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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Elftes Heft
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Schreyer, Lothar: Handwerk und Geistwerk
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Behrens, Franz Richard: B = C: Der Roman der Lyrik
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0234

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Wer das Gesetz erkennt, das in ihm lebt,
muss das Gesetz leben.
Wer das Gesetz nicht lebt, das in ihm lebt,
der kann das Gesetz nicht erkennen.
Der Geist befreit das Werk, die Hand be-
zwingt es.
In der Wahl des Gesetzes sind wir frei, in
der Wahl der Form sind wir gebunden.
Jedes Gesetz hat seine Form.
Alle sind zum Geist berufen, doch nur die
vom Geist Erwählten kennen das Gesetz.
Nicht wir verwandeln uns in Geist, son-
dern der Geist wandelt uns.
Nicht wir Körper vergeistigen uns, sondern
der Geist verkörpert sich in uns.
Hingabe an den Geist macht uns berufen
zu seiner Gabe.
Hingebung ist das Zeichen der Erwählten.
Hingebung ist der Sinn, der in den Erweck-
ten erwacht.
Hingebung ist der Sinn, der in Menschen er-
wacht, wenn der Mensch aus der Sinnlich-
keit erweckt wird.
Der Mensch der Sinnlichkeit schläft. Seine
Geistsinne schlafen tief. Sein Körper träum
ist die Phantasie.
Phantasie täuscht uns Eingebung vor.
Der Berauschte erkennt nicht.
Nur aus der Ruhe wird die Bewegung er-
kannt.
Die Ruhe ist der Angelpunkt, der das All
bewegt.
Wer in Gnade ruht, begnadet alles.
Eingebung führt die Hand ohne Irren.
Keine Hand kann das Menschenwerk führen.
Wer sich auf die Eingebung verlässt, ist
nicht verlassen.
Aber die Eingebung verlässt den, der sich
auf sich verlässt
Uns verzeiht der Geist und gibt uns alles
ein, wenn wir uns aufgeben und auf alles
verzichten. Verzicht ist lernbar
Eingebung ist nicht lehrbar.
Sich bereit machen für die Eingebung
ist der Ruf nach Berufung.
Alle sind berufen. Nur die sich bereitet
haben, bereiten das Werk.
Sich bereiten ist Geistwerk. Werkbereiten
ist Handwerk.
Werkbereiten ist Wirkung des Sichbereitens.
Werkbereiten ist Tat-Sache. Sichbereiten
ist Ur-Sache.
Es gibt nur eine Ur-Sache, aber zahllose
Tat-Sachen.

Weil die Menschen die Tatsachen wahr-
nehmen, halten sie die Tatsachen für Ur-
sachen. Aber die Wahrnehmung ist nur das
Fürwahrgenommene und nicht die Wahr-
heit.
Wer die Tatsache des Kunstwerkes wahr-
nimmt, hat es in Wahrheit nicht erkannt.
Die Wahrheit über die Kunst darf nicht
gesagt werden, weil sie nicht gesagt wer-
den kann.
Die Wahrheit muss getan werden.
Der Geist erkennt die Wahrheit, die Hand
tut sie.
Eins sind Handwerk und Geistwerk im
Kunstwerk.
Eine Halbheit ist keine Einheit.
Es gibt keine Halbheit. Die Halbheit ist
Irren.
Es gibt zwei Hälften. Zwei Hälften aber
sind gegeneinander gesetzt. Der Gegen-
satz ist niemals Eins.
Eins ist das Leben.


B = C
Der Roman der Lyrik.
Franz Richard Behrens:
Für Rudolf Blümner und Fernand Leger
Cable Transfers
350.50
Blinder Bettler Homer hungert über die
Dörfer
Baltimore and Ohio
47.87
Hesiod ermordet und ins Meer geschmissen
Canada Pacific
127.87
Archilochos erdolcht
Chic Rock Island
38.00
Der Bruder erschiesst Anacharsis
Denver and Rio
2.25
auf der Hochzeit steklettiert Stesichoros
Erie Common
19.12
Sklave Aesop vom Felsen geschmettert
Great North.
78.75
Weiber zerschneiden Euripides Leib
Illinois Central
94.50

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