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DIE WELTKUNST

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Wert auf eine gepflegte, geglättete und mit
beruhigtem Geschmack sorgsam ausgewogene
Form legt, ist Joachim Utech aus Belgard
in Pommern von urtümlicher, teilweise un-
gebändigter Kraft — trotz der spannungs-
reichen Geschlossenheit seiner Bildwerke —,
ein Bildner, der mehr seine Gesichte als ein
unbekümmertes und getreuliches Abbild der
Natur gestaltet. Sauber gearbeitet, formklar
und von schöner Beruhigung ist Winters
„Kopf meines Sohnes“. Die kunstgewerbliche

Befähigung Winters zeigt sich in ansprechen-
den kleinen Plaketten. Utech ist ursprüng-
licher, hat mehr Phantasie, ist weniger einer
abgeklärten Formvorstellung verbunden.
Heftig wie Barlach setzt er den Meißel an
und läßt sich von den Gesichten einer groß-
artigen Phantasie leiten. Gedrungen, gerun-
det, ausgewölbt aus der Spannung der Kör-
per, redet er eine kraftvolle, balladenhafte
Sprache. Ein außerordentlicher Künstler.
K. H. B.

Watteau - Zeichnungen
auf der Ausstellung der Albertina

Sechs Zeichnungen bringt die Watteau-
Ausstellung der Albertina*). Die erste frühe
zeigt drei Figurenstudien in Rötel (Gamben-
spieler, Mädchen mit Notenbuch, schreitender
Kavalier; Leihgabe Fr. Ida Rudinoff; s. Abb.).
Das Blatt ist charakteristisch für Watteaus
Arbeitsweise, seine Art zu notieren und
Notizen, seine „Gedanken in Rötel“, in den
Gemälden zu verwerten. Alle drei Figuren
kehren mehr oder weniger verändert in ver-
schiedenen Bildern wieder. Das Blatt mit
den sieben weiblichen Studienköpfen (Leih-
gabe Josef Klever) zeigt die eindringende
Arbeitsweise, zeigt Variationen eines Themas
und — wie das folgende Blatt — die an


A. Watteau, Bildnis eines Malers
Rötel und schwarze Kreide. Sammlung Joseph Klever
Ausstellung: Wien, Albertina
Rubens geschulte Technik der Farbgebung.
Das Mädchen im Lehnstuhl (Leihgabe Josef
JGever) ist ein Blatt von allerhöchstem Reiz.
Wie ein zarter Schleier überziehen die Töne
< as Papier, aus Stofflichkeit und Licht wer-
en die subtilsten Raumwerte geschaffen und
aus der Auflösung jeder Substanz wird die
*) Vgl. den allgemeinen Ausstellungsbericht in
Nr- 50, Jg. VIII der „Weltkunst“.

absolute Malerei. Hier ist ein Höhepunkt
der Zeichenkunst überhaupt erreicht und ein
hervorragendes Beispiel für die ungeheuer
weite, Raum und Gestalten schaffende Kraft
des Meisters in der aufrichtigsten und durch-
sichtigsten künstlerischen Technik. In dem
Rötel und Kreide-Porträt eines Malers (Leih-
gabe Josef Klever, s. Abb.) könnte ein Bild-
nis Vleughels gesehen werden. Die physiog-
nomische Aehnlichkeit mit der für Vleughel
gehaltenen Figur auf dem Gemälde „Vene-
zianisches Fest“ gibt zu dieser Vermutung
Anlaß. Wie spricht Athmosphäre, Raum und
Stofflichkeit aus jeder Falte des Mantels!
Das Blatt mit den zwei weiblichen Skizzen-
figuren ist in ähnlicher Weise für des Mei
sters Schaffensweise bezeichnend wie das
vorerwähnte mit den weiblichen Studien-
köpfen. Zwei Figurenskizzen ineinander-
wachsend. So flüchtig, so leicht ist die Weise
des Künstlers, zu notieren, daß ihm das neue
Bild vor Augen schwebt, bevor das erste
vollendet ist. Zwei Zeichnungen endlich hat
der Louvre als Leihgaben gesandt, eine mit
zwei Dudelsackpfeifern, besonders reizvoll
in der Farbgebung, in der Art wie Rötel und
schwarze Kreide zu koloristischen Gegen-
sätzen ausgewertet werden. Eine zweite hin-
gegen, ein ruhendes Mädchen darstellend, ist
bezeichnend für die unglaublich zarte,
irgendwie -sachliche Wiedergabe des Inkar-
nats.
Watteau hatte nicht Schüler im eigent-
lichen Sinn des Wortes. Am stärksten wurde
von seiner Art Nicolas Lancret befruchtet,
von dem die Ausstellung drei Zeichnungen
bringt. Die Rötel-Studie eines Jägers, ein
Skizzenblatt mit drei Frauenköpfen (Leih-
gabe Präsident Kienböck) und ein von der
Albertina neu erworbenes Blatt, eine Dame
mit Fächer darstellend. Hier ist die Her-
kunft von Watteaus zart hingehauchten
Linien, von seiner räumlich schaffenden Art
am besten erkennbar. Der männliche Por-
trätkopf von einem Watteau-Schüler (Leih-
gabe Fr. Ida Rudinoff, s. Abb.) zeigt neben
frischer Unmittelbarkeit und einer dem
späten Watteau abgelauschten Monumentali-
tät einen kaum zu übersehenden Zusammen-
hang mit den Werken der gleichzeitigen ober-
italienischen Kunst.
Watteaus Kunst klingt aus in seinem letz-
ten und reifsten Werk, dem Ladenschild des
Kunsthändlers Gersaint. Flämisches Gefühl
für den durchlichteten Raum, für die Man-
nigfaltigkeit des Geschehens, des Künstlers
Freude an der Bühne, an dem dramatisch ge-
drängten und abgekürzten Geschehen, die
französische Grazie, die in jeder Bewegung
einen harmonischen, fast tänzerischen Zug
hineinzulegen vermag, feiert hier noch ein-
mal den höchsten Triumph.
Dr. Benno Fleischmann (Wien)

Firdusi-Ausstellung der
Pariser Nationalbibliothek

Anläßlich der Jahrtausendfeier des per-
sischen Dichters Firdusi hat die National-
bibliothek in Paris eine Ausstellung veran-
staltet, die weit über das bibliographische
Interesse hinaus einen starken künstlerischen
Eindruck' vermittelt.
Die größten persischen Miniaturmaler des
15. und 16. Jahrhunderts haben das „Buch
Rer Könige“, dieses größte Epos der persi-
schen Literatur, illustriert. Zahlreiche Hand-
schriften des „Buches der Könige“, des
"Schähnäme“ aus dem Besitz der National-
bibliothek bilden den Grundstock -der gegen-
wärtigen Ausstellung. Man kann in den
. ltrinen die köstlichen Miniaturen, Bildnisse
er Persischen Könige und legendäre Szenen
111 res heldischen Lebens eingehend studieren.
Daneben werden Uebersetzungen der Fir-
uusischen Dichtung aus allen Zeiten und in
allen Sprachen gezeigt. So findet man auch
die deutschen Bearbeitungen aus der
Romantik, der Zeit, die unserer Literatur
sagenhafte Länder und den fernen Osten er-
schlossen hatten: das Heldenbuch von Iran
aus dem Schah Nameh des Firdusi von
Joseph Gör res, das in Berlin im Jahre

1820 erschienen ist. Und ebenso hat F ri -ed-
rich Rückert noch einmal das gleiche
Epos in neuer Uebersetzung herausgebracht.
Das Werk eines großen östlichen Dichters
strahlt aus auf sein eigenes Volk und auf
die gesamte abendländische Literatur, über
die Jahrhunderte hinweg: dies zu zeigen ist
der Sinn der Pariser Ausstellung. F. N.

Erfolg
deutscher Künstler in Rom
Selten hat eine ausländische Ausstellung
in Rom so gefallen und gleichzeitig so über-
zeugt wie die kleine Schau von Zeichnungen
deutscher Bildhauer. Sie war in der Villa
Ma s s i m o durch den Direktor der deut-
schen Akademie, Dr. Gericke, in Gegenwart
des deutschen Botschafters, zahlreicher Kri-
tlk.7j und eines großen deutschen Publikums
eröffnet worden. Die Klarheit und Sauber-
keit der Zusammenstellung, die wohlabge-
wogene Betrachtung nur der wesentlichen
und für das bildhauerische Deutschland be-
stimmenden Künstlerpersonen hat vor allem
die Italiener für die Ausstellung eingenom-
men. Man stellt einen Unterschied zwischen
dieser Ausstellung und ähnlichen -italieni-
schen Versuchen fest, die immer wieder an

Galerie Haberstock
BERLIN W 9, BELLEVUESTRASSE 15
SUCHT ZU KAUFEN
MEISTERWERKE DER MALEREI
vom 15. bis einschließlich 19. Jahrhundert


Watteau-Schüler, Bildniskopf
Rötel und schwarze Kreide, weiß gehöht. Slg. Rudinoff.
Ausstellung: Wien, Albertina

der Masse gescheitert
seien und niemals er-
reicht hätten, dem Aus-
lande wirklich eine ver¬
ständnisbringende Ein-
sicht in das künstle-
rische Schaffen zu ge-
währen. Das aber sei
der deutschen Ausstel-
lung gelungen, „die Lust
mache, auch die fertigen
Werke derjenigen jun-
gen Bildhauer kennen¬
zulernen, deren Arbei-
ten die deutschen Gren-
zen noch nicht über-
schritten haben“. Das
aber sei die größte und
heute seltenste Lobes-
bezeiclinung, die inan
überhaupt für eine
Schau haben könne. Die
knappe Auswahl, die
Wahl fast ausschließlich
nur von Bildhauern, die
sich durchgesetzt haben
und deren Namen allein
schon Zutrauen schaf
fen, wie Gaul, Lehm-
bruck, Kolbe, Scharff,
Mareks u. a. haben
diese Ausstellung auf
Galerie-Niveau gehoben.
Ganz besonders hat Bar-
lach und dann De Fiori
in Rom gefallen. Die
kleine Schau, die kürz-
lich in Berlin von der
Buchhandlung Buchholz
gezeigt wurde, ist schon
wieder geschlossen und
nach Amerika versandt
worden. Die Presse for-
der dringend ähnlich
gleich klug und gewis¬
senhaft abgewogene künstlerische Werbe-
arbeit in Italien; besonders der Kunstabge-
ordnete Oppo macht sich zum Befürworter
dieser Forderung. G. R.
Eine holländische Bildhauerin:
Margot J. Rothstein-Schievink
Noch nicht ein Jahr ist verstrichen, seit
sie das erste Mal Modellierton zwischen den
Fingern fühlte, und schon kann die Bild-
hauerin, ohne gerechtfertigte Kritik fürchten
zu müssen, eine erste bescheidene Ausstel-
lung veranstalten. Die Schöpfungen ihrer

Hand verraten eine ungewöhnliche Reife.
Weiblich ist an diesen Schöpfungen vielleicht
nur eines, und dieses eine ist zugleich typisch
holländisch: diie Liebe, mit der sich die Bild-
nerin in ihr Werk versenkt, in ihr Modell
einfühlt. Erstaunlich ist, wie diese Werke,
deren Schöpferin sicher nicht langwierige
Anatomiestudien trieb, sondern durch genaue
Beobachtung der Natur Bau und Körperlich-
keit der Wesen ablauschte, leben. Manch-
mal mag — wie könnte das anders sein? —
ein Rest von Erdenschwere, noch tastende
Unsicherheit der Technik dem Werk an-
haften. Auch das wird sicher bald über-
wunden sein (Abb. S. 2). W. M.


A. Watteau, Figurenstudien
Rötel. Sammlung Rudinoff
Ausstellung: Wien, Albertina

Die Ostasien-Sammlung Fuchs

Unter den bestehenden deutschen Privat-
sammlungen ostasiatischer Kunst ist die des
Tübinger Professors Dr. C. J. Fuchs eine der
ältesten. Ihre Entstehung und Herkunft
spiegelt ein gutes Stück der Geschichte dieses
Sammlungsgebietes' wider. Als ihr Begrün-
der gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
seine Lehrtätigkeit an der Universität Frei-
bürg aufnahm, wirkte dort auch der Mann,
der als Künder und Deuter der Schönheit
ostasiatischer Kunst den nachhaltigsten Er-
folg finden sollte: Ernst Grosse. Dieser Leh-
rer verstand es, zu begeistern, die Augen für
künstlerische Werte, die bis dahin kaum ge-
würdigt waren, aufzutun. Günstige Umstände
kamen hinzu; in Paris bemühte sich damals
Flayashi, den Europäern wirkliche Kunst-
werke Ostasiens zu vermitteln. Sein Erfolg
war gering genug; der Kreis der Liebhaber
blieb klein, einige Ausstellungen erregten
mehr die Neugierde als das Verständnis. So
mußte er seine Sammlung und seine Unter-
nehmung mit mehreren Versteigerungen be-
enden. Aus dieser Quelle, der auch manche
Museen viele ihrer vorzüglichsten Stücke

danken, konnte Prof. Fuchs schöpfen. Mit
der Nachdrücklichkeit eines ersten Entschlus-
ses brachte er gleich den Hauptteil seiner
Sammlung zusammen, die später nur ge-
legentlich, besonders nach China hin, ergänzt
wurde.
Der Schwerpunkt der Sammlung liegt in
der japanischen Kunst. Dabei kann es nicht
ausbleiben, daß dem Kunstgewerbe ein brei-
ter Raum gegeben ist. Die japanische Kera-
mik, die heute, nachdem ihre chinesischen
Anreger entdeckt waren, in der Schätzung
ein wenig zurückgetreten ist, kommt in einer
größeren Uebersicht gut zur Geltung, ebenso
der Lack, dieser eigentümlichste und edelste
Stoff des ostasiatischen Kunsthandwerks, aus
dem die Japaner unnachahmliche Wunder
feinsten Geschmacks geschaffen haben. Die
eigentliche Liebe des Sammlers aber gehört
der Malerei. Sie zu sammeln, erforderte da-
mals wie heute ein hohes Maß an Mut. Die
Mahnung zur Vorsicht, die vielen kritischen
Stimmen, die sich dagegen erhoben, haben es
denn auch fertiggebracht, daß die meisten
Sammler ihr Zutrauen verloren, daß die
 
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