Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

DOI Heft:
Fünftes Heft
DOI Artikel:
Walden, Herwarth: Unter den Sinnen: Dichtung zwischen Menschen
DOI Artikel:
Liebmann, Kurt: Gedichte
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0121

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Ich brauche keine Hilfe. Ich gehe zum
Ballet. Du sollst mir nur den Weg sagen
Du darfst nicht zum Ballet gehen. Das ist
schrecklich. Man wird gemein.
Das sind Kindereien
Du willst mir in meinen Lebenserfahrungen
nicht glauben. Aber ich weiss ganz genau
Bescheid. Erst gestern war ich wieder mit
einigen Tänzerinnen zusammen
Wie einfach es für Dich ist, mir zu helfen.
Du machst mich mit einer dieser Damen
bekannt und sie wird mir schon das weitere
sagen.
Abends sitzen sie in den Lokalen und trin-
ken Sekt
Nun
Und was sonst noch alles geschieht
Nun
Sie lassen sich anfassen
Du bist ein kleiner Junge. Muss man lassen
Du hast keine Lebenserfahrung, Die Leute
sind roh und stark. Da kannst Du Dich nicht
wehren.
Niemandem geschieht, was er nicht gesche-
hen haben will.
Wenn Du nur einmal erlebt hättest, was
ich fast jeden Abend erlebe.
Gestern zum Beispiel. Da kenne ich unter
anderen eine junge Dame, die Deinen Na-
men trägt. Ein alter Kerl beleidigt sie.
Ich springe auf um ihr beizustehen, werde
von zehn Männern überwältigt. Sie weiss
sich nicht mehr zu helfen, in ihrer Ver-
zweiflung nimmt sie eine Schere vom Tisch
und schneidet dem Kerl den halben Voll-
bart ab.
Das ist gelogen
Immer denkst Du, dass ich aufschneide.
Aber diesmal werde ich es Dir beweisen.
Bitte
Was ist das
Der Beweis
Pfui Teufel!
Dabei sah der Mann sehr vornehm aus
Jetzt bin ich frei!
Was ist Dir. Deine Stimme klingt, dass
mein Blut verdorrt
Jetzt bin ich frei. Gib mir das Haar
Was willst Du damit
Meine Freiheit bezahlen
Fortsetzung folgt.

Gedichte
Kurt Liebmann
Sinkt um
Ahnfrösteln bettet Kopf in knoche Schultern
vogelkahl
und
tastet Licht der kargen Scham
in
leere Nacht.
Ersticktes Rufen
schliesst
die zittre Blüte
kauert schlaf
und
wurzelschlüpf
liedlind gewiegt
und
Oeden rinnen
nie
und
nie
ferneise Hand weint Winken
nie
und
Knieen schlägt die Hände vor das Schluchzen
sinken
fernen
fernsten
stummen
stumm
Ich liege an den Ufern ruferlösten Raums
Kaum öffnet Auge
küsst
und
blüht
totlieben Hauch
in das Gefieder meiner Brust
Blutstern springt weh
und knickt
sinkt um
und
um
hauch
um.
Schlucht
Hohnzackt
und
zerrt das Bäumen
trommeltoll
zu stöhnem Tanz auf scherber Qual
zerfetzen

97
 
Annotationen