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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 12.1921

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Zehntes Heft
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Blümner, Rudolf: Zur Geschichte des Sturm und des deutschen Journalismus, [13]: Briefe gegen Paul Westheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.47209#0224

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Feininger“ gab, so gibt es doch einen „Fall
Feininger“, über den Sie im Oktober
1920 das Folgende schrieben:
„Und Feininger? Er schreibt mir am 23.
6. 20. unaufgefordert— ich habe nicht die
Gepflogenheit und habe es auch nicht nö-
tig, mir Atteste von Künstlern ausschreiben
zu lassen —: „Meine Differenzen mit Walden
waren rein künstlerischer Natur und wenn
ich mich in heftiger Weise vom „Sturm“
lossagte, so war es doch ein Bekenntnis
künstlerischer Art... “ Also in heftiger Weise
losgesagt, also dieses Lossagen ein Be-
kenntnis künstlerischer Art! Tut mir leid,
ich weiss wirklich nicht, was es hier zu be-
richtigen gäbe.“
Wir wollen es die Mitwelt und die Nach-
welt nicht vergessen lassen, dass Sie hier
einmal die Wahrheit ausgesprochen haben.
Ja, Herr Westheim, Sie haben es nicht nötig,
sich Atteste von den Künstlern ausschreiben
zu lassen. Ich wünsche, dass Ihnen ein
Westheim erspart bleibe, der Sie der
Leichenfledderei beschuldigt. Sie sind selbst
der glückliche, der andere Leichenfledderer
nennt. Sie sind der Selige, gegen den die
Beschimpften und Verdächtigten sich schüt-
zen müssen. Sie dürfen sich für einen Lieb-
ling des Schicksals halten, da Sie es nicht
nötig haben, sich von Feininger ein Attest
ausschreiben zu lassen. Feininger schreibt
Ihnen unaufgefordert. Und weil er es
unaufgefordert tat und weil er Ihnen gerade
dieses und ausserdem noch etwas andere^
schrieb, lassen Sie mich, ehe wir zum
Rechten sehen, eine Fabel erzählen.
Ein Mann beschuldigte einen anderen, er
habe seinem Freunde die Uhr gestohlen.
Der Freund ging zu dem Beschuldiger und
sprach: „Du irrst Dich, hoher Beschuldiger.
Er hat mir nicht die Uhr gestohlen. Er
hat mir einen Papagei geschenkt.“ Da rief
der Beschuldiger aus: „Also Papagei, also
geschenkt! Tut mir leid, ich weiss wirklich
nicht, was es hier zu berichtigen gäbe.“
Dieses, Herr Westheim, ist Ihr Fall Feininger.
Dass Sie sich noch rühmen, Feininger nicht
aufgefordert zu haben! Ich würde sagen,
das ist eine seltene Ungeschicklichkeit eines
Mannes von schlechtem Gewissen, wenn ich
Sie nicht vollkommen durchschaute. Un-
aufgefordert kam der Freund zu dem Herrn
Beschuldiger und stellte ihm ein brillantes

Attest aus. Haben Sie mich verstanden?
Einer erhält eine Ohrfeige und ruft: „Diese
Anerkennung hat man mir unaufgefordert
zukommen lassen.“ Haben Sie mich jetzt
verstanden? Noch immer nicht? So sehen
Ihre Atteste aus? Eine Ohrfeige nennen Sie
ein Attest? Protest, Herr Westheim, Pro-test,
nicht At-test! Lateinisch, Herr Westheim,
nichts als lateinisch. Wird eine Ohrfeige
eine ehrende Anerkennung, weil der Geohr-
feigte statt der Backe sich die Hände reibt?
Bilden Sie sich im Ernst ein, dass andere
Leute einen Protest Feiningers für ein Attest
halten, weil Sie’s so nennen? Oder haben
Sie den Protest Feiningers, den zehn
Westheims zu keinem Attest machen könnten,
weggelassen und nur abgedruckt, was Ihnen
in den Kram zu passen schien? Glaubten
Sie, es brauche einen Extra-Verstand, zu be-
greifen, dass Feininger Sie belehren wollte,
wo er Sie für unwissend und schlecht un-
terrichtet hielt? Sie, mein Herr Westheim,
hätten Feininger auch dann richtig ver-
standen, wenn er Ihnen nicht noch einiges
geschrieben hätte, das Sie weggelassen
haben. Und es ist weder ein „Sehr ge-
ehrter Herr Westheim“ noch ein „Hoch-
achtungsvoll“, das ich vermisse. Dass Herr
Feininger Sie nicht ehrt und nicht hoch-
achtet, mag immerhin sein. Aber dass er
an Sie einen Brief schreibt, der nicht an-
fängt und nicht aufhört, und das noch, um
Ihnen etwas zu attestieren, um das Sie ihn
nie gebeten haben, — dieses, Herr Westheim,
ist etwas — nun, was ist’s? — etwas, das
Sie garnicht behauptet haben. Diese Aus-
rede überlasse ich Ihnen, wenn ich an
Feiningers Brief einiges vorn und
einiges hinten vermisse, und wenn
es Ihnen einfallen sollte, mir etwas
darauf zu erwidern. Wer einen Brief nur
zur Hälfte oder weniger abdruckt, weil er
das Weggelassene gegen sich hat, der soll
nicht ausplaudern, dass der Brief von einem
Unaufgeforderten geschrieben wurde. Soll
ich Ihnen sagen, was Ihr Fall Feininger
mit Ihrem Fall Gampendonk gemein hat?
Dass ich Sie beide Mal bei Ihrer Eitelkeit
ertappe. Hier schreibt man Ihnen „ganz
spontan“ einen Brief, den nur ein Aufge-
forderter verfasst haben kann. Dort schreibt
einer unaufgefordert einen Brief, den er so,
nur so, nicht geschrieben haben kann.
Sollten Sie das nicht verstehen, so denken

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