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DIE W E L T K U N S T

Jahrg. IX, Nr. 5 vom 20. Januar

Eine künstlerische Neuentdeckung:
Georges de la Tour

Die große Ausstellung der französischen
Maler der Wirklichkeit des XVII. Jahrhun-
derts, die bereits ausführlich an dieser Stelle
(Nr. 49, 1934) besprochen wurde, hat einen
großen Künstler aus der Vergessenheit ans
Licht gebracht: Georges de la Tour, von
dessen Persönlichkeit wir fast nichts wissen
und dessen Werke in den entlegensten Pro-
vinzmuseen und Privatsammlungen unter
verschiedenen Namen versteckt waren.


Georges de la Tour, Hlg. Hieronymus
Stockholm, Nationalmuseum
Ausstellung: Paris, Orangerie

Ein knappes Dutzend Bilder sind ihm bis
jetzt zugeschrieben. Davon tragen drei
Werke seine Signatur und nur ein einziges
ist datiert. Diese allzuspärlichen zuverläs-
sigen Quellen genügen noch nicht, eine ge-
naue Abfolge seiner künstlerischen Entwick-
lung zu konstruieren. Doch eine noch viel
größere Schwierigkeit stellt sich einer Chro-
nologie seines Schaffens entgegen: Georges
de La Tour hat gleichzeitig in zwei verschie-
denen Manieren gearbeitet, Bilder in Tages-
licht und solche mit Nachteffekten. Seine
Nachtbilder zeigen eine verhältnismäßig ein-
fache und eindeutige Entwicklung und eine
ganz persönliche Note, die ihn schon zu Leb-
zeiten berühmt gemacht und ihm 1646 den
Titel „peintre ordinaire du Roi“ eingebracht
hat. Die Tageslichtbilder sind von seinen
„Tenebrosi“ so sehr verschieden, daß man sie
kaum der gleichen Hand zuschreiben möchte.
Nur ein signiertes Tagbild, die „Falschspie-


Große Schweizer Wappenscheibe (Allianzwappen)
aus dem Jahre 1568, Katalog 2085, Nr. 112,
aus der Versteigerung vom 30. u. 31. Januar bei dem
Kunst-Auktions-Haus Rudolf Lepke Berlin

ler“ der Sammlung Landrey, Paris, bildet
eine Brücke zwischen den beiden Manieren.
Diese Tagbilder vermissen einen einheit-
lichen Stil, entbehren jeder persönlichen
Note und geben uns Aufschluß über die ver-
schiedensten Einflüsse, die der Meister auf
seinen Reisen und in Luneville empfangen
haben muß.

Georges de La Tour ist vor 1600 geboren,
denn 1621 wird er anläßlich seiner Heirat mit
Diane Le Nerf bereits als Meister bezeichnet.
Seit seiner Heirat bis zu seinem Tode 1652
scheint La Tour in Luneville seßhaft zu sein.
Fast jedes Jahr kehrt sein Name wieder in
den Akten und Rechnungsbüchern der Stadt.
Nur von 1636 bis 1644 besteht eine Lücke;
vielleicht ging er mit seinem Gönner, dem
Herzog von Lothringen in die Niederlande
ins Exil.
Die Tatsache, daß das Bild des hl. Seba-
stian im Kaiser-Friedrich-Museum, Berlin, in
Belgien gefunden wurde, könnte diese Ver-
mutung bestärken. Während dieses Aufent-
haltes hatte er sich den starken Einflüssen
von Terbruggen und Honthorst nicht ent-
ziehen können. Doch wird er bereits ihre
Werke in Italien studiert und vielleicht so-
gar dort in ihren Ateliers gearbeitet haben.
Denn zwischen 1610 und 1620 begaben sich
fast alle lothringischen Künstler, wie
Beilange, Callot, Deruet, Jean Le Clerc und
Claude Lorrain unter den Schutz der Me-
diceer, die mit den Herzögen von Loth-
ringen durch politische und verwandschaft-
liche Beziehungen verbunden waren. Alle
Künstler, deren Werke das Schaffen de La
Tours beeinflußt haben, waren zu dieser Zeit
in Rom.
Im Jahre 1646 übersandte Georges de La
t our Ludwig XIII. ein Bild von seiner Hand,
das den hl. Sebastian in einer nächtlichen
Scene schildert. „Dieses Werk war von einer
solchen Vollkommenheit, daß der König alle
anderen Bilder aus seinem Zimmer entfernen
ließ, um nur dies Eine zu lassen.“
Trotz seiner Berühmtheit zu Lebzeiten
wurde Georges de La Tour bald völlig ver-
gessen. Die offizielle Hofkunst von Ver-
sailles siegte über die provinziellen Schulen
und fand bald allgemeine Anerkennung. So
wußte bald niemand mehr etwas von de La
Tour.
Erst dem Konservator des Kaiser-Fried-
rich-Museums, Dr. Herrmann Voß, ist es ge-
lungen, die spärlichen Dokumente über de La
Tour mit einigen seiner Werke in Zusam-
menhang zu bringen. Zum ersten Mal sind
jetzt ein Dutzend Bilder unter dem Namen
de La Tours in der Pariser Ausstellung ver-
einigt. Zwei dieser Bilder, ein „Hieronysmus
in der Zelle“ und „Raufende Musikanten“
scheiden von vorneherein als eigenhändige
Werke aus. 7 Nacht- und 5 Tagbilder stellen
den Beschauer vor die große Frage, hier eine
einheitliche Handschrift zu erkennen. In
seinen Nachtbildern ist de La Tour unzweifel-
haft ein ganz großer Künstler. Dabei ist er
niemals steril, entwickelt sich ständig und
findet einen ganz persönlichen, nur ihm
eigenen Stil. Er malt meist religiöse Themen,
die äußerlich alle Attribute der Heiligen ver-
missen lassen, die ganz als Genremalerei auf-
gefaßt, aber von einer tiefen Religiosität er-
füllt sind.
Die Entdeckung der Werke Georges de
La Tours bedeutet mehr als nur eine Ver-
größerung des kunstgeschichtlichen Ma-
terials. Sie wirft ein neues iLcht auf eine
Epoche, die uns bisher nur durch ihre
höfisch-akademische Kunst bekannt war.
Jetzt wissen wir, daß auch damals abseits
von Etikette und Tradition ein reines Men-
schentum voll ursprünglicher künstlerischer
Gestaltungskraft am Merke gewesen ist.
Dr. Fritz Neu gaß (Paris)

Ausstellungen
Mi Mamburg
Die Kunsthandlung Commeterin Ham-
burg hat z. Zt. eine kleine Ausstellung von
Gemälden holländischer Meister des 17. Jahr-
hunderts in ihren Räumen veranstaltet, die
wegen ihrer guten Qualitäten besonderes
Interesse verdient. An erster Stelle stehen
ein „Bildnis eines jungen Gelehrten“ von
Nicolaus Maes — ein „Wirtshausinterieur“
von Hendrik Sorgh — „Halt der Reiter vor
dem Wirtshaus“ von Philipp Wouverman und
eine prachtvoll gemalte „Landschaft“ von
A. J. van Croos. Ferner sind noch erwäh-
nenswert Werke von van Diest, v. d. Aelst,
Brouwer, Craesbeeck, Bega, Weenix, Die-
praam.
Von den ausgestellten Künstlern des
19. Jahrhunderts sind hervorzuheben Thoma.
Pissarro, Claude Monet, Munch, Paula
Becker-Modersohn, einige Plastiken und eine
Sammlung Zeichnungen von Ernst Barlach.
In den Oberlichtsälen der Kunsthandlung

Galerie Haberstock
BERLIN W BELLEVUESTRASSE 15
SUCHT ZU KAUFEN
MEISTERWERKE DER MALEREI
vom 15. bis einschließlich 19. Jahrhundert

werden Kollektionen von Gemälden, Aqua-
rellen und Zeichnungen der jüngeren ham-
burgischen Maler Fritz Kronenberg und Kurt
Löwengard gezeigt.
Mi Möln
Dem Kölnischen K u n stverein ist
es gelungen, eine große Nolde-Ausstellung zu-

menstellungen, in denen meist eine gew’’^
Empfindsamkeit mitschwingt. Diese ist a11
für die schumrigen Bildniszeichnungen ' >
A. Reu ss bezeichnend. Nennen wir 110 1
die Landschaften der Steirer Aduatz 1111
P o i n t n e r . die ein starkes expressives 1
lent bekunden, so hätten wir das Wichtige
der ansprechenden Schau vermerkt. St. P'

sammenzubringen. Und
es war nicht leicht, diese
umfangreiche Schau von
schöner Geschlossenheit,
die einen breiten Blick
auf das Werk und einen
tiefen Einblick in das
Schaffen des siebenund-
sechzigjährigen, aber
noch immer mit jugend-
licher Kraft und unge-
schwächter Inbru nst wir-
kenden Meisters nach
Köln zu bekommen. Um-
so größer ist die Freude
an dieser gewichtigen
Begegnung. Am stärk-
sten und reinsten spra-
chen die Blumen und
Landschaften zum Be-
trachter. Nolde ist ein
sinnender und zugleich
impulsiver Beschwörer
der Farben. Aus Dnn-


Aert van der Neer, Winterlandschaft mit Kolfspielern, monogrammiei1'
Ausgestellt in der Kunsthandlung Delius Giese, Berlin W 62, Schillstr. 8.

kelheiten blühen sie ur¬
mächtig auf. Sie sind
herausgeschleuderter
Ausdruck seiner inneren
Naturerlebnisse, seiner rdgeborenen Empfin-
dungen und mächtigen Gefühle, Widerschein
tiefer Erregungen und deutende Schau. Er
erweckt und erlöst die Wirklichkeit in sei-
nen Bildern zu einem neuen, brennenden
Leben von gewalttätiger Schönheit. Er zielt
auf die Erfassung des Wesenhaften der Land-
schaften der nördlichen Niederung. Wellen
und Wolken reiten wie geheimnisvolle Heere
mit leuchtend weißen Stirnen kühn in den
Raum. Nolde erlebt in seinen dunkel-drohen-
den und glühenden, leuchtend aufbrechenden
Farben im Herzen der Natur ihr mächtiges
Geschehen in seiner ganzen Unmittelbarkeit.

Mi Stochum
Am 13. Januar eröffnetet« die Städtisch*
Gemäldegalerie in Bochum eine Au?
Stellung zweier Maler aus dem rheinisch'
westfälischen Industriebezirk, des geborene11
Wuppertalers Werner Berg, Berlin, der 111
Untergeschoß Gemälde und Holzschnitt*
zeigt, und des Gelsenkirchuer Herma11’’
Peters, der im Obergeschoß neben eigene’’
Werken Gemälde, Aquarelle und ZeichniU1'
gen von etlichen seiner Schüler, darunte’
eine Kollektion von Tedd Derichs. Düsseh
dorf. zur Schau stellt.

Georges de la Tour, Die hlg. Irene beweint den heiligen
Sebastian
Berlin, Kaiser-Friedrich-Museum
Ausstellung: Paris, Orangerie


Tn den Bildern erfahren wir die männ-
liche Hingabe seines Herzens an die Welt
und ihre geheimen, wunderübenden und
furchtbaren Mächte. Nolde arbeitet langsam
und gibt sich in seinen Bildern ganz aus.
Nolde bewahrt die Unbedingtheit der deut-
schen Kunst. K. H. B.

Mi <Wien
Die Graphikausstellung des Hagenbundes
in Wien ist diesmal den Manen Leopold
Gottliebs gewidmet, des feinsinnigen pol-
nischen Künstlers, dessen Kompositionen von
einem wunderbaren Rhythmus, von einer
eigenen Melodik der Gestalt erfüllt sind.
Wieder bezwingt die Anmut und sensible
Farbigkeit von Georg M e r k 1. Frieda Sal-
ve n d y ist in ihren Landschaften von äußer-
ster formaler und farbiger Prägnanz. Unter
Bayer-Märtons Aquarellen fällt die
stimmungsvolle, kompositionell überaus
interessante Landschaft von Szigliget auf.
Lerch, Gunsam, Pregartbauer, Wachtl bevor-
zugen sorgsam ausgewogene Farbenzusam-

Jluktions-Torschau
Berlin, 28.-29. Januaf’
Bei der Firma Adolf Herold findet eil1*
Kunstversteigerung statt, in der u. a. ein*
Sammlung deutscher «Gläser des 17. uu**
18. Jahrh. zum Ausgebot gelangt. Es handel’
sich um geschnittene und gravierte, Zwischen'
gold- und Emaille-Stücke. Da qualitätsvoll*
deutsche Gläser wenig auf den Markt ge'
langen, ist es erfreulich, daß die Firma m1’
dieser Veranstaltung ihr Niveau heben kau11'
Berlin, 30.-31. Januar
Rudolph L e p k e ’ s Kunst-AuC'
t i o n s - H a u s, Berlin W 35, veranstalt*'!
eine 1 ersteigerung von Antiquitäten un**
Gemälden alter und neuerer Meister.
Aus zwei Berliner Privatsammlunge'1
kommen eine Reihe von guten Antiquitäte”
zum Ausgebot. Erwähnenswert sind d)*
Schweizer Wappenscheiben (s. Abb.), d’1
Kleinplastik in Buchs und Marmor (s. Abb- '
einige gute gotische und Renaissance-Möb*’
sowie einige Holzfiguren aus der Zeit 111,1
1500, die weit über den Durchschnitt hi®'
ausgehen. In der gleichen Versteigerung
werden auch eine Anzahl Gemälde alter 11,11
neuerer Meister ausgeboten: von den ärste'
ren sind einige Bilder von Sorgh, BrekeleU'
kam etc. bemerkenswert, bei den letzter«11
einige von Lovis Corinth.
Der illustrierte Katalog 2085 ist durch
Rud. Lepke zu beziehen.
München, 29.-30. Januar-
Die erste Versteigerung der Gaier ie
Hugo Helbing des Jahres 1935 umfaßt i”
ihrem ersten Teil Gemälde des 19. u. 20. Jahrh-
und im zweiten Teil Altertümer, alte Ge'
mälde etc. Bei den Gemälden neuerer Meister
sind vor allem drei Spitzweg’s hervorzU'
heben. „Das Tiroler Mauthaus“ mit den1
trefflich charakterisierten Finanzer. „di«
Sommeridylle” — eine Landschaft die alleS
auf weist, was man von Spitz weg verlange11
kann -— dann „der willkommene Besuch -
hier ist Spitzweg zu den Romantikern über'
getreten. Dann folgen zwei Gemälde von A11'
selm Feuerbach „Bildnis einer jungen Dame <
ferner die freie Wiedergabe des Bildes vo11
Giorgion-e im Louvre „Le concert chauJ'
petre“ ein Werk von jubilierendem Colord-
Weiterhin finden wir Werke von: Heinrich
Bürkel, W. von Diez, Anton Seitz, K. Hage'
meister, C. Jutz, C. Kronberger, A. vo”
Keller. F. von Lenbach, A. Lier. E. Schleid1-
E. Schmitz, Schnars-Alquist, G. Schönleber-

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