Herr Westheim beteiligt sich an jeder grossen
Mode, auch am Schieben.“
Sie verlangten eine Erklärung, dass Walden
keinerlei Tatsachen bekannt sind, die ihn be-
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