Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Nationalverein [Hrsg.]
Wochen-Blatt des National-Vereins — 1865 (Nr. 1-39)

DOI Kapitel:
No. 31 - No. 35 (2. November 1865 - 30. November 1865)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44609#0280
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
274

einer, gleichviel ob persönlichen oder politischen, Freundschaft
gediehen sein, wenn sich der eine Theil mit öffentlicher Scha-
denfreude an den Geldverlegenheiten des andern weidet. Dieses
Ucbelwollcn gegen die österreichischen Finanzen wird Hrn. v.
Bismarck in Wien vermuthlich schwerer eingerechnet werden,
als aller politische Haß, welchen er gegen den Kaiscrstaat je-
weils ausgelassen.
Auf den österreichischen Provinziallandtagcn sind bereits
in den ersten Sitzungen die schroffsten Gegensätze der An-
sichten und Interessen hervorgetreten. Wahrend die eine Hälfte
derselben dem Staatsstreiche, durch welchen die österreichische
Gesammivcrfassung außer Kraft gesetzt ist, eine fast unerwartet
lebhafte Opposition macht, findet die andere Hälfte darin nur
Anlaß zu Beifall und Dank; die Landtage sind centralistisch
oder föderalistisch, je nachdem das Deutschthum oder das
Llaveuthum in ihnen überwiegt. Hätte nun Ungarn wirklich
den Ausschlag zu gcbcu, so wäre die Auflösung des habs-
burgischen Kaiserstaats in eine Anzahl größerer und kleinerer
Lander zu erwarten, welche kaum durch ein anderes Band zu-
sammengehaltcn würden, als den gemeinschaftlichen Fürsten.
Da aber ein solcher Zustand nur als der Uebcrgang zum
völligen Zerfall angesehen werden könnte, so wird er sicher-
lich nicht cintreten, so lange das Haus Habsburg über ein
Heer von so und so viel hunderttausend Mann zu gebieten
hat, das heißt, so lange es an den europäischen Börsen so
viel Credit findet, als nöthig ist, um seinen Heerbestand zu
erhalten.

Ans Preußen, 26. November. Die Krcuzzcitung, die
in allen auf die Allianz mit Oesterreich sich beziehenden Din-
gen das ciaentlichc offiziöse Organ ist, schimpft so wüthcnd
auf den Senat der „Halbsouveränen" freien Stadt Frank-
furt, „der unter dem Terrorismus einer unverschämten De-
magogie steht", der sich, trotz der „ehr- und straflosen" Sprache
der dortigen Presse gegen den König von Preußen und seine
Negierung, „wie sie nur nnter entarteten Verbrechern vorzu-
kommen pflegt", und trotz seiner eigenen strafbaren Fahr-
lässigkeit gegen die „bald offen, bald versteckt" gegen Preußen
wühlenden „centralisirtcn politischen Vereine mit ihren leiten-
den Ausschüssen und Comi^'s" (als da sind Abgeordneten-
tag, National-, Schützen- und Turn Verein), dennoch in seinen
identischen Noten an die deutschen Großmächte vom 20. Oc-
tober „auf seine gesetzliche Haltung zu berufen wagt": daß
Leute, welche mit den Schlaugenwindungen der Taktik dieses
tonangebenden Blattes der feudalen Partei vertraut sind, eine
baldige Verständigung mit Oesterreich in der Drohnotcn-
Au gelegen heil, nach dessen Verlangen auf bundcs-
mäßigem Wege, bestimmt Vorhersagen. Sollen die beiden
deutschen Großmächte am Bundestage beantragen, den Frank-
furter Senat zu Maßregeln aufzufordcrn, welche „im In-
teresse der Buudcswürde Vorgängen, wie beim Abgcord-
nctcutagc, vorzubeugcn geeignet find," oder sollen sic die Ini-
tiative zu einem neuen Bundes - Vcrcinsgcsetze ergreifen, wel-
ches alle Bundesstaaten, sie selbst mit eiugescklosseu, zu der-
gleichen „Maßregeln" verpflichtet: — das sollen die Alter-
nativen sein, über welche noch zwischen ihnen verhandelt wird.
Auf dem Boden der Unfreiheit findet jedes dieser beiden
„Grafenkabinette" stets bei dem anderen das sinnigste Ver-
ständuiß und das freundlichste Entgegenkommen, und die Ei-
nigung wird diesmal um so weniger Schwierigkeiten darbie-
ten, als wir ja aus der „Prov.-Corr." wissen, daß die ge-
genwärtige preußische Negierung an Haß gegen den National-
verein durchaus nicht gegen die österreichische zurücksteht. —
Nur auf die schleswig holsteinische Frage will sich dieses
herzliche Einvernehmen noch immer nicht ausdehnen, obwohl
eifrig daran gearbeitet wird. Nach der Rückkehr der Königin-
Witiwe von der Zusammenkunft mit der Erzherzogin Sophie
in Dresden, soll der preußische Gesandte von Wien nach Ber-
lin berufen sein, um dort neue mündliche Jnstrnknonen zu
empfangen. Unterdessen fährt der General Mauteuffel fort,
auf seine Weise um die Sympathien des schleswig'scheu Vol-

kes kür die preußische Negierung zu werben. Der k. k. Statt-
halter v. Gablenz mag seinen Stolz darin setzen, „daß
Niemand ihm nachsageu solle, er habe das Land rechtlos wie
ein türkischer Pascha verwaltet". Der k. preußische Gouver-
neur v. Manteu sfel scheint das für eine jugendliche Schwär-
merei zu halten. Bald läßt er durch seinen bereitwilligen Hand-
langer v. Zedlitz die Vereine auflösen und die „schllchtgesinn-
teu" holsteinischen Zeitungen verbieten, „um keine Schwäche zu
verratheu", oder um den die Einberufung der Landesvertre-
tuug verhindernden „Terrorismus" zu brechen, da eine „frei-
gewählte" Laudesvertretuug, deren Einberufung nach seiner
Versicherung das Organ Bismarcks hcrbeigesehnt, ja leider
völlig unmöglich ist, so lange das Volk nicht von dem Eide
entbunden wird, den es „im ersten Taumel" dem Fürsten
seiner Wahl geleistet hat, und den es nun aus Vorurtheib
oder Eiseusinn nicht brechen will. Für den Gouverneur, der
solche in Preußen selbst gegen ausländische Zeitungeu
itur nach richterlicher Verurtheilung gestatteten Maßregeln
ohne Bedenken in Schleswig verhängt, scheint es selbstver-
ständlich zu sein, daß das zu gewiunende Land sich in einer
Art von Belagerungszustand befindet, und in dieser Rück-
sicht wurzelt vielleicht seine Neigung für die Zusammen-
gehörigkeit der Herzogthümer. Daun wieder veröffentlicht
er voll stolzer Autorfreude seine Briefe an den Herzog, heute
in fadenscheiniger Ironie witzelnd, wie die Kreuzzeitung, mor-
gen, nach kühl abweisender Antwort, grob und gereizt, wie ein
in seiner persönlicher Eitelkeit verletzter Junker. Oder er brmgt
bei seinen Diners vor abhängigen Gästen ungezählte schwung-
volle Toaste aus, wegen deren Veröffentlichung er nachher"
sogar die zweifelsohne bestgesinnte Zeitung des Landes kon-
fisziren lassen muß, entweder wegen eines außer der Saison
„horstenden Adlers", oder wegen der stereotypen „7 Fuß
Erde", oder wegen der unvorsichtigen Bctheucrung, „sick nie-
mals wieder aus Sonderburg vertreiben zu lassen". Diese
Konfiskation der „Nordd. Ztg." ist dem tapferen General,
der in seiner nur durch 56jähriges Schweigen erklärlichen
Redseligkeit sogar den Toast auf die Armee, statt der anwe-
senden Führer derselben auf dem Schlachtfelde beantwortete,
„weil er trotz seines noch „ungeprüften Nervensystems" der
Inhaber des ältesten Patents sei", gewiß hart angckommen.
Aber unmöglich konnte Bismarck sich und die „große Ac-
tion" durch die säbclrassclnde Annexions-Bcthcuerungeu des
heißblütigen Cabinets-Gencrals compromittiren lassen, nachdem
Rußland, dem er sich nach dem, gleichviel ans welchen Ursa-
chen, gescheiterten Geschäft mit dem Kaiser Napoleon, durch
eine der bekannten „offenen Thüren", wieder genähert hat, bereits
ohne Umstände wieder von der Personalunion der Her-
zogthümer mit Dänemark reden soll! Die „zünftigen"
Staatsmänner unterscheiden sich auch hier sehr wesentlich von
den Laien in der Politik, die einen solchen Vorschlag, nach
Allem, was geschehen ist, unzweifelhaft als eine freche Belei-
digung Deutschlands behandeln würden. Sonst hätten sie es
gewiß' zu verhindern gewußt, daß dem russischen Gouverneur
von Polen, dem Grafen Berg, der schwarze Adler-Orden
verliehen wäre. Freilich ist dieser Orden so ziemlich auf das
Niveau der übrigen hcrabgesticgen, seit Verdienste, wie sic
die M antcuffel und ihre Genossen durch ihre Thatcu, uud
beliebige Standcsherreu durch ihre Geburt, um das Vater-
land sich erwarben, durch ihn gekennzeichnet wurden; aber es
gehört dock eine tiefe innere Sympathie dazu, um der öffent-
lichen Meinung, der civillsirten Welt zum Trotz, einen russi-
schen Satrapen) wegen seiner Verdienste um die Ausrottung
einer Nation, mit dem höchsten Preußischen Orden zu beloh-
nen. Jetzt fehlt nur noch die Dekoriruug seines Mitwirkers
und Mithcnkers Murawiew! — '
Mit der „großen Action" steht cs augenblicklich offen-
bar sehr schlecht. Die fendalc Partei, welche bereits der viel-
verhöhnten Politik der „freien Hand" die der „offenen Thü-
rcn" fubstitnirt hat, befindet sich augenscheinlich in großer
Verlegenheit, da die österreichischen Staatsmänner au die wun-
derliche Einbildung oder Vorspiegelung der Kreuzzeitung, daß
das „Deutschthum", bei einer auf die Magyaren gestützten
 
Annotationen