6. OKTOBER 1955
IX. JAHRGANG, Nr. 59/40
NST
LMONDErfnAKß
ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DER REICHSKAMMER DER BILDENDEN KÜNSTE/FACHGRUPPE: KUNST- UND ANTIQUITÄTENHANDEL
Erscheint jeden Sonntag im We 1 tkuns t-Ver 1 ag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76 77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin»;
in den Monaten Juli bis September jeden zweiten Sonntag.
Bankkonto: Deutsche Bank u. Disconto-Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
Berlin W 62, Kurfürstenstr. n 5. Postscheckkonti: Berlin 118054; Den
Haag 145512; Paris 170014; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8r 59
früher:
Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B5 Barbarossa 7228
Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 3 5 Pfennige. Quartal für Deutschland inkl. Postzustellung
Mk. 4.50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mk. 5.50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk. 5.50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 3 5; Holland hfl. 3.25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder «frs. 7; Übersee $1.50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4 ;o
ÜJber die Anordnung
von Bildern in Museen
Ueber die Prinzipien des Hängens und
Anordnens von Gemälden fand anläßlich der
Ausstellung der Sammlungsbestände im Zü-
richer Kunsthaus, über die auch hier aus-
führlich berichtet wurde, in der Schweizer
Zeitschrift „Das Werk“ eine prinzipielle Aus-
einandersetzung zwischen dem Herausgeber
Peter Meyer und dem Leiter des Kunst-
hauses, Dr. Wartmann, statt. Der Kri-
tiker hatte sich gegen die auch bei dieser
Aufstellung zutage tretende „Pendant-Anord-
nung“ — das System der symmetrischen
Wandaufteilung, Haupt-bild in der Mitte flan-
kiert von kleineren Bildern — gewandt, die
er zwar in gewissen Fällen für möglich hält,
aber in ihr vielfach einen störenden Schema-
tismus sieht. Außerdem tritt der Architekt
Meyer gegen das „Vorurteil auf, daß stili-
stisch verwandte Bilder sich durch unmittel-
bares Zusammenhängen gegenseitig schwä-
chen“ müßten. „Eine Probe könnte zeigen,
daß sich verwandte Bilder im Gegenteil
potenzieren können.“
Direktor Wartmann erklärt in einer
Entgegnung, daß er der „axialen oder nicht
teppich-Decke (Leihgabe aus Amerika). Von
Pfälzischen Auswanderern in der 2. Generation 1826 in
f^nnsylvanien gestickt. — Bückeburger Truhe,
1718
B e r 1 i n, Muse u m für Deutsche Volkskunde'
(Phot. Museum)
aXialen Anordnung der Bilder zum voraus
weder Haß noch Liebe“ entgegenbringe. Er
stellt aber fest, „daß in den üblichen Aus-
stellungen mit den oft sehr verschieden-
artigen, dann wieder allzu gleichartigen Be-
il nd hierauf nun
die größeren
zusammenfügen
übersichtlichen.
ständen eine gewisse dekorative Gliederung
der sonst neutralen Räume durch bestimmte
Anordnung der Bilder wohltuend die Gefahr
der Langeweile von Güterzügen endlos sich
folgender Leinwände bannt“, und daß damit
für Ausstellungen das Prinzip einer axial-
symmetrischen Anordnung im oben gekenn-
zeichneten Sinne maßgeblich bleiben wird.
Für die Zwecke einer musealen An-
ordnung dagegen, wie sie im Züricher Kunst-
haus gesucht wurde, läßt dagegen Dir. Wart-
mann Symmetrie der Formate über die
ganze Wand durchaus nicht als Voraus-
setzung gelten. „Freilich sollen die Bilder
nicht haltlos auf der Wand schwimmen oder
ihre Aufeinanderfolge störend
ken. Erstrebt ist ein gewisses,
vom Format bedingtes,
Gleichgewicht für die
ein allgemeines,
Gleichgewicht nach optischem, gefühls-
mäßigem und inhaltlichem Gewicht der
Werke und der Meister für den Raum. Da-
bei ist nicht der architektonische Raum ge-
meint, sondern, wenn man so sagen kann,
der künstlerische, d. h. die Atmosphäre der
so oder so gruppierten Werke und Meister
als Gesamtheit. Der architektonische Raum
holprig wir-
nur teilweise
optisches
Wand und
schwebendes
wird nur benutzt, er
muß den Bildern und
Meistern dienen, nicht
umgekehrt.“ Ueber die
Zusammenstellung der
Werke einzelner Meister
im Museum vertritt Dr.
Wartmann die Ansicht:
„Die einzelnen Meister
in sich binden zur
Kenntlichmachung als
Persönlichkeit, als solche
sie deutlich trennen
von ihren verwandten
und verschiedenen Nach-
barn,
wieder
Teile
zur
künstlerisch aufschluß-
reichen Ordnung im Ge-
samtbild der Sammlung:
das ist wohl die Auf-
gabe bei jeder Darbie-
tung eines Museums von
einem bestimmten . . .
Gehalt.“
Deutsche Bauernkunst
Zur Sonder-Ausstellung des
Volkskunde-Museums in Berlin
Die Ausstellung „Deutsche Bauernkunst“,
mit der das „Staatliche Museum für deutsche
Volkskunde“ am 1. Oktober im Schloß Belle-
vue in Berlin seine Pforten wieder geöffnet
hat (vgl. „Weltkunst“, Nr. 37/38), gibt will-
kommenen Anlaß, in der „Weltkunst“ einige
grundsätzliche Ausführungen zu diesem
Thema zu geben.
Noch bis vor kurzem ist deutsche Bauern-
kunst von unserer Kunstforschung geflissent-
lich übersehen worden. Es ist jedenfalls
recht bezeichnend, daß unsere Volkskunst
bislang in den deutschen Kunstgeschichts-
werken überhaupt kaum eine ernsthafte wis-
senschaftliche Behandlung oder gar Würdi-
gung gefunden hat und selbst auf unseren
Hochschulen bis heute noch kein besonderer
Lehrstuhl hierfür vorhanden ist. — Der tie-
fere Grund für diese unbegreifliche Tatsache
der Nichtachtung und völligen Verkennung
unserer eigenen Volkskunst — insbesondere
der bäuerlichen Kunst ■— durch die Fach-
wissenschaft muß wohl vor allem in der bis-
herigen Einstellung der zünftigen Kunsthisto-
riker und ihrer vollkommen einseitigen Be-
wertung der Kunst unter dem Entwicklungs-
gesichtspunkt, den wir heute ablehnen, ge-
sucht und gefunden werden. Und eben des-
wegen, weil die Bauernkunst als Erbgut, das
bis auf die germanische Frühzeit zurück-
reicht, von Generation zu Generation ständig
weitergegeben wurde und abseits der Mode
und Stilformen stand, mußte sie ganz zwangs-
läufig von dieser Seite her lediglich als „ge-
sunkenes Kulturgut“ betrachtet werden und
vorübergegangen ist, da
sie ja in diesen ur¬
sprünglichen Sinnbil¬
dern gar nicht mehr
den Bildsinn, sondern
nur einen leeren, un-
beholfenen Zierrat von
Analphabeten zu er-
blicken vermochte. Es fehlte ihr einfach der
gefühlsmäßige Zugang zu dieser für sie frem-
den Welt einer völkischen Gemeinschafts-
kultur, die sich nun einmal nicht mit der
sonst üblichen kunstwissenschaftlichen Me-
thodik und Formal-Aesthetik erfassen ließ.
Mit der Erschließung unserer frühge-
schichtlichen germanischen Kultur durch die
deutsche Vorgeschichtsforschung wuchs all-
mählich die Erkenntnis, daß diese wunder-
bare Ornamentik bereits seit Jahrtausenden
im germanisch besiedelten Europa lebendig
war und in unserer Bauernkunst noch bis in
die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinein
lebendig blieb. — Es bedurfte jedoch erst
wieder ejnes neuen Sehens, das uns die Ein-
sichten geben kann, die uns zu sicheren Wer-
tungen verhelfen.
*
Die gegenwärtige Sonder - Ausstellung
,,D e u t s c h e Bauernkunst“ im Schloß
Bellevue gibt zum ersten Male in Deutsch-
land ein höchst anschauliches und inhaltlich
klares Bild unserer bäuerlichen Volkskultur
und zeigt deutlich, wie sie über weite Zeit-
räume hin in ihrem Brauchtum eine stetige
1767
(Phot. Museum)
und arteigene Erblinie eingehalten und das
Kulturgut unserer germanischen Vorfahren
getreulich bewahrt hat.
Wir müssen uns leider hier darauf be-
schränken, nur einen kurzen Ueberblick über
diese lebendige Schausammlung zu werfen,
die auf den Besucher geradezu wie eine neue
Offenbarung wirkt: Sie beginnt mit der ger-
manischen Handwerkskultur um 1500 v. Chr.
und zeigt zunächst Trachten, Schmuck und
Hausgerät unserer bäuerlichen Ahnen der
Bronze- und Eisenzeit in naturgetreuen Nach-
bildungen, die vom Direktor des Industrie-
Museums in Neumünster, Schlabow, nach
den Grabfunden von Oelby, Borum Eshoi
und Muldbjerg geschaffen worden sind. Es
sind älteste Zeugnisse germanischer Bauern-
kunst, die uns vor Augen führen, was für
eine hochentwickelte Weberei und Kleidung
unsere Urahnen bereits vor 3500 Jahren ge-
habt haben. Sinngemäß folgt hierauf bäuer-
liche Handweberei des 19. Jahrhunderts und
weibliche Textilkunst, an die sich wiederum
eine erlesene Sammlung ostpreußischer
Bauernteppiche anschließt, die hier von Mu-
seumsdirektor Professor Dr. H a h m zum
ersten Mal zusammengefaßt sind. Vor allem
Geschnitzte und bemalte Anrichte aus Ostfriesland.
Berlin, MuseumfürDeutscheVolkskunde
konnte infolgedessen höchstens als „primiti-
ves“ Formgut — wie etwa das der Neger und
Südseeinsulaner — bewertet werden. Hinzu
kommt noch, daß bei einer solchen vorge-
faßten Einstellung die Kunstgeschichte na-
turgemäß auch an der eigenartigen Orna-
mentwelt und den typischen Schmuckformen
unserer Bauernkunst völlig verständnislos
Antike Rahmen
PAUL TIECKE
Restaurierungen aller Art
Rahmen-Kopien
Berlin W62, LUtzowplatz 11
Tel.: Kurfürst Bl 1762
L. BERNHEIMER
MÜNCHEN LENBACHPL. 3
ANTIQUITÄTEN:
MÖBEL / KUNSTGEWERBE / KAMINE / OFEN
TAPISSERIEN / TEPPICHE / STOFFE / STICKEREIEN
OSTASIATISCHE KUNST / VERTÄFELUNGEN etc.
IX. JAHRGANG, Nr. 59/40
NST
LMONDErfnAKß
ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST / BUCH / ALLE SAMMELGEBIETE UND IHREN MARKT
OFFIZIELLES ORGAN DER REICHSKAMMER DER BILDENDEN KÜNSTE/FACHGRUPPE: KUNST- UND ANTIQUITÄTENHANDEL
Erscheint jeden Sonntag im We 1 tkuns t-Ver 1 ag, G. m. b. H.,
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76 77. Telegramm-Adresse: «Weltkunst Berlin»;
in den Monaten Juli bis September jeden zweiten Sonntag.
Bankkonto: Deutsche Bank u. Disconto-Gesellschaft, Depositen - Kasse M,
Berlin W 62, Kurfürstenstr. n 5. Postscheckkonti: Berlin 118054; Den
Haag 145512; Paris 170014; Prag 59283; Wien 114783; Zürich 8r 59
früher:
Redaktion, Verlag und Lesesaal:
Berlin W62, Kurfürstenstr. 76-77 • Tel. B5 Barbarossa 7228
Man abonniert beim Verlag, bei der Post oder bei den Buchhändlern.
Einzel-Nummer 3 5 Pfennige. Quartal für Deutschland inkl. Postzustellung
Mk. 4.50; Lieferung durch den Verlag im Umschlag Mk. 5.50; für das
Ausland (nur im Umschlag) Mk. 5.50; oder: Tschechoslowakei Kc 45; Frank-
reich und Belgien fr. Frs. 3 5; Holland hfl. 3.25; Schweiz und die nicht ange-
führten Länder «frs. 7; Übersee $1.50; Sammelmappen pro Jahrgang Mk. 4 ;o
ÜJber die Anordnung
von Bildern in Museen
Ueber die Prinzipien des Hängens und
Anordnens von Gemälden fand anläßlich der
Ausstellung der Sammlungsbestände im Zü-
richer Kunsthaus, über die auch hier aus-
führlich berichtet wurde, in der Schweizer
Zeitschrift „Das Werk“ eine prinzipielle Aus-
einandersetzung zwischen dem Herausgeber
Peter Meyer und dem Leiter des Kunst-
hauses, Dr. Wartmann, statt. Der Kri-
tiker hatte sich gegen die auch bei dieser
Aufstellung zutage tretende „Pendant-Anord-
nung“ — das System der symmetrischen
Wandaufteilung, Haupt-bild in der Mitte flan-
kiert von kleineren Bildern — gewandt, die
er zwar in gewissen Fällen für möglich hält,
aber in ihr vielfach einen störenden Schema-
tismus sieht. Außerdem tritt der Architekt
Meyer gegen das „Vorurteil auf, daß stili-
stisch verwandte Bilder sich durch unmittel-
bares Zusammenhängen gegenseitig schwä-
chen“ müßten. „Eine Probe könnte zeigen,
daß sich verwandte Bilder im Gegenteil
potenzieren können.“
Direktor Wartmann erklärt in einer
Entgegnung, daß er der „axialen oder nicht
teppich-Decke (Leihgabe aus Amerika). Von
Pfälzischen Auswanderern in der 2. Generation 1826 in
f^nnsylvanien gestickt. — Bückeburger Truhe,
1718
B e r 1 i n, Muse u m für Deutsche Volkskunde'
(Phot. Museum)
aXialen Anordnung der Bilder zum voraus
weder Haß noch Liebe“ entgegenbringe. Er
stellt aber fest, „daß in den üblichen Aus-
stellungen mit den oft sehr verschieden-
artigen, dann wieder allzu gleichartigen Be-
il nd hierauf nun
die größeren
zusammenfügen
übersichtlichen.
ständen eine gewisse dekorative Gliederung
der sonst neutralen Räume durch bestimmte
Anordnung der Bilder wohltuend die Gefahr
der Langeweile von Güterzügen endlos sich
folgender Leinwände bannt“, und daß damit
für Ausstellungen das Prinzip einer axial-
symmetrischen Anordnung im oben gekenn-
zeichneten Sinne maßgeblich bleiben wird.
Für die Zwecke einer musealen An-
ordnung dagegen, wie sie im Züricher Kunst-
haus gesucht wurde, läßt dagegen Dir. Wart-
mann Symmetrie der Formate über die
ganze Wand durchaus nicht als Voraus-
setzung gelten. „Freilich sollen die Bilder
nicht haltlos auf der Wand schwimmen oder
ihre Aufeinanderfolge störend
ken. Erstrebt ist ein gewisses,
vom Format bedingtes,
Gleichgewicht für die
ein allgemeines,
Gleichgewicht nach optischem, gefühls-
mäßigem und inhaltlichem Gewicht der
Werke und der Meister für den Raum. Da-
bei ist nicht der architektonische Raum ge-
meint, sondern, wenn man so sagen kann,
der künstlerische, d. h. die Atmosphäre der
so oder so gruppierten Werke und Meister
als Gesamtheit. Der architektonische Raum
holprig wir-
nur teilweise
optisches
Wand und
schwebendes
wird nur benutzt, er
muß den Bildern und
Meistern dienen, nicht
umgekehrt.“ Ueber die
Zusammenstellung der
Werke einzelner Meister
im Museum vertritt Dr.
Wartmann die Ansicht:
„Die einzelnen Meister
in sich binden zur
Kenntlichmachung als
Persönlichkeit, als solche
sie deutlich trennen
von ihren verwandten
und verschiedenen Nach-
barn,
wieder
Teile
zur
künstlerisch aufschluß-
reichen Ordnung im Ge-
samtbild der Sammlung:
das ist wohl die Auf-
gabe bei jeder Darbie-
tung eines Museums von
einem bestimmten . . .
Gehalt.“
Deutsche Bauernkunst
Zur Sonder-Ausstellung des
Volkskunde-Museums in Berlin
Die Ausstellung „Deutsche Bauernkunst“,
mit der das „Staatliche Museum für deutsche
Volkskunde“ am 1. Oktober im Schloß Belle-
vue in Berlin seine Pforten wieder geöffnet
hat (vgl. „Weltkunst“, Nr. 37/38), gibt will-
kommenen Anlaß, in der „Weltkunst“ einige
grundsätzliche Ausführungen zu diesem
Thema zu geben.
Noch bis vor kurzem ist deutsche Bauern-
kunst von unserer Kunstforschung geflissent-
lich übersehen worden. Es ist jedenfalls
recht bezeichnend, daß unsere Volkskunst
bislang in den deutschen Kunstgeschichts-
werken überhaupt kaum eine ernsthafte wis-
senschaftliche Behandlung oder gar Würdi-
gung gefunden hat und selbst auf unseren
Hochschulen bis heute noch kein besonderer
Lehrstuhl hierfür vorhanden ist. — Der tie-
fere Grund für diese unbegreifliche Tatsache
der Nichtachtung und völligen Verkennung
unserer eigenen Volkskunst — insbesondere
der bäuerlichen Kunst ■— durch die Fach-
wissenschaft muß wohl vor allem in der bis-
herigen Einstellung der zünftigen Kunsthisto-
riker und ihrer vollkommen einseitigen Be-
wertung der Kunst unter dem Entwicklungs-
gesichtspunkt, den wir heute ablehnen, ge-
sucht und gefunden werden. Und eben des-
wegen, weil die Bauernkunst als Erbgut, das
bis auf die germanische Frühzeit zurück-
reicht, von Generation zu Generation ständig
weitergegeben wurde und abseits der Mode
und Stilformen stand, mußte sie ganz zwangs-
läufig von dieser Seite her lediglich als „ge-
sunkenes Kulturgut“ betrachtet werden und
vorübergegangen ist, da
sie ja in diesen ur¬
sprünglichen Sinnbil¬
dern gar nicht mehr
den Bildsinn, sondern
nur einen leeren, un-
beholfenen Zierrat von
Analphabeten zu er-
blicken vermochte. Es fehlte ihr einfach der
gefühlsmäßige Zugang zu dieser für sie frem-
den Welt einer völkischen Gemeinschafts-
kultur, die sich nun einmal nicht mit der
sonst üblichen kunstwissenschaftlichen Me-
thodik und Formal-Aesthetik erfassen ließ.
Mit der Erschließung unserer frühge-
schichtlichen germanischen Kultur durch die
deutsche Vorgeschichtsforschung wuchs all-
mählich die Erkenntnis, daß diese wunder-
bare Ornamentik bereits seit Jahrtausenden
im germanisch besiedelten Europa lebendig
war und in unserer Bauernkunst noch bis in
die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinein
lebendig blieb. — Es bedurfte jedoch erst
wieder ejnes neuen Sehens, das uns die Ein-
sichten geben kann, die uns zu sicheren Wer-
tungen verhelfen.
*
Die gegenwärtige Sonder - Ausstellung
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Bellevue gibt zum ersten Male in Deutsch-
land ein höchst anschauliches und inhaltlich
klares Bild unserer bäuerlichen Volkskultur
und zeigt deutlich, wie sie über weite Zeit-
räume hin in ihrem Brauchtum eine stetige
1767
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Kulturgut unserer germanischen Vorfahren
getreulich bewahrt hat.
Wir müssen uns leider hier darauf be-
schränken, nur einen kurzen Ueberblick über
diese lebendige Schausammlung zu werfen,
die auf den Besucher geradezu wie eine neue
Offenbarung wirkt: Sie beginnt mit der ger-
manischen Handwerkskultur um 1500 v. Chr.
und zeigt zunächst Trachten, Schmuck und
Hausgerät unserer bäuerlichen Ahnen der
Bronze- und Eisenzeit in naturgetreuen Nach-
bildungen, die vom Direktor des Industrie-
Museums in Neumünster, Schlabow, nach
den Grabfunden von Oelby, Borum Eshoi
und Muldbjerg geschaffen worden sind. Es
sind älteste Zeugnisse germanischer Bauern-
kunst, die uns vor Augen führen, was für
eine hochentwickelte Weberei und Kleidung
unsere Urahnen bereits vor 3500 Jahren ge-
habt haben. Sinngemäß folgt hierauf bäuer-
liche Handweberei des 19. Jahrhunderts und
weibliche Textilkunst, an die sich wiederum
eine erlesene Sammlung ostpreußischer
Bauernteppiche anschließt, die hier von Mu-
seumsdirektor Professor Dr. H a h m zum
ersten Mal zusammengefaßt sind. Vor allem
Geschnitzte und bemalte Anrichte aus Ostfriesland.
Berlin, MuseumfürDeutscheVolkskunde
konnte infolgedessen höchstens als „primiti-
ves“ Formgut — wie etwa das der Neger und
Südseeinsulaner — bewertet werden. Hinzu
kommt noch, daß bei einer solchen vorge-
faßten Einstellung die Kunstgeschichte na-
turgemäß auch an der eigenartigen Orna-
mentwelt und den typischen Schmuckformen
unserer Bauernkunst völlig verständnislos
Antike Rahmen
PAUL TIECKE
Restaurierungen aller Art
Rahmen-Kopien
Berlin W62, LUtzowplatz 11
Tel.: Kurfürst Bl 1762
L. BERNHEIMER
MÜNCHEN LENBACHPL. 3
ANTIQUITÄTEN:
MÖBEL / KUNSTGEWERBE / KAMINE / OFEN
TAPISSERIEN / TEPPICHE / STOFFE / STICKEREIEN
OSTASIATISCHE KUNST / VERTÄFELUNGEN etc.