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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Viertes Heft
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Blümner, Rudolf: Briefe gegen Paul Westheim, [7]: Zur Geschichte des Sturms und des deutschen Journalismus
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0102

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geschäftliche Wohlergehen Anderer mit
billigem Sarkasmus unverbürgte Mitteil-
ungen macht. Und wirklich konnte Herr
von Sydow nicht leugnen, wie trotz Hinzu-
fügung einiger anerkennender Worte die
unpassende Bemerkung gemeint war. Un-
passend war sie nicht nur in diesem Buch,
sondern auch an dieser Stelle. Da Herr
von Sydow sich einbildete, über expressio-
nistische Kultur zu schreiben, so mochte
er meinetwegen seinen Tadel über die
Gründung der Schule äussern. Da er von
dieser Schule, ihren Einrichtungen und
Tendenzen nichts wusste, so mochte er
meinetwegen auch schreiben, es sei eine
Schule auf ein Erlebnis gegründet worden.
Ich hätte dem mitteilsamen Herrn sogar zu
berichten gestattet, dass diese Schule jahr-
aus, jahrein von Schülern überlaufen sei.
Aber wenn er sich über die Bentabilität
der Schule äussern wollte, so hatte er die
Pflicht, vorher das Konto der Schule zu
studieren. Da hätte er sich nicht nur von
der Unrentabilität der Schule überzeugen
können, sondern auch erfahren, dass die
Schule in vier Jahren von insgesamt etwa
zwölf Schülern besucht war. Er hätte das
in sein Buch aufnehmen können, wenn er
dann noch des Glaubens war, dass es zum
Kapitel der expressionistischen Kultur ge-
höre. Vielleicht hätte er es auch wirklich
getan, damit wenigstens eine Wahrheit
über den Expressionismus in seinem Buch
stehe. Vielleicht aber auch hätte er darauf
verzichtet. Denn diese Herren pflegen sich
nur über die gut rentierenden Unternehm-
ungen zu ärgern, — da ich es nicht anders
nennen kann. Aus ihrem Ärger machen
sie dann ein Kulturproblem.-Haben
Sie auch alles gut verstanden, Herr West-
heim? Erkennen Sie da einige West-
heimsche Züge? Ist es Herrn von Sydow
nicht so ergangen wie Ihnen, wenn Sie
gegen den Sturm Verdächtigungen aus-
sprechen? Er hatte etwas gehört, und
das genügte ihm nicht nur, es zu glauben,
sondern auch es niederzuschreiben. Und
was dem einen seine Eule ist, das ist dem
andern seine Nachtigall. Was Herrn von
Sydow eine gut rentierende Schule ist, das
ist für Herrn Campendonk gar keine Schule.
Dem einen wurde zuviel unterrichtet, dem
andern zu wenig. Er hat nie eine Stunde
dort unterrichtet, er ist auch nie aufgefordert

worden, es zu tun. Und das soll ein Be-
weis dafür sein, dass die Schule vor-
gegeben wurde ? Können nicht vielleicht
Andere in der Sturmschule Malunterricht
erteilt haben ? Zum Beispiel Rudolf Bauer?
Oder Georg Muche? Vielleicht geniessen
aber diese Beiden nicht den Vorzug, von
Herrn Campendonk anerkannt zu sein?
Nun ja, ich gestehe mit einiger Beschämung,
dass Rudolf Bauer dem Sturm noch nicht
entlaufen, will sagen, von Herrn Westheim
noch nicht anerkannt ist. Aber Georg Muche
ist neuerdings Lehrer am Bauhaus in
Weimar geworden, — wenn Herr Campen-
donk auf diesen Befähigungsnachweis Wert
legen sollte. Ob sie nun im Sturm gut
oder schlecht unterrichtet haben, — dass
sie unterrichtet haben, nehme ich auf meinen
Eid. Und damit basta! Es gab eine Schule.
Basta! Sie war nicht vorgetäuscht, sie war
nicht vorgegeben. Sie bestand. Basta. Ob-
gleich der Name Campendonk und Klee in
in den Anzeigen stand. Obgleich Campen-
donk nie eine Stunde dort unterrichtet hat.
Obgleich er nie dazu aufgefordert wurde.
War es unsere Schuld? Sind wir dafür
verantwortlich, dass die Schule nicht ren-
tierte? Kann man uns einen Vorwurf daraus
machen, dass wir fast alle Anmeldungen
zur Schule zurückwiesen? Dass wir die
Züchtigung von Epigonen vermeiden wollten?
Dass wir nur solche Schüler unterrichten
wollten, die für die Bestrebungen des Sturm
von Bedeutung werden konnten? Dass wir
jede positive Beeinflussung durch Lehrer
vermeiden wollten? Dass wir die Lust
verloren, selbst begabten Menschen die
Mittel zu zeigen, die sie später einmal miss-
brauchen könnten? Ist es uns zu verargen,
dass wir aus allen diesen Gründen die
Schule aufgaben? Ist es unsere Schuld,
dass Campendonk nicht aufgefordert werden
konnte, zu unterrichten? Und ist das ein
Grund, den Sturm mit so klotzigen Aus-
drücken zu traktieren? Ist es ein Grund,
an Sie, an Herrn Westheim, der es bekannt-
lich spornstreichs abdruckt, zu schreiben:
„Das alles sind-“. Etwas so Beleidigendes,
etwas so Ordinäres, dass ein Westheim es
nicht abdrucken will? Ist denn der Teufel
in diesen Campendonk gefahren? Drei
Jahre hatte er Zeit, gegen die Nennung
seines Namens zu protestieren. War er zu
träge dazu ? Warum wollte er nicht

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