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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Viertes Heft
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Blümner, Rudolf: Briefe gegen Paul Westheim, [7]: Zur Geschichte des Sturms und des deutschen Journalismus
DOI Artikel:
Blümner, Rudolf: Der expressionistische Knigge: Das Betragen in der Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0103

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schreiben? Er stand doch in ständigem
Briefwechsel mit Walden. Im Frühjahr 1918
war er in Berlin, im Sturm. Das wäre eine
Gelegenheit gewesen. Campendonk schwieg.
Es scheinen doch damals noch keine -
gewesen zu sein, dass sein Name in den
Anzeigen der Lehrerschaft genannt wurde.
Ist es gerecht, sich heute darüber zu be-
klagen und noch dazu mit einem so un-
flätigen Ausdruck? Was sollen denn die
Leute, die das Kunstblatt lesen, vom Sturm
glauben? Die müssen ja denken, man hätte
die Namen Campendonk und Klee in die
Lehrerliste gesetzt, ohne die beiden vorher
um ihre Erlaubnis gefragt zu haben. Wenn
Campendonk so hahnebüchene Ausdrücke
gebraucht, dass ein Westheim sie nicht ab-
zudrucken wagt, — pfui Teufel, was müssen
da die Leute glauben! Das sieht ja schier
so aus, als hätte Klee niemals seine Zu-
stimmung gegeben, an der Sturmschule zu
unterrichten. Freilich hat das da nicht Klee
geschrieben, sondern Campendonk. Und
der steckt nicht in Klees Haut. Zeigt ihm
dieser seine Briefe nicht, woher soll er sie
kennen? Woher soll er wissen, dass Klee
sich am 5. August 1916 zum Kompositions-
unterricht in der Sturmschule bereit erklärt
hat? Woher soll er gar wissen, in welcher
Form dieser Unterricht Paul Klee vorge-
schlagen war? Woher soll Campendonk
das alles wissen? Vielleicht war es ein
bischen vorschnell gehandelt, auch die
Nennung von Klees Namen zu den-zu
rechnen. Aber wir sind doch Alle Menschen.
Und dem Künstlerunmut darf man alles zu
Gute halten. Nehmt doch dem harmlosen
Künstlervölkchen nicht das Bisschen Ver-
dächtigungen und die paar schweren Be-
leidigungen. Dann ist es nur noch eine
Bagatelle, dass Campendonk seine eigene
Zustimmung zum Unterricht in der Sturm-
schule vergessen hat. Man sollte darüber
hinwegsehen. In vier Jahren kann man so
etwas wahrhaftig vergessen haben. Der
Sturm hätte ihn anständigerweise von Zeit
zu Zeit daran erinnern sollen. Der Sturm
hätte zum Beispiel freundschaftliche Be-
ziehungen zu Herrn Professor 0 .... unter-
halten können. Der war im Jahr 1917
für die Reklamation der Kunstmaler zu-
ständig. Man hätte da Campendonk als
Lehrer der Sturmschule reklamieren können.
Es war freilich eine heikle Sache, da

Campendonk noch keine Stunde im Sturm
unterrichtet hatte. Aber man hätte es doch
tun können, umsomehr, da Campendonk
selbst darum gebeten hatte.

„ ... . Möglich, dass ich dann als Lehrer
des Sturm reklamiert werden könnte, ohne
ständig in Berlin sein zu müssen.“
Man hätte-haben Sie jetzt genug, Herr
Westheim? Ist Ihnen wirblig im Schädel?
Glauben Sie noch immer, an öffentlichen
Verleumdungen unbeteiligt zu sein, weil
Sie ein unanständiges grobes Wort unter-
drückt haben, oder begreifen Sie, dass Sie
eine beabsichtigte üble Nachrede Campen-
donks abgedruckt haben? Drücken Sie sich
gegenseitig die Hände und bedanken Sie
sich für die üblen Dienste, die einer dem
andern geleistet hat. Sie bei Campendonk,
dass er Sie mit solchen Unwahrheiten
regaliert hat, und er bei Ihnen, dass Sie
seine ausschweifenden Phantasien auch noch
verbreitet haben. Und da Sie es vielleicht
noch garnicht bemerkt haben, dass Ihnen
Campendonk gleich zwei Bären auf einmal
aufgebunden hat, so will ich Sie zum Schluss
noch mit der Nase darauf stossen: Wenn
an der ganzen Behauptung von der uner-
laubten Namensführung kein wahres Wort
ist, dann war Campendonk auch nicht aus
diesem Grund dem Sturm „entlaufen“.
Oder mit anderen Worten: Campendonk
hat Ihnen vorgegeben, dass er aus
diesem Grund dem Sturm entlaufen sei.
' Rudolf Blümner

Der expressionistische
Knigge
Das Betragen in der Kunstausstellung
1. Frage nie, was das Bild bedeutet. Das
haben vor Dir schon hunderttausend Leute
gefragt.
2. Sage nie, dass Du Dir ein expressionis-
tisches Bild sehr gut als Tapete oder als
Glasfenster vorstellen kannst. Diesen Witz
haben Dir die Kunstkritiker schon vor zehn
Jahren weggenommen.

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