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Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1865 (Nr. 1-39)

DOI Kapitel:
No. 31 - No. 35 (2. November 1865 - 30. November 1865)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44609#0263
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des



ationa l -DsrsiN s.

Herausgegebrn ini Auftrage Les Vereins-Ausschusses.

33.

Frankfurt a. M., den 16. November.

1865.

Inhalt:
Wochenbericht. — Aus Preußen. — Aus Wien. I. — Beiträge zur Be-
leuchtung der Zugriffe und Uebcrgriffe der ultramontanen Partei. —
An der Mainlinie. — Offener Brief an Herrn Rechtskonsulent Pfeiffer
ill Stuttgart — Miltheilungen aus dem Nationalvercin. — Anzeigen.

Wochenbericht.
Frankfurt, 14. November.
* Mit den Beschlüssen der Generalversammlung des Na-
tionalvereins hat Niemand Ursache zufrieden zu sein, als Hr.
v. Bismarck — dies Stiebwort unserer Gegner von der Farbe
der „Neuen Frankfurter Zeitung" mag ganz witzig sein, aber
cs wird, zum Unglück für seine Erfinder, von Hrn. v. Bis-
marck selbst Lügen gestraft. Kaum in Berlin wieder angckom-
men, schickt der preußische Ministerpräsident durch sein Leib-
organ dem Nationalverein einen Absagebrief, dessen Ton und
Inhalt außer allen Zweifel setzt, daß Hr. v. Bismarck mit
dem Nationalvercin allermindestens eben so unzufrieden ist,
wie dessen Widersacher von der „äußersten Linken". Die be-
rüchtigte Berliner „Provinzial-Correspondenz" sagt, und die
sämmtlicheu ministeriellen Blätter wiederholen im Chor: „Die
Ziele des Nationalvereins sind niemals die Ziele Preußens
gewesen: die Führung Deutschlands, wie sie der Nationalver-
ein versteht, hat Preußen jeder Zeit von sich abgewiesen, weil
dabei der Untergang Preußens die Voraussetzung ist. Der
Nationalvercin will allerdings einen deutschen Bundesstaat
mit Preußen. au der Spitze, aber nur auf Grundlage einer
rein demokratischen deutschen Neichsversassung. Wenn Preußen
auf diese Bedingungen hin die sogenannte Führung Deutsch-
lands übernehmen wollte, so müßte es zuvörderst die Grund-
lagen seiner ganzen bisherigen Machtstellung, vor Allem sein
kräftiges Königthnm und alle die Einrichtungen, auf welchen
die glorreiche Entwickelung unseres Landes beruht, unter den
Willen eines deutschen Ncichsparlaments beugen. — Preußen
müßte aufhörcn, Preußen zu sein u. s. w."
Das Alles ist nun der Hauptsache nach vollkommen rich-
tig und ein Zeugniß von unwiderstehlicher Beweiskraft gegen
alle die unehrlichen oder einfältigen Beschuldigungen, welche
dem Nationalvercin zur Last legen, daß er Deutschland an
das Preußenthum mit seinen Königen von Gottes Gnaden
und seinen Junkern ausliefern wolle. Bei ehrlichen und ver-
ständigen Leuten freilich hat der Nationalverein solcher Zeug-
nisse niemals bedurft, da seine, sogar von der Berliner „Pro-
vinzial-Correspondenz" richtig begriffene Politik, von jeher
offen zu Tage lag, und jede seiner Handlungen und Aeuße-
rungen in vollkommener Übereinstimmung mit den sich daraus
ergebenden Aufgaben stand. — Indem wir aber der von dem
ministeriellen Berliner Blatt gegebenen Umschreibung der Na-
tionalvercinspolitik über Bausch und Bogen zustimmcn, müssen
wir doch, Gewissens halber, einigen Vorbehalt hinzufügen.

So ist es eine augenfällige Uebcrtreibung, wenn die „Pro-
vinzial Corrcspondenz" die Reichsverfassung eine „rein demo-
kratische" nennt; so ist es eine plumpe Verwechselung der Be-
griffe, wenn das Berliner Blatt als ein „kräftiges" König-
thum nur das absolutistische von Gottes Gnaden gelten
lassen will.
Die Frankfurter Generalversammlung muß für unsere
Gegner von der Rechten und der Linken als Vorwand Her-
Halten, den Nationalverein zum hundertsten Mal todt zu sagen,
und für begraben zu erklären. Mit angeblichen Witzworten
und mit vermeinten Vernunftschlüssen, mit Spott und mit
Pathos, in Prosa und in Versen, wird dem Nationalvercin
nachgewiesen, daß er durch seine letzten Beschlüsse Hand an
sich selbst gelegt, sich schließlich zu Grunde gerichtet, sich un-
möglich gemacht habe, und zugleich werden seine Verhandlungen
im Saalbau dergestalt auf der kritischen Hechel verarbeitet,
daß nichts davon übrig bleibt, als Spreu und Sonnenstäub-
chen. — Sonderbar, daß diese auf das Nichts des National-
vereins gerichteten Beweisführungen nunmehr schon in die
dritte Woche währen, ohne daß die gegnerische Presse der un-
dankbaren Mühe überdrüssig wird. Warum denn so lange auf
einen Leichnam schlagen, warum ein solcher Aufwand von
geistreichen Redensarten zur Verhöhnung eines Feindes, der
ja, wie die Herren versichern, das boshafteste aller Pasquille
auf sich selber gemacht hat? Armselige Komödie! Das Wahre
an der Sache ist, daß der Nationalverein heute ist, was er
feit secks Jahren gewesen, die eigentliche Esse, in welcher die
deutsche Volkspolitik ihre Waffen schmiedet und von welcher
aus die belebenden Funken durch das ganze deutsche Land
stieben. Die Umstände freilich, unter denen der Nationalverein
arbeitet, haben sich in den letzten drei Jahren mehr und mehr
ungünstig gestellt und seine Aussichten für die nächste Zu-
kunft find so schlecht wie möglich. Wenn dadurch eine Anzahl
schwacher Köpfe und schwacher Charaktere veranlaßt worden
ist, sich von dem Nationalverein loszusagen, oder gar die
Fahne, die sie noch unlängst in eignen Händen emporgetragen,
mit Staub zu bewerfen, so geschieht damit nur, was jede
Sache, deren Erfolg auf sich warten läßt, früher oder später
von dem matthcrzigen und gesinnungslosen Theile ihres An-
hangs, beziehungsweise von dem Pöbel desselben, zu gewärtigen
hat. — Bemerkenswert!) ist übrigens, daß die Vcrdammungs-
urtheile über den Nationalvercin von geradezu entgegengesetzten
Entscheidungsgründen ausgehen. Von der einen Seite bricht
man den Stab über den Verein, weil er nicht zu Hrn. v.
Bismarck und der Annexionspolitik schwört, von der andern
Seite wird es für ein todeswürdiges Verbrechen erklärt,
daß der Verein nicht dem preußischen Staate selbst den Hand-
schuh zuwirft. Wenn es nun feine Richtigkeit hat, daß
diese beiden Meinnngscxtreme, wie im deutschen Volke, so
auch innerhalb des Nationalvercins vorhanden sind, so er-
gibt sich bei unbefangener Auffassung die Nothwendigkeit der
Vermittlung, vom Standpunkte der Vereinspolitik, ganz von
 
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