ein anderer Verträge mit einer Kunsthand-
lung abschliesst und darum mit dem Sturm
nur noch auf Umwegen verkehren darf.
Das sind Affären, nach denen kein Hahn
kräht. Tut ers doch, hat er Ursache genug,
hinzuzufügen: „Gar nicht zu krähen von
den Fällen Marc, Macke und wie sie alle
heissen.“ Schlimm ist der Hahn dran,
wenn er hinterher sagen muss, er habe für
Nichts gekräht. In dieser Lage befanden
Sie sich und schrieben:
„Einem Geschäftsunternehmer, wie dem
Walden, mag es sehr schwer fallen, zu be-
greifen, dass Künstler, wenn sie Beziehungen
zu einer Kunsthandlung lösen, noch andere,
trifftigere Gründe haben können, als
unreelle, wenn nicht gar betrügerische
Handlungen . . . .“
Das mag sein. Erlebt hab ich es noch nicht.
Und Sie glauben auch nicht daran. Wenn
Künstler Beziehungen lösen, haben sie immer
den anderen Vertrag schon in der Tasche.
Sie aber machen aus Ihren Künstlern
närrische Kerle. Ein bischen Leichenbe-
raubung, Uebervorteilung, geschäftliche Aus-
beutung nehmen sie einem Kunsthändler
nicht übel, und der Kunstausstellung Der
Sturm G. m. b. H. schon garnicht. Wenn
aber Herwarth Walden seine Schamlosigkeit
so weit treibt, dass er Bilder und Plastiken
von William Wauer zeigt, — ich glaube,
Herr Westheim, Sie amüsieren sich schon
längst, dass ich Ihre Witze seit mehr
als einem Jahr so ernst nehme. Und doch
haben Sie wieder einmal Recht. Ja! es
fällt einem schwer, zu begreifen, dass Künst-
ler aus solchen albernen Gründen entlaufen
sollen. Sie selbst haben an diese Dumm-
heiten so wenig geglaubt, wie die zwei oder
drei Künstler, die es Ihnen zwar nicht ver-
sichert, aber doch geschrieben haben. Und
nun müssen Sie so schnackiges Zeug nicht
nur trifftige Gründe nennen, sondern
sogar trifftigere als ein halbes Dutzend
ehrenrühriger und strafbarer Handlungen.
Es soll aussehen, als hätten Sie sich doch
etwas gedacht, da Sie von Entlaufenen und
Fällen schrieben. Nichts so Schlimmes
zwar, als man Ihnen dreist und plump
unterstellte, aber, wie Sie sagen, etwas
Trifftigeres. Wäre einer auf den Gedanken
gekommen, Ihre Entlaufenen hielten eine
Arbeit William Wauers für eine grössere
Schandtat als eine Leichenberaubung, so
hätten sogar Sie sich über einen solchen
Narren lustig machen können. Und da liegt
der Hund begraben. Ihre neue Auslegung
machte Ihre Verdächtigungen zum sinnlosen
Gerede. Sie glaubten, ihnen nicht nur einen
Sinn, sondern gar eine sittliche Bedeutung
zu geben, wenn Sie alle diese Läppereien
trifftigere Gründe nennen. Und da
Sie sich daran machen, eben dieses, Bei-
spiel an Beispiel, zu beweisen, ists kein
Wunder, dass auf Schritt und Tritt der alte
Adam zum Vorschein kommt, der das Ver-
dächtigen nicht lassen kann. Denn er merkt
auf Schritt und Tritt, dass seine „trifftigeren“
Gründe nichts als Plunder sind, mit dem
man niemandem etwas am Zeuge flicken
kann. Und so lässt der alte Adam unter
seine trifftigeren Gründe immer mal wieder
einiges Schmutzwasser unterlaufen, damit
das Ganze auch wirklich ein besonders
trifftiges Ansehen bekomme. Es hat vier
Beine, läuft herum und macht Miau, sagen
Sie. Um aber zu beweisen, dass Sie dabei
an einen Esel gedacht haben, müssen Sie
schon einige Zauberformeln aussprechen.
Und Sie hielten sich noch für ein Sonntags-
kind, da Ihnen zur rechten Zeit zwei so
fette Brocken wie der Fall Brass und der
noch unförmlichere Fall Campendonk —
ich kann heute sagen als gebratene Enten
in den Mund flogen. Es war ein abscheu-
licher Frass, nicht wahr, Herr Westheim?
Die Herren hatten Sie schlecht bedient.
Keiner von beiden war entlaufen, weder
irdisch noch himmlich, weder so, wie Sie’s
angelegt hatten, noch so, wie Sie’s auslegen
wollten, als die Affäre mit der Leichen-
fledderei schiefgegangen war. Ich begreife
es, dass Sie den Beiden ihre Streiche ver-
ziehen haben. Ein Journalist, der sich
solcher Schriftstücke bedient, die obendrein
noch in schlechtem Deutsch geschrieben
sind, darf sich nicht beklagen, wenn das
Material nichts getaugt hat. Künstlern, die
aus gekränkter Eitelkeit oder überredet sich
zu solchen Briefen hinreissen lassen, ver-
sagt „man“ die Hochachtung, und Sie wissen,
wer „man“ ist. Sie haben den Herren keine
Ehre erwiesen, als Sie ihre Briefe abdruckten
und hinzufügten, diese Flagellanten hätten
sich selbst als „Entlaufene“ denunziert. Und
was haben Sie für sich gewonnen? Man
hatte Ihnen Mangel des künstlerischen Ur-
teils, unbegründete Meinungsänderung vor-
199
lung abschliesst und darum mit dem Sturm
nur noch auf Umwegen verkehren darf.
Das sind Affären, nach denen kein Hahn
kräht. Tut ers doch, hat er Ursache genug,
hinzuzufügen: „Gar nicht zu krähen von
den Fällen Marc, Macke und wie sie alle
heissen.“ Schlimm ist der Hahn dran,
wenn er hinterher sagen muss, er habe für
Nichts gekräht. In dieser Lage befanden
Sie sich und schrieben:
„Einem Geschäftsunternehmer, wie dem
Walden, mag es sehr schwer fallen, zu be-
greifen, dass Künstler, wenn sie Beziehungen
zu einer Kunsthandlung lösen, noch andere,
trifftigere Gründe haben können, als
unreelle, wenn nicht gar betrügerische
Handlungen . . . .“
Das mag sein. Erlebt hab ich es noch nicht.
Und Sie glauben auch nicht daran. Wenn
Künstler Beziehungen lösen, haben sie immer
den anderen Vertrag schon in der Tasche.
Sie aber machen aus Ihren Künstlern
närrische Kerle. Ein bischen Leichenbe-
raubung, Uebervorteilung, geschäftliche Aus-
beutung nehmen sie einem Kunsthändler
nicht übel, und der Kunstausstellung Der
Sturm G. m. b. H. schon garnicht. Wenn
aber Herwarth Walden seine Schamlosigkeit
so weit treibt, dass er Bilder und Plastiken
von William Wauer zeigt, — ich glaube,
Herr Westheim, Sie amüsieren sich schon
längst, dass ich Ihre Witze seit mehr
als einem Jahr so ernst nehme. Und doch
haben Sie wieder einmal Recht. Ja! es
fällt einem schwer, zu begreifen, dass Künst-
ler aus solchen albernen Gründen entlaufen
sollen. Sie selbst haben an diese Dumm-
heiten so wenig geglaubt, wie die zwei oder
drei Künstler, die es Ihnen zwar nicht ver-
sichert, aber doch geschrieben haben. Und
nun müssen Sie so schnackiges Zeug nicht
nur trifftige Gründe nennen, sondern
sogar trifftigere als ein halbes Dutzend
ehrenrühriger und strafbarer Handlungen.
Es soll aussehen, als hätten Sie sich doch
etwas gedacht, da Sie von Entlaufenen und
Fällen schrieben. Nichts so Schlimmes
zwar, als man Ihnen dreist und plump
unterstellte, aber, wie Sie sagen, etwas
Trifftigeres. Wäre einer auf den Gedanken
gekommen, Ihre Entlaufenen hielten eine
Arbeit William Wauers für eine grössere
Schandtat als eine Leichenberaubung, so
hätten sogar Sie sich über einen solchen
Narren lustig machen können. Und da liegt
der Hund begraben. Ihre neue Auslegung
machte Ihre Verdächtigungen zum sinnlosen
Gerede. Sie glaubten, ihnen nicht nur einen
Sinn, sondern gar eine sittliche Bedeutung
zu geben, wenn Sie alle diese Läppereien
trifftigere Gründe nennen. Und da
Sie sich daran machen, eben dieses, Bei-
spiel an Beispiel, zu beweisen, ists kein
Wunder, dass auf Schritt und Tritt der alte
Adam zum Vorschein kommt, der das Ver-
dächtigen nicht lassen kann. Denn er merkt
auf Schritt und Tritt, dass seine „trifftigeren“
Gründe nichts als Plunder sind, mit dem
man niemandem etwas am Zeuge flicken
kann. Und so lässt der alte Adam unter
seine trifftigeren Gründe immer mal wieder
einiges Schmutzwasser unterlaufen, damit
das Ganze auch wirklich ein besonders
trifftiges Ansehen bekomme. Es hat vier
Beine, läuft herum und macht Miau, sagen
Sie. Um aber zu beweisen, dass Sie dabei
an einen Esel gedacht haben, müssen Sie
schon einige Zauberformeln aussprechen.
Und Sie hielten sich noch für ein Sonntags-
kind, da Ihnen zur rechten Zeit zwei so
fette Brocken wie der Fall Brass und der
noch unförmlichere Fall Campendonk —
ich kann heute sagen als gebratene Enten
in den Mund flogen. Es war ein abscheu-
licher Frass, nicht wahr, Herr Westheim?
Die Herren hatten Sie schlecht bedient.
Keiner von beiden war entlaufen, weder
irdisch noch himmlich, weder so, wie Sie’s
angelegt hatten, noch so, wie Sie’s auslegen
wollten, als die Affäre mit der Leichen-
fledderei schiefgegangen war. Ich begreife
es, dass Sie den Beiden ihre Streiche ver-
ziehen haben. Ein Journalist, der sich
solcher Schriftstücke bedient, die obendrein
noch in schlechtem Deutsch geschrieben
sind, darf sich nicht beklagen, wenn das
Material nichts getaugt hat. Künstlern, die
aus gekränkter Eitelkeit oder überredet sich
zu solchen Briefen hinreissen lassen, ver-
sagt „man“ die Hochachtung, und Sie wissen,
wer „man“ ist. Sie haben den Herren keine
Ehre erwiesen, als Sie ihre Briefe abdruckten
und hinzufügten, diese Flagellanten hätten
sich selbst als „Entlaufene“ denunziert. Und
was haben Sie für sich gewonnen? Man
hatte Ihnen Mangel des künstlerischen Ur-
teils, unbegründete Meinungsänderung vor-
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