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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Fünftes Heft
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Blümner, Rudolf: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0128

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dieser Campendonk brachte es sogar fertig,
an Wauer zu allem Unglück auch noch
diesen Satz zu schreiben:
„Diese Propaganda war es, welche mich
erboste und ich bedaure heute ausser-
ordentlich, Herrn Walden dies nicht schön
bei meiner Austrittserklärung eingestanden
zu haben.“
Der arme Kerl hätte den ganzen Brief be-
dauern müssen, den er damals an Walden
geschrieben hat, wenn er Ihnen und Wauer
heute weismachen will, er sei aus künst-
lerischen Gründen ausgeschieden. Denn
dieser Brief beweist, dass er nicht aus
künstlerischen Gründen ausgeschieden ist.
Dieser Brief beweist, dass er durch keinen
Vertrag an den Sturm gebunden war, dass
er es leicht genug hatte, dem Sturm zu
entlaufen, sobald ihm Jemand ein gutes
Anerbieten machte. Der Brief beweist aber
auch, dass er dem Sturm überhaupt nicht
entlaufen ist. Der Brief beweist, dass
Campendonk beim Sturm bleiben wollte, —
wenn es nämlich Walden angenehm wäre.
Campendonk freut sich, in Zukunft wieder
engere Beziehungen zum Sturme aufnehmen
zu können. Er wird mehr Bilder senden
können als bisher. Er kündigt schon neue
Holzschnitte an.
Ja, Herr Westheim, mit Ihrem Fall Campen-
donk haben Sie einen guten Griff getan.
Nun wissen Sie, wie Campendonk dem
Sturm entlaufen ist. Oder wenn Sie es
jetzt weniger wissen sollten als vorher,
weil Sie in dem Wirrwar von Briefen,
Widerrufen und zurückgenommenen Wider-
rufen den wahren Grund vergessen haben,
dann will ich Sie auch heute wieder mit
der Nase darauf stossen. Doch sehen Sie
sich vor. Es ist da schmutzig und stinkig.
Campendonk war dem Sturm entlaufen,
weil er ihm entlaufen sein musste. Weil

Campendonk Ihnen, seinem grossen Freunde
Westheim, den Dienst nicht versagen wollte,
dass er dem Sturm entlaufen sei, um
jeden Preis entlaufen sei. Und weil
er lieber so viele Unwahrheiten sagen
wollte, dass ich sie nicht mehr zählen kann,
als dass er es mit Ihnen verdorben hätte.
Niemand wird Sie um den Triumph be-
neiden, einen ausgezeichneten Künstler so
tief hinuntergeschleudert zu haben. In
diesem Land gibt es also Künstler, die
Unwahrheiten auf Unwahrheiten häufen, um
von einem Westheim nicht vergessen zu
werden. Dieses Land und diese Künstler
verdienen ihren Westheim. Sie haben ihm
längst verziehen, was er einst über sie ge-
schrieben hatte. Sie stellen ihre künstler-
ische und menschliche Würde tiefer als die
Erwähnung in einem Blatt, dass nicht ein-
mal den Wert eines Kurszettels hat. Denn
was sollte selbst Campendonk sonst an
Ihnen schätzen? Er muss heulen und Sie
verwünschen, dass Sie dieses aus ihm ge-
macht haben. Und wenn er Ihnen dreimal
die Erlaubnis gab, seine unflätigen Be-
schimpfungen und seine Unwahrheiten ab-
zudrucken, so bleiben Sie doch sein Ver-
führer. Denn das sehen jetzt auch Sie ein,
dass der arme Teufel solche Gemeinheiten
spontan nicht geschrieben hätte, wenn er
es auch tausendmal vergessen hat, dass er
seinen künstlerischen Namen Walden und
dem Sturm zu verdanken hat. Walden
brauchte es nicht zu verlernen, Dank von
Künstlern zu erhalten, für die er sich Jahre
lang von Ihnen, Herr Westheim, aufs mass-
loseste hat- beschimpfen lassen. Campen-
donk vergilt es ihm auf seine Weise. Nun
aber soll er seine Ruhe haben. Wenn der
Kopf fällt, ist die ganze Henkerei nicht
mehr der Rede wert
Rudolf Blümner

Inhalt
Herwarth Walden: Unter den Sinnen
Kurt Liebmann: Gedichte
Rudolf Blümner: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus / Briefe gegen
Paul Westheim / Achter Brief
Marc Chagall: Zeichnung
Rudolf Bauer: Zwei Zeichnungen
Robert Delaunay: Saint Severin / Gemälde / Tondruck

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