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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Drittes Heft
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Blümner, Rudolf: Briefe gegen Paul Westheim, [6]: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus
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Walden, Herwarth: Nachworte
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Inhalt
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0080

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Andere zu glauben. Im einenFall istCampen-
donk der Gerichtete, im anderen Sie. Aber
wie ich sagte, nur heute noch steht es um
Sie beide so günstig. In meinem nächsten
Brief werden Sie alle beide fallen. Campen-
donk mag sich trösten, wenn er erkennen
wird, welchen schlechten Dienst Sie ihm
mit ihrer Veröffentlichung geleistet haben.
Warum hat er einem Manne Geheimnisse
an vertraut, der als Autor der „Leichen-
fledderei“ sich einen Namen gemacht hat.
Sie aber, Herr Westheim, werden mit Er-
bleichen sehen, was ich den spontanen
Beleidigungen und unwahren Behauptungen
Campendonks entgegenhalten werde. Und
dann werden Sie erkennen, dass Ihnen
Campendonk sein Opfer vergeblich gebracht
hat. Aber das hat er mit Ihnen abzu-
machen und Sie mit Ihrem Gewissen.
Rudolf Blümner

Nachworte
„Das Wesentliche an den neuen Bildern scheint
mir zu sein, dass sie helfen, der Tendenz zur
Isolierung, die generationenlang die Kunst be-
herrschte, die Tendenz zur Einbettung ent-
gegen zu«tellen. Eine solche Einbettung wird
erst dann möglich, wenn das Bild nicht mehr
einseitig auf den Erdrinden Floh-Mensch be-
zogen wird, sondern sich auf den Zusammen-
halt aller Dinge in der Welt einstellt.“ Es
ist ein bestechender Gedanke, dass gerade
Flöhe sich bei der Einbettung von Tendenzen
einstellen. Durch diese neue Tendenz der
Einbettung sollen aber gerade die Flöhe ent-
fernt werden. Das Bild soll sich nunmehr
auf den Zusammenhalt aller Dinge in der
Welt mit einziger Ausnahme der Flöhe ein-
stellen. Kein geringerer als unser Adolf Behne
hat diese neue Aufgabe der Kunst bestimmt

und ein Maler Segal arbeitet bereits nach
dieser Vorschrift. Infolgedessen hat Herr Adolf
Behne ihm ein künstlerisches Vorwort zu dem
Katalog geschrieben, in dem er ausdrücklich
feststellt, dass dieser Segal „kein Wissender,
kein Beherrschender, kein Künstler, sondern
ein Glaubender und ein Liebender ist.“ Herr
Behne stellt auch noch einen weiteren Beweis
für die Einbettung fest: „Die neue Funktion
des Bildes drückt sich auch in der Behandlung
des Rahmens aus. Da er nicht mehr isolieren
soll, da vielmehr Hinüberleiten in die grosse
alles umfassende Einheit seine Aufgabe ist,
wird er in die malerische Arbeit einbezogen.“
Der arme Herr Behne hingegen wird auf die
Erdrinde ausgebettet und stört den Zusammen-
halt aller Dinge. Über die Ausstellung dieser
Bilder schreibt der bekannte Kunstkritiker
Behne in der Freiheit: „Es ist in den Bildern
Segals eine reine Schlichtheit, um deretwillen
schon man sie lieben muss.“ Unmittelbar
darauf bemerkt er über die Ausstellung Iwan
Punis im Sturm: „Die Ausstellungsräume ein-
mal lustig zu verwandeln, ist ja sehr nett ge-
dacht, wirkt aber in dieser Art dilettantenhaft.“
Schon muss man diese Schlichtheit des Urteils
lieben, wenn es auch recht dilettantenhaft
wirkt. Hingegen ist die Tendenz der Ein-
bettung zweifellos sehr nett gedacht. Noch
netter ist die feuilletonistische Forderung des
Herrn Behne auf Grund seiner gütigen Aner-
kennung der Bilder vonGleizes: „Wir müssen
aber verlangen, dass er die während des
Krieges bei ihm eingerissene Kritiklosigkeit
zu Ende sein lasse.“ Er, Der Sturm nämlich,
braucht sich nur von Herrn Behne einbetten
zu lassen und es wird ihm in der Freiheit

warm und wohl ergehen. Ich möchte Herrn
Behne lieber raten, seine Kritik nach dem
Sturm einzurichten, damit in seine Kritik-
losigkeit wieder ein Zusammenhalt kommt.
Tendenzen sind ja recht nett, aber die Kunst
ist noch einfacher. Herwarth Walden


Inhalt
Herwarth Walden: Kritik der vorexpressionistischen Dichtung
Kurt Liebmann: Gedichte
Rudolf Blümner: Briefe gegen Paul Westheim / Zur Geschichte des Sturm und des deutschen
Journalismus / Sechster Brief
Herwarth Walden: Nachworte
Alexander Archipenko: Sitzende Frau / Zeichnung
Alexander Archipenko: Zwei Frauen / Zeichnung
Alexander Archipenko: Stilleben / Zeichnung
Louis Marcoussis: Stilleben / Dreifarbendruck / Studie zu einem Glasbild
März 1921

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