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Zeitschrift des Badischen Kunstgewerbevereins zu Karlsruhe — 4.1888

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Heiden, Max: Aus der Spitzensammlung des Kunstgewerbemuseums zu Berlin, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4087#0099

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86

tu§ bei- ©pujenfammlung be? ÄunftgeroerBemufeutnS 511 Berlin.

bie gange Strt unb Sßeife ber Arbeit, erinnert
übrigen? an jene perfifdjen SDeddjen be§ 17. unb
18. Sjflfyi'fyunbertS — man begeidmet fte ol§
Soranbeden ober ©cfjleier —, metdje in afjn-
lidjer Sedjnif, alfo burd) '3Iu§fd)netben unb
9tu§giefjen be§ 2einengrunbe§ burd)brodjen unb
in gelblicf) meiner Seibe geftidt finb. ©§ er-
fctjeint baljer bie grage berechtigt, ob man nidjt
biefe Sedmif fdjon in früherer $eit im Orient
geübt i)abe, unb fie burd) Stauen oom Orient gut
roeiteren fünfiterifdjen Stuäbilbung übernommen
morben fei.

%lad) 3JJbme. S. S£)e?pierre§ „Histoire du
point d'Alencon" (Paris 1886) finb fdjon gegen
@nbe be§ 16. 5af)ri)unbert§ points coupes in
Ültencon ncufjgenfymt morben, unb bie SBeifpiete,
„bid au§gefd)nittene üDrobet", im Sibmad)er-
fdjen SRufterbudje bon 1597 beröeifen, ba§ ju
berfetben $eit biefe Spi|e aud) in SDeutfdjtanb
befannt mar.

gerner ift burd) eine Spitje in ber 93er-
tiner Sammlung, roetdje einen 3)oppetab(er
geigt, fidjergeftettt, baß aud) in Spanien point
coupe gearbeitet mürbe.

Punto reticella (mörttid) 9cetsfpi£e) ift nur
mit ber 9cabet im Snopffodjftid) gearbeitet, Ijat
jeboct) im SRufter biete© mit bem point coupö
gemein. ©§ ift eine meiter au?gebitbete Spitze
genannter 2trt unb berrät fogar in ber erften
Seit nodj ben Urfprung ber s2tu§gietjfpi£e.
§ierau§ erltärt fid) beim aud), bafj in 9Jcufter-
büdjern ein unb biefetben SDeffin? einmal unter
bem Sftamen coupö, ba§ anbere SKat al§ reti-
cella oorfommen. S8efonber§ reigbott geftattet
fid) ber punto reticella burd) bie bieten picots
an ben llmranbungen ber Sterne unb ßcicEeu.

©egen (Snbe be§ 16. Iya(jri)unbert§ un*>
befonberS im 17. .berliert fid) aud) tjier bie
Strenge in ber 3eid)nung, unb felbft menfd)-
lid)e giguren, Söget unb SBfumen, mie foId)e
bie SCbbitbung 9cr. 7 (S. 10) im erften Seit
biefe§ 9luffa(5e§ geigt, tomtnen barin bor.

Sa§ fdjönfte Seifpiel, ma§ un§ in biefer
9trt borgelegen fjat, befifct baZ berliner S'unft«
gemerbemufeum in einer 120 : 180 cm großen
Serfe, meld)e au§ 11 x 7 quabratifdjen gelbern,
abmed)fetnb in point coupö unb punto reticella
mit Ijerrlidjen Sternmuftern ac gefüllt unb bon
einer tjaubbreiten Sorte umgeben ift.

®ie britte Spijje, meld)er mir neben bem
point coupe unb bem punto reticella in 3)tuftcr-
büdjern begegnen, ift punto in aria (b. i.

Spi^e in ber Suft). Sie geigt, bafs bie Spi£em-
mufter unb mit ifjnenbieSEecrmif gegen (Snbe beö
16. SatF^unbertS eine fdmette ©ntmidelung
nahmen.

SKan mod)te mot)t batb empfinben, mie
unbequem ba§ mit ber |}eit reid)er merbenbe
SDcufter bem quabratifd)en 9ce£grunbe eingu-
paffen mar, unb näfjte batjer ba§fetbe nad) ber
3eid)nung unmittelbar auf Pergament au§.
2>amit aber bie einzelnen Seite nadjljer nid)t
au§einanberfielen, mürben fte unter fid) unb an
ben bie gange Spifce umgebenben 9tänbern
burd) gäben berbunben. So entftanben bie
brides, metdje im 17. unb 18. Safjrtjunbert,
nad)bem fie meiter auSgebilbet maren, fo be-
geidjnenb mürben für geroiffe Strien bon Spigen.

SDurd) biefen gortfd)ritt tjatte man nun
atterbingS gur Entfaltung be§ SRufter§ einen
biet meiteren Spielraum gemonnen. Unb bie
atten punti in aria geigen benn aud), meld)
reidje unb mannigfaltige gormen fid) ofyne
meitereS auf biefe§ ©ebiet übertrugen, gteidj
benjenigen ber übrigen Steintünfte ber 9te-
naiffance. @teid)toie in berfetben Qeit bie auf
Seinen mit farbiger Seibe gefticften itatienifdjen
^>anbtud)= unb ©edenborten giertidjeS, mettig
gelegte? 9tantenmerf mit nad) oben unb unten
anSbiegenben 33tatt= unb SBtumengmeigen geigen
unb beren Qaden, in tambrequinartigen gönnen
au§gefdmitten, eingelne Sternblumen unbgrüd)te
füllen, gerabe fo reid) unb bietfeitig ift ber
punto in aria gemuftert; iebod) mit bem Un-
terfdjiebe, baß tjier alie§ eine? ©runbe§ ent-
betjvt unb „in ber Suft" fdjroebt.

Tlan ijat für bie 2trt bon Spieen, roeldje
nid)t im Sce^grunb gearbeitet finb, ben Scamen
guipure, unb aud) punto m aria mirb ()ciuftg
fo genannt; bod) ift bamit eine fpätere Slrt
be§felben gemeint, nämlid) jene, in roetdjer
ba§ SRufter fernerer, gufammenb^ängenber unb
bor attem au§ einem genätjten Sanbftreifen
gebitbet ift. (SSergl. Der. 9.) <S§ mirb übrigens
groedmägig fein, bei biefem fogenannten fpäten
punto in aria einen Stugenbtid gu bermeilen.
9cad) bem 9camen fann punto in aria
eine gang generelle Segetdjnung fein für eine
im 16. unb 17. Safjrljunbert genähte Spi|e
ot)ne 9?eggrunb, unb man mürbe tjiernad) fid)er-
tid) §unberte bon Spieen fo begeid)nen tonnen,
menn biefe Benennung auereidjeub meire. @nt-
fdjeibenb finb f)ier bie gragen nad) Ort unb
Seit.
 
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