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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Erstes Heft
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Blümner, Rudolf: Briefe an Paul Westheim, [4]: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus
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Walden, Herwarth: Grosses Theater: In vielen Kritikern
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0025

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rechtigen könnten, Ihnen eine Beteiligung am
Schieben zu unterstellen. Diese Erklärung
haben Sie erhalten. Aber wie, zum Teufel,
kamen Sie auf den Einfall, Walden habe Ihnen
Beteiligung an Schiebungen mit Bildern im
Sinne unsauberer Handelsgeschäfte vorwerfen
wollen? Was soll das Getue, Herr Westheim?
Ganz ausgezeichnet haben Sie verstanden, was
Walden mit dem „Schieben“ gemeint hat: dass
Sie Ihren schriftstellerischen und kritischen
Standpunkt nach der Mode eingenommen
haben. Aber das war wieder eines Ihrer
Kunststücke: so zu tun, als könne man Ihnen
in kunstkritischer Hinsicht nichts, gar nichts
vorwerfen. Wahrhaftig, Walden hatte alle
Ursache, zu versichern, dass er Ihnen keine
Beteiligung am Bilderschieben vorwerfe. Er
hätte es noch schneller tun können, als es
tatsächlich geschah. Denn nächstens glauben
Sie wohl gar selbst, dass Sie in der Beur-
teilung von Kunstwerken ein Muster von
Erkenntnis und jahrelanger Festigkeit des
Urteils seien.
Und das wird sogar Herrn Kiepenheuer, Herrn
Leopold Survage und der ganzen Section d’or
einen unbändigen Spass bereiten.
Rudolf Blümner
Grosses Theater
In vielen Kritikern
Mit verlebendigten Bildern
Herwarth 'Walden
Die Kunstfremdheit der Dresdener Kritik ist
kaum von der Berliner Presse zu überbieten.
Wenn auch dort Herr Hasenclever durch
seine literarische Tätigkeit einer Vermischung
von Schiller und August Stramm die ge-
heiligten Traditionen von Elbflorenz fort-
setzt und insbesondere Herwarth Walden
als banal und altmodisch ablehnt, hat man
in Dresden keine neue Kunst, keine Kunst,
höchstens eine neue Mode. Hieraus ergibt
sich, dass die Dresdener Kunstkritik eifrig
nach neuen Trieben sucht, mit dem Trieb
aber nichts anzufangen weiss. Nicht ein-
mal mit meiner Komitragödie „Trieb.“
Da gibt es zunächst einen Doktor Hoffmann,
der mich mit seiner Brüderschaft beehrt.
Ich kenne diesen Bruder nicht. Jedenfalls
ist er der vorgeschrittene Theaterkritiker
der „unabhängigen Tageszeitung mit Han-
del- und Industriezeitung Dresdener Neu-
este Nachrichten“. Das Alberttheater zu

Dresden unter der Leitung von Karl Vogt
hat das historische Verdienst, William
Wauer Gelegenheit zur Sichtbarmachung
seiner künstlerischen Spielabsichten gegeben
zu haben. Wauer wählte zu diesem Zweck
meine Dichtung „Trieb“ und unsere ge-
meinsame Arbeit die Pantomime „Die vier
Toten der Fiametta“. Der Bruder Hoffmann
ist selbstverständlich ohne jede tatsäch-
lichen Kenntnisse, wie es nun Journa-
listen einmal sind. Er hält die Urheber
für Nachahmer und die Nachahmer für
Urheber. Ausserdem ist er geistig. Nämlich
so: „Herwarth Walden nennt seinen „Trieb“
eine bürgerliche Komitragödie. Er hat recht:
Es ist wirklich besser, ihn komisch zu
nehmen. Um Himmels Willen nicht ernst!“
Wenn dieser Bruder Hoffmann sich schon
auf einen Titel festlegen will, äusser seinem
Doktortitel, so hätte ihm das Wort Komi-
tragödie sagen müssen, dass ich nicht ein-
mal von ihm komisch oder ernst genommen
werden wollte. Zu seiner Entschuldigung
könnte höchstens festgestellt werden, dass
das Wort Komitragödie in dem Konver-
sationslexikon der allgemeinen Journalisten-
bildung nicht zu finden ist. Ich habe mir
nämlich gestattet, dieses Wort zu bilden,
damit der Bruder Hoffmann das Leben
leichter haben sollte. Aber es ist wirklich
besser, ich nehme den Bruder Hoffmann
komisch, weil sein Ernst nicht einmal
lustig ist: „Und bürgerlich —? Herwarth
Walden, wie Du in Deinem Stück so sinnig
sagst: Quatsch keine Opern.“ Nun habe
ich zwar in meinem „Stück“ nichts gesagt,
nicht einmal dieses Zitat für zukünftige
Beziehungen zum Bruder Hoffmann an-
gewandt. Ich könnte aber bei dieser Ge-
legenheit den Dichter Schiller zitieren, der
in seinem bürgerlichen Trauerspiel „Kabale
und Liebe" so sinnig sagt: „Da liegt der
Hase im Pfeffer.“ Weshalb der Bruder
Hoffmann weiter schreibt und zwar väter-
lich: „Triebe, liebe Kinder, ist Sturm (Ber-
liner Ausstellung) und Drang. Drang, euer
eigener sehr menschlicher. Macht blos nichts
Geistiges daraus! Quatscht keine Opern!“
Hier hat der Bruder Hoffmann beinahe
etwas gemerkt, er ist aber an dem Mensch-
lichen vorbeigegangen, weil er euren Drang
besser komisch oder ernst nimmt, liebe
Kinder, und weil er aus dem Trieb etwas
Geistiges machen will. „Warum soll nicht

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