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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Viertes Heft
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Blümner, Rudolf: Die Sache mit Fritz Stahl
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Blümner, Rudolf: Briefe gegen Paul Westheim, [7]: Zur Geschichte des Sturms und des deutschen Journalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0096

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er wissen, wie man heute rechts und links
und sogar in der Mitte von ihm denkt und
über ihn spricht, gleichgültig ob Maler,
Schriftsteller, Kritiker oder Reporter, oder
sogar nur schlichter liberaler Leser des
Berliner Tageblatts. Die Inseratenagenten
lachen über seine Sache mit Ingres. Schon
längst ist das Berliner Tageblatt mit seinem
Fritz Stahl eine Schädigung des deutschen
Ansehens, der deutschen Kultur und der
deutschen Kunst. Ein Bravo der Leitung
des Berliner Tageblatts, dass sie diesen
standhaften und überzeugungstreuen Mann
sich blamieren lässt, wie er es verlangt.
Aber wenn einmal seine Witze mit Ingres
und sein ewiges Geleier mit Picasso keinem
liberalen Schädel in ganz Deutschland
mehr ein Lächeln abnötigen können, wenn
sich selbst die Dümmsten in Deutschland
lieber auf ihre eigenen Augen verlassen als
auf den Mumpitz mit Picasso und Ingres,
dann wird sich auch das Haus Mosse ent-
schliessen, Herrn Fritz Stahl mit einer
Pension zur Ruhe zu setzen, die ihm er-
laubt, solange über Picasso und Ingres
nachzudenken, bis er wirklich so uralt
geworden ist, wie viele Leute schon heute
glauben.
Rudolf Blümner


Briefe gegen Paul Westheim
Zur Geschichte des Sturm und des
deutschen Journalismus
Siebenter Brief
Sie werden sich erinnern, dass ich in
meinem letzten Brief das kleine Komplott
aufgedeckt habe, zu dem Sie sich mit
Campendonk verbunden hatten. Das Ziel
Ihrer Anstrengungen war, dass Campendonk
Ihnen Material gegen den Sturm liefern
sollte. Sie hatten es erhalten, und ich
habe bewiesen, dass Campendonk wusste,
welchen Gebrauch Sie davon machen
werden. Er war im Unrecht, als er Ihnen
eine unerlaubte Veröffentlichung vorwarf.
Darum beeilte er sich, den Vorwurf zurück-
zunehmen, nachdem Sie ihn an Ihre Ver-
ständigung erinnert hatten. So blieb mir
in dem Hin und Her Ihrer widersprechen-
den Schreibereien nichts übrig, als Ihnen
selbst zu überlassen, wer der Gerichtete

sein wollte. Aber nur heute, so schloss
ich damals, nur heute noch steht es um
Sie beide so günstig. In meinem nächsten
Brief werden Sie alle beide fallen. Und
jetzt sind wir so weit. Denn jetzt, Herr
Westheim, wollen wir prüfen, was das
Material taugte, das Ihnen Campendonk
ganz spontan geliefert hat. Ich denke,
Sie dürfen sich, wie immer, auf Ent-
täuschungen und auf ein weiteres Nach-
lassen Ihres Ansehens gefasst machen.
Campendonks Brief beginnt in Ihrer Wieder-
gabe so: „Die Abrechnungen (des Sturm)
stimmten immer“. Diese Mitteilung muss
für Sie eine Enttäuschung gewesen sein.
Sie hatten zum Mindesten damit gerechnet,
dass Campendonk Einiges über geschäft-
liche Niederträchtigkeiten des Sturm an-
deuten werde. Denn es ist Unsinn, einen
Satz wie den von der Abrechnung nieder-
zuschreiben, wenn nicht irgendwo in der
vorangehenden Korrespondenz, wenigstens
andeutungsweise von Abrechnungen oder
geschäftlichen Dingen die Rede war. Einen
solchen abrupten, ich möchte sagen spon-
tanen Stil schreibt Niemand. Stilistische
Gründe setzen eine Erwähnung von Ab-
rechnungen oder geschäftlichen Dingen
voraus. Das ist der formelle Beweis. Der
sachliche ist noch gründlicher. „Die Ab-
rechnungen stimmten immer“ — das heisst:
Eine Vermutung des Herrn Westheim, die
Abrechnungen hätten vielleicht nicht ge-
stimmt, wäre ein Irrtum. Eine Vermutung
des Herrn Westheim? Wie kommt Cam-
pendonk dazu, bei Ihnen eine solche Ver-
mutung vorauszusetzen? Nun, vielleicht
dachte er: „Dass die Abrechnungen des
Sturm nicht stimmen, ist das Gewöhn-
liche, das, was auch Herrn Westheim be-
kannt sein muss. Da aber in meinem Fall
die Abrechnungen stimmten, so habe ich
fürs Erste Herrn Westheim aufzuklären,
dass hier einmal das Gewöhnliche nicht
vermutet werden durfte: „Die Abrechnun-
gen stimmten immer.“ Sie, Herr West-
heim, der Sie jedesmal, wenn Sie einen
Ihrer „Fälle“ authentisch interpretieren, dem
Sturm geschäftliche Unsauberkeiten vor-
werfen, Sie werden vielleicht sagen, Cam-
pendonk habe so denken können. Ich aber
werde Ihnen beweisen, dass er so nicht
gedacht hat. Und wissen Sie auch, wo-
durch ich es Ihnen beweisen werde? Eben
 
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