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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Viertes Heft
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Bühnenwerk: Spielgang und Spiel
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Walden, Herwarth: Technik und Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0088

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k indet, dass das Viele der gegensätzlichen
Kunstmittel eine Einheit finden kann, dass
alle Gegensätzlichkeit zu lösen ist. Die
Einheit der Kunstmittel Ton, Bewegung,
Form, Farbe ist das Bühnenwerk. Die
Einheit der Menschen in ihrer Verschieden-
heit, trotz ihrer Verschiedenheit ist die
Gemeinschaft.
Die Kampf bühne
Die Sturmbühne

Technik und Kunst
Ursprünglich ist jede menschliche Handlung
schöpferisch. Die Sichtbarkeit einer mensch-
lischen Handlung ist die Gestaltung aus
einem Trieb des Unbewussten. Die Ge-
staltung des Schöpferischen ist die Kunst.
Man hat sich gewöhnt, die zwecklose
schöpferische Gestaltung Kunst, die zweck-
mässige Verwertung der Gestaltung Technik
zu nennen. Diese Unterscheidung bezieht
sich auf die Wirkung, aber nicht auf die
Ursache. Die Verwertung der Kunst im
engeren Sinne ist zwecklos, weil das Kunst-
werk seinen Wert in der geschlossenen Ge-
staltung eines Triebes des Unbewussten hat.
Seine Wiederholung ist zwar technisch
möglich, aber wertlos, weil seine Wieder-
holung keinem praktischem Zweck dient.
Die Wiederholung ist künstlerisch
unmöglich, weil der Zweck eines Kunst-
werks in der endgültigen geschlossenen
nicht wiederholbaren Gestaltung des sinnlich
nicht Wahrnehmbaren besteht. Die Kunst
gestaltet also die Ursache einer Wirkung,
etwa Kratt und Bewegung, die Technik ge-
staltet die Wirkung der Ursache. So sind
Maschinen gestaltete Wirkung der Kraft und
der Bewegung. Diese Fähigkeit zur Ge-
staltung ist eine schöpferische, also eine
künstlerische. Ihre Wiederholung ist die
zweckmässige Verwertung dieser schöpfer-
ischen Gestaltung. In der Technik hat die
Nachahmung eine praktische Bedeutung,
.weil die Wiederholung der Wirkung einer
Ursache praktisch vielfach verwertet werden
kann. In der Technik sind wie in der
Kunst nur die Mittel erlernbar. Auch hier
ist die Verwendung der Mittel von der
schöpferischen Gestaltung abhängig. Da
aber jede Ursache viele Wirkungen, jede
Wirkung aber nur eine Ursache hat, sind

Mittel der Kunst vielfach, die Mittel der
Technik einfach. Jedes künstlerische Werk
hat viele und vieldeutige Wirkungen. Jedes
technische Werk hat eine und zwar eine
eindeutige Wirkung. Kunst und Technik
setzen die sinngemässe Verwendung der
Mittel voraus. Denn nur dadurch entsteht
ein Organismus. Man nennt das sinnge-
mässe Ineinandergreifen der einzelnen Teile
eines Organismus Logik. Logik ist also
die Feststellung von Wirkungen. Die
schöpferische Gestaltung selbst kann daher
nicht logisch sein, es kann nur ihre logische
Wirkung festgestellt werden, wenn sie eben
eine schöpferische Gestaltung ist. Daher
hat jede schöpferische Gestaltung eine eigne
Form. Diese eigne Form ist eben der sicht-
bare Beweis einer schöpferischen Gestaltung.
Das Automobil hat nicht die Form eines
Wagens mit einem Pferd davor. Das Luft-
schiff nicht die Form eines Schiffes. Das
Telefon nicht die Form eines Ohres. Die
Wiederholung von Formen sind also keine
schöpferischen Leistungen, wohl aber wären
neue Formen technischer Leistungen schöp-
ferische Handlungen. Hier liegt die Möglich-
keit der Kunst für die Technik. Die Formen
der technischen Werke werden aber nicht
dadurch künstlerisch, dass ein sogenannter
Künstler mit den Mitteln und durch die
Nachahmung vorhandener Kunstwerke an
den technischen Werken arbeitet, sie also
verschönt, wie es genannt wird. Nur der
Techniker selbst kann Künstler sein. Denn
das Künstlerische eines Werkes besteht nur
und ausschliesslich in den sinnfälligen Be-
ziehungen einzelner Teile zu einander. Das
Uhrwerk als solches ist eine künstlerische
Form, weil alle seine Teile in einem sinn-
gemässen Verhältnis zu einander stehen.
Das Uhrwerk wird aber nicht dadurch
künstlerischer, dass man es in die Bronze-
nachahmung eines menschlichen Körpers
steckt. Der menschliche Körper zwar ist
eine künstlerische Form, nicht aber seine
Nachahmung in Bronze. Jede Maschine
selbst ist also ein Kunstwerk, nicht aber
die schamhafte Verhüllung. Das vollendete
technische Werk trägt daher seine künst-
lerische Gestaltung in sich. ’Der sogenannte
Künstler könnte nur hinzugezogen werden,
wenn er selbst Techniker ist, also nicht
mehr Künstler im hergebrachten Sinn des
Wortes. Deshalb muss jeder Techniker,

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