24. NOVEMBER 1955
IX. JAHRGANG, Nr. 47
D I E
ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DER REICHSKAMMER DER BILDENDEN KÜNSTE/ FACHGRUPPE: KUNST- UND ANTIQUITÄTENHANDEL
Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin»;
in den Monaten Juli bis September jeden zweiten Sonntag.
Bankkonto: Deutsche Bank u. Disconto-Gesellsdraft, Depositen - Kasse M,
Berlin W 62, Kurfürstenstr. 115. Postscheckkonti: Berlin 118054; Den
Haag 145512; Paris 170014; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159
Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B5 Barbarossa 7228
Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 35 Pfennige. Quartal für Deutschland inkl. Postzustellung
Mk. 4.50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mk. 5.50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk. 5.50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 3 5; Holland hfl. 3.25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee® 1.50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4 50
Jan van Eyck, Die Madonna des
Ausstellung Van Eyck bis Breughel.
Das hier angeschnittene Problem „Ori-
ginal, Kopie und Reproduktion“ hat auf dem
Gebiete der Gemäldekenntnis eine große
Praktische Bedeutung. Wie oft geschieht es,
daß wissenschaftlich nicht vorgebildete
Kunstfreunde nur auf Grund eines alten
Reproduktionsstiches, der völlig mit einem
>n ihrem Besitz befindlichen Bilde überein-
stimmt, das wirkliche Original in Händen zu
Nach der großen Aus-
stellung der italieni-
schen Kunst, die in die-
sem Frühjahr über
500 000 Besucher zählte,
hat Paris jetzt zum Be-
ginn der Wintersaison
seine neue Sensation,
die nicht weniger Auf-
sehen erregt. Die Direk-
tion der staatlichen Mu-
seen hat in den Räumen
der „Orangerie“ eine
große Ausstellung alt-
niederländischer Kunst
unter dem Titel: „Von van Eyck bis Breu-
ghel“ veranstaltet. Sie bildet gewissermaßen
den Gegenpol zu der ausgeglichenen und im-
mer „schönen“ italienischen Malerei.
Viele der ausgestellten Werke wurden
von der Brüsseler Weltausstellung dieses
Sommers übernommen, bevor sie zu ihren
Besitzern zurückkehren werden.
(Fortsetzung Seite 2)
(Photo Braun & Cie.)
Kanzlers Ralin
Paris, Orangerie
Original, Kopie
und Reproduktion
Erst die moderne Technik hat auf der
Grundlage der Photographie Reproduktions-
verfahren nach Werken der bildenden Kunst
ausgebildet, die in einem gewissen Sinne als
„objektiv“ angesprochen werden dürfen. Der
Begriff der Objektivität muß selbstverständ-
lich auch hier differenziert betrachtet wer-
den; spätere Zeiten werden auch in der jetzt
noch kurzen Spanne der Ausbildung der mo-
dernen Reproduktionsverfahren Wandlungen
Feststellen, die den Veränderungen des künst-
lerischen Sehens entsprechen. Gegenüber
allen früheren Widergaben, also vor allem
dem Reproduktionsstich, dem Farbstich oder
der Radierung, wie sie nacheinander vom
16. bis tief ins 19. Jahrhundert geübt wur-
den, ist die moderne Reproduktion objektiv
in dem Sinne, als sie den gestaltmäßigen
Inhalt des Kunstwerkes unverfälscht und un-
verändert darbietet. Noch Bode hatte in den
70er und 80er Jahren die größte Not, sich
einen Stamm reproduzierender Künstler, wie
W. Unger u. a„ heranzuziehen, die ihren
eigenen künstlerischen Zeitstil hinter den
Bedürfnissen absolut sachlicher Objektivität
zurückzustellen lernten.
halten glauben und von dieser Ansicht auch
nicht abweichen, wenn der Kenner in ihrem
Bilde höchstens eine schlechte Kopie nach
einem erhaltenen oder verschollenen Ge-
mälde sehen kann. Sie vergessen dabei, daß
ein Reproduktionsstich des 16. bis 18. Jahr-
hunderts schon deshalb nicht als objektives
Beweisstück betrachtet werden darf, weil die
Stecher dieser Zeit jeweils, und vielfach
ziemlich skrupellos, der Zeitmode folgend,
formale und gestaltliche Elemente ihrer Vor-
lage veränderten. Vielfach waren ja auch
die Meisterwerke zur Zeit dieser Reproduk-
tion bereits durch sogenannte Restaurierun-
gen, die erst in neuere Zeit fielen, im je-
weiligen Zeitgeschmack verändert. Außer-
dem muß berücksichtigt werden, daß Werke,
die in früherer Zeit für reproduktionswürdig
erachtet wurden, meist gleichzeitig auch viel-
fach als Vorlage für Kopien verwandt wur-
den, die dann heute meist dem Stich inhalt-
lich genauer entsprechen als das vielleicht
inzwischen von fremden Zutaten gereinigte
Original. Das Oeuvre einzelner Meister, wie
z. B. des bis ins 19. Jahrhundert hinein un-
unterbrochen hochgefeierten Correggio, läßt
an Hand der in einer vollkommenen Ent-
wicklungsreihe vorliegenden Reproduktions-
stiche das oben Gesagte deutlich verfolgen
und gibt gleichzeitig einen tiefen Einblick
in das eigene Sehen verschiedener Epochen.
Die letzte Gewißheit
einer Zuschreibung liegt
letzten Endes immer in
den künstlerischen Ele-
menten des Bildes al-
lein. Ein Stich kann
Hilfsmittel der Identifi-
zierung, der Erfor-
schung, der Herkunft
usw. sein, in den selten-
sten Fällen aber ein ob-
jektives Beweismittel.
D.
Von van Eyck
bis Breughel
Eine große Kunst-
ausstellung in
Paris
Antike Rahmen PAUL TIECKE
Restaurierungen aller Art
Berlin W62, LUlzowplaiz 11
Rahmen-Kopien
Van Dyck, Landschaft. Neuerwerbung der Albertina, Wien (Photo Albertina)
Neuerwerbungen der Albertina
Die Albertina gibt in einer Ausstellung
Bericht über ihre Erwerbungstätigkeit unter
der Leitung Generaldirektors Prof. Dr.
Joseph Bick. Die gezeigte Auslese um-
faßt ungefähr den Zeitraum eines Jahres.
Die Fülle des künstlerisch Wertvollen und
Bedeutenden, das der Sammlung seit Sommer
1934 zu erwerben gelang, ist groß angesichts
des kurzen Zeitraums und der gegen früher
wesentlich ungünstigeren finanziellen Ver-
hältnisse, die es nicht mehr ermöglichen, aus
nahezu unbeschränkter Fülle zu schöpfen,
sondern zwingen, mit aufs knappste bemes-
senen Mitteln hauszuhalten. Schenkungen
treten zu den Erwerbungen hinzu und
vervollständigen das Bild. Handzeichnun-
gen und Aquarelle der österreichi-
schen und deutschen Kunst vom 15. bis
zum 20. Jahrundert stehen im Vordergrund.
Wenige kostbare Proben: eine Landschaft
von Van Dyck (s. Abb.), ein Gartenfresken-
entwurf von Veronese, ein Lancret, vertreten
die anderen Kunstkreise. Eine prachtvolle
Stigmatisation des hl. Franciscus von einem
vorländis.chen Witznachfolger eröffniet die
Reihe. Ein kunsthistorisch interessantes No-
vum ist unter den Altdeutschen ein Altar-
flügelentwurf des Bayern Ludwig Refinger,
der wohl die erste bekanntgewordene Zeich-
nung des frischen Schilderers bilderbogen-
haft bunter Historien darstellt. Der öster-
reichische Kirchenbarock erscheint in
schwungvollen Skizzen von Maulbertsch,
Mildorfer, Sigrist u. a. Die österreichische
Kunst des späten Klassizismus und Vormärz
tritt mit einer besonderen Fülle guter Werke
auf, aus Alt-Wiener Sammlungen wie Trau,
Figdor, Riedl stammend. Die hochent-
wickelte Bildniskunst vertreten Aquarelle,
Skizzen und Miniaturen von Füger, Lanze-
dellj, Agricola, Danhauser (s. Abb.), Daffinger,
Decker, Kriehuber. Gerade letztere, so spezi-
fisch wienerische Kunstgattung, die bisher
in den öffentlichen Sammlungen stiefmütter-
lich behandelt wurde und nur der Pflege
durch den privaten Sammeleifer überlassen
blieb, könnte aus dieser kleinen Keimzelle
— was von der Figdörstiftung in die Alber-
tina gelangte — zu einer Sammlung ent-
wickelt werden, deren natürliche Pflegestätte
die Albertina wäre. Der keuschen Linien-
kunst der Romantiker Schwind und Kupel-
wieser steht der hinreißende Schwung der
Naturalisten Carl Schindler, Fendi, Gauer-
mann gegenüber, Erben der österreichischen
Barocktradition. Dem Großmeister des
Aquarells. Rudolf Alt, ist ein Raum gewid-
met. Den Naturalismus der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts vertritt ein Dokument von ein-
zigartiger Bedeutung für die Geschichte der
deutschen Malerei: ein Zeichnungenkonvolut
Karl Schuchs mit Entwürfen und Skizzen für
nahezu alle wichtigen Werke seines Lebens,
von den frühesten bis zu den spätesten. Der
frühverstorbene Schiele schließt die Reihe
der Oesterreicher. Das Andenken und die
Wahrung der Tradition Joseph Meders be-
kundet die Rückkehr eines Zyklus’ von
Federzeichnungen Wilhelm Busch’s und der
Entwürfe von Marees für die „Idylle“ und
das „Goldene Zeitalter“, die der Forscher
einst für die Sammlung erworben hatte, die
ihr nach dem Kriege aber wieder verloren
gegangen waren. Der Ausbau der Druck-
graphiksammlung wurde nicht vernachläs-
sigt. Das gesamte, sehr seltene radierte Werk
des Kärntner Barockmalers Fromiller wurde
in Probedrucken (wohl sein Werkstattnach-
laß) erworben, ferner Werke von Corinth,
Deveria, Grandville und eine Reihe seltener
Daumiers. Die Sammlung architektonischer
Handzeichnungen erfuhr willkommene Be-
reicherung durch die reizvollen Aquarell-
entwürfe des Franzosen Sevin für die Wiener
Cajetankapelle und die Risse van der Niills
und Siccardsburgs für die Oper.
Otto Benesch.
GALERIE SEILER
Gemälde alter Meister / Alte antike Teppiche / Gobelins
Berlin W 9, Bellevueslraße 13 Tel.: B 2. Lüizow 0562
Tel.: Kurf Ursi Bl 1762
IX. JAHRGANG, Nr. 47
D I E
ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
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Erscheint jeden Sonntag im Weltkunst-Verlag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin»;
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Berlin W 62, Kurfürstenstr. 115. Postscheckkonti: Berlin 118054; Den
Haag 145512; Paris 170014; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8159
Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B5 Barbarossa 7228
Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 35 Pfennige. Quartal für Deutschland inkl. Postzustellung
Mk. 4.50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mk. 5.50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk. 5.50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 3 5; Holland hfl. 3.25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder sfrs. 7; Übersee® 1.50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4 50
Jan van Eyck, Die Madonna des
Ausstellung Van Eyck bis Breughel.
Das hier angeschnittene Problem „Ori-
ginal, Kopie und Reproduktion“ hat auf dem
Gebiete der Gemäldekenntnis eine große
Praktische Bedeutung. Wie oft geschieht es,
daß wissenschaftlich nicht vorgebildete
Kunstfreunde nur auf Grund eines alten
Reproduktionsstiches, der völlig mit einem
>n ihrem Besitz befindlichen Bilde überein-
stimmt, das wirkliche Original in Händen zu
Nach der großen Aus-
stellung der italieni-
schen Kunst, die in die-
sem Frühjahr über
500 000 Besucher zählte,
hat Paris jetzt zum Be-
ginn der Wintersaison
seine neue Sensation,
die nicht weniger Auf-
sehen erregt. Die Direk-
tion der staatlichen Mu-
seen hat in den Räumen
der „Orangerie“ eine
große Ausstellung alt-
niederländischer Kunst
unter dem Titel: „Von van Eyck bis Breu-
ghel“ veranstaltet. Sie bildet gewissermaßen
den Gegenpol zu der ausgeglichenen und im-
mer „schönen“ italienischen Malerei.
Viele der ausgestellten Werke wurden
von der Brüsseler Weltausstellung dieses
Sommers übernommen, bevor sie zu ihren
Besitzern zurückkehren werden.
(Fortsetzung Seite 2)
(Photo Braun & Cie.)
Kanzlers Ralin
Paris, Orangerie
Original, Kopie
und Reproduktion
Erst die moderne Technik hat auf der
Grundlage der Photographie Reproduktions-
verfahren nach Werken der bildenden Kunst
ausgebildet, die in einem gewissen Sinne als
„objektiv“ angesprochen werden dürfen. Der
Begriff der Objektivität muß selbstverständ-
lich auch hier differenziert betrachtet wer-
den; spätere Zeiten werden auch in der jetzt
noch kurzen Spanne der Ausbildung der mo-
dernen Reproduktionsverfahren Wandlungen
Feststellen, die den Veränderungen des künst-
lerischen Sehens entsprechen. Gegenüber
allen früheren Widergaben, also vor allem
dem Reproduktionsstich, dem Farbstich oder
der Radierung, wie sie nacheinander vom
16. bis tief ins 19. Jahrhundert geübt wur-
den, ist die moderne Reproduktion objektiv
in dem Sinne, als sie den gestaltmäßigen
Inhalt des Kunstwerkes unverfälscht und un-
verändert darbietet. Noch Bode hatte in den
70er und 80er Jahren die größte Not, sich
einen Stamm reproduzierender Künstler, wie
W. Unger u. a„ heranzuziehen, die ihren
eigenen künstlerischen Zeitstil hinter den
Bedürfnissen absolut sachlicher Objektivität
zurückzustellen lernten.
halten glauben und von dieser Ansicht auch
nicht abweichen, wenn der Kenner in ihrem
Bilde höchstens eine schlechte Kopie nach
einem erhaltenen oder verschollenen Ge-
mälde sehen kann. Sie vergessen dabei, daß
ein Reproduktionsstich des 16. bis 18. Jahr-
hunderts schon deshalb nicht als objektives
Beweisstück betrachtet werden darf, weil die
Stecher dieser Zeit jeweils, und vielfach
ziemlich skrupellos, der Zeitmode folgend,
formale und gestaltliche Elemente ihrer Vor-
lage veränderten. Vielfach waren ja auch
die Meisterwerke zur Zeit dieser Reproduk-
tion bereits durch sogenannte Restaurierun-
gen, die erst in neuere Zeit fielen, im je-
weiligen Zeitgeschmack verändert. Außer-
dem muß berücksichtigt werden, daß Werke,
die in früherer Zeit für reproduktionswürdig
erachtet wurden, meist gleichzeitig auch viel-
fach als Vorlage für Kopien verwandt wur-
den, die dann heute meist dem Stich inhalt-
lich genauer entsprechen als das vielleicht
inzwischen von fremden Zutaten gereinigte
Original. Das Oeuvre einzelner Meister, wie
z. B. des bis ins 19. Jahrhundert hinein un-
unterbrochen hochgefeierten Correggio, läßt
an Hand der in einer vollkommenen Ent-
wicklungsreihe vorliegenden Reproduktions-
stiche das oben Gesagte deutlich verfolgen
und gibt gleichzeitig einen tiefen Einblick
in das eigene Sehen verschiedener Epochen.
Die letzte Gewißheit
einer Zuschreibung liegt
letzten Endes immer in
den künstlerischen Ele-
menten des Bildes al-
lein. Ein Stich kann
Hilfsmittel der Identifi-
zierung, der Erfor-
schung, der Herkunft
usw. sein, in den selten-
sten Fällen aber ein ob-
jektives Beweismittel.
D.
Von van Eyck
bis Breughel
Eine große Kunst-
ausstellung in
Paris
Antike Rahmen PAUL TIECKE
Restaurierungen aller Art
Berlin W62, LUlzowplaiz 11
Rahmen-Kopien
Van Dyck, Landschaft. Neuerwerbung der Albertina, Wien (Photo Albertina)
Neuerwerbungen der Albertina
Die Albertina gibt in einer Ausstellung
Bericht über ihre Erwerbungstätigkeit unter
der Leitung Generaldirektors Prof. Dr.
Joseph Bick. Die gezeigte Auslese um-
faßt ungefähr den Zeitraum eines Jahres.
Die Fülle des künstlerisch Wertvollen und
Bedeutenden, das der Sammlung seit Sommer
1934 zu erwerben gelang, ist groß angesichts
des kurzen Zeitraums und der gegen früher
wesentlich ungünstigeren finanziellen Ver-
hältnisse, die es nicht mehr ermöglichen, aus
nahezu unbeschränkter Fülle zu schöpfen,
sondern zwingen, mit aufs knappste bemes-
senen Mitteln hauszuhalten. Schenkungen
treten zu den Erwerbungen hinzu und
vervollständigen das Bild. Handzeichnun-
gen und Aquarelle der österreichi-
schen und deutschen Kunst vom 15. bis
zum 20. Jahrundert stehen im Vordergrund.
Wenige kostbare Proben: eine Landschaft
von Van Dyck (s. Abb.), ein Gartenfresken-
entwurf von Veronese, ein Lancret, vertreten
die anderen Kunstkreise. Eine prachtvolle
Stigmatisation des hl. Franciscus von einem
vorländis.chen Witznachfolger eröffniet die
Reihe. Ein kunsthistorisch interessantes No-
vum ist unter den Altdeutschen ein Altar-
flügelentwurf des Bayern Ludwig Refinger,
der wohl die erste bekanntgewordene Zeich-
nung des frischen Schilderers bilderbogen-
haft bunter Historien darstellt. Der öster-
reichische Kirchenbarock erscheint in
schwungvollen Skizzen von Maulbertsch,
Mildorfer, Sigrist u. a. Die österreichische
Kunst des späten Klassizismus und Vormärz
tritt mit einer besonderen Fülle guter Werke
auf, aus Alt-Wiener Sammlungen wie Trau,
Figdor, Riedl stammend. Die hochent-
wickelte Bildniskunst vertreten Aquarelle,
Skizzen und Miniaturen von Füger, Lanze-
dellj, Agricola, Danhauser (s. Abb.), Daffinger,
Decker, Kriehuber. Gerade letztere, so spezi-
fisch wienerische Kunstgattung, die bisher
in den öffentlichen Sammlungen stiefmütter-
lich behandelt wurde und nur der Pflege
durch den privaten Sammeleifer überlassen
blieb, könnte aus dieser kleinen Keimzelle
— was von der Figdörstiftung in die Alber-
tina gelangte — zu einer Sammlung ent-
wickelt werden, deren natürliche Pflegestätte
die Albertina wäre. Der keuschen Linien-
kunst der Romantiker Schwind und Kupel-
wieser steht der hinreißende Schwung der
Naturalisten Carl Schindler, Fendi, Gauer-
mann gegenüber, Erben der österreichischen
Barocktradition. Dem Großmeister des
Aquarells. Rudolf Alt, ist ein Raum gewid-
met. Den Naturalismus der 2. Hälfte des 19.
Jahrhunderts vertritt ein Dokument von ein-
zigartiger Bedeutung für die Geschichte der
deutschen Malerei: ein Zeichnungenkonvolut
Karl Schuchs mit Entwürfen und Skizzen für
nahezu alle wichtigen Werke seines Lebens,
von den frühesten bis zu den spätesten. Der
frühverstorbene Schiele schließt die Reihe
der Oesterreicher. Das Andenken und die
Wahrung der Tradition Joseph Meders be-
kundet die Rückkehr eines Zyklus’ von
Federzeichnungen Wilhelm Busch’s und der
Entwürfe von Marees für die „Idylle“ und
das „Goldene Zeitalter“, die der Forscher
einst für die Sammlung erworben hatte, die
ihr nach dem Kriege aber wieder verloren
gegangen waren. Der Ausbau der Druck-
graphiksammlung wurde nicht vernachläs-
sigt. Das gesamte, sehr seltene radierte Werk
des Kärntner Barockmalers Fromiller wurde
in Probedrucken (wohl sein Werkstattnach-
laß) erworben, ferner Werke von Corinth,
Deveria, Grandville und eine Reihe seltener
Daumiers. Die Sammlung architektonischer
Handzeichnungen erfuhr willkommene Be-
reicherung durch die reizvollen Aquarell-
entwürfe des Franzosen Sevin für die Wiener
Cajetankapelle und die Risse van der Niills
und Siccardsburgs für die Oper.
Otto Benesch.
GALERIE SEILER
Gemälde alter Meister / Alte antike Teppiche / Gobelins
Berlin W 9, Bellevueslraße 13 Tel.: B 2. Lüizow 0562
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