Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0042

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
57

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST - Nr. 2.

58

erscheint. Besonders empfehle ich dem Herrn
Graus eine im VII. Bande enthaltene Abhandlung:
»Esthäique de Savonarola* und damit in Ver-
bindung, weit dringender noch, das von der
französischen Akademie gekrönte Buch von
F. T. Perrens: ȧrome Savonarola, d'apres
les documents originaux et avec des püces justi-
fuahves, en gründe partie incditcs<i (2. ed., Paris
1856 Hachette), ein Buch, welches nicht blos
m Frankreich, sondern auch in England und in
Italien rühmendste Anerkennung gefunden hat.
Herr Graus (»Ueber eine Kunstanschauung«,
S.17) meint, mit dem, „was Savonarola predigte,
sei es doch sicherlich nicht so ernst zu nehmen,
in Anbetracht des Charakters dieses Mannes, der
sich m der schwülstigen Form von Inspirationen
und m mafslosen Uebertreibungen der Zeitübel,
bis zum Bruche mit Rom, gefallen" habe. In
der lhat aber ist, abgesehen von dem Ueber-
eifer Savonarola's als Politiker, welcher sein
tragisches Ende herbeigeführt hat, das Predigen
desselben gegen die zu seiner Zeit herrschend
gewesene Verderbnifs in vollstem Ernste zu
nehmen. Nach Perrens (a. a. O. S. 24) waren
m Florenz, wie in Rom, die Charaktere tief
gesunken, die Tugend war dem Laster gewichen-
nach ihm entwerfen alle Geschichtsschreiber
ein abstofsendes Bild von der in dieser Epoche
herrschenden Sittenlosigkeit. (La vilU desfleurs
Utmtfaüe ä Hmage de Home; les caracteres
s ttaient abaisses, la vertu avail fait plaee au
vice. Taus les historiens fönt de Fimmoralite
Z CeU\ 'P°qUe un iable™ repoussanl.) Die
Begründung dieses Ausspruchs im Laufe des

lafst für jeden Unbefangenen schwerlich etwa
zu wünschen übrig Wie vnn r>

ung. wie von Perrens, so wird

auch von Jungmann in seiner Aesthetik (IL S 69^
Savonarola . e h r ernst genommen; PhiUppj

Nen verehrte ihn wie einen Heiligen. Eines
besonderen Nachweises, dafs im grofsen Ganzen
auch m Italien, wie überall zu allen Zeiten,
der Geist und das Leben des Volkes in dessen
Kunstschöpfungen und dem herrschenden Ge-

et «S1f abSpiegdt' bedarf es wohl •**

e st. Schwerlich wird Herr Graus sich durch

die gegen ihn vorgeführten Autoren für ge-
schlagenhalten; er wird dieselben eben nicht als
Autoritäten gelten lassen. Es darf aber wohl
wenigstens die Hoffnung gehegt werden, dafs er
fernerhin an ihnen seinen Drang zum Kampf
für die Renaissance befriedigt, nicht an den

„modernen Gothikern", deren Streben dahin
geht, jene grofse, edle Kunst unserer Vorfahren,
insbesondere ihre Architektur, welche während
Jahrhunderte im ganzen christlichen Abend-
lande, dem deutschen Namen zum Ruhme, ge-
herrscht hat, wieder zu Ehren zu bringen, mög-
lichst gereinigt von den sie verfälschenden,
fremdartigen Bestandteilen.

Herr Graus sagt uns, er sei nicht weniger
als vierzehnmal nach Italien gereist. Gewifs
hat er da sehr viele bemerkenswerthe Kunst-
werke in Augenschein genommen. Beim Be-
sehen solcher Werke kommt es aber wesentlich
auf den Standpunkt des Sehenden an, sowie
darauf, wie es hinter den Augen desselben be-
stellt ist. Der Unterzeichnete hat das gedachte
Land nur zweimal besucht. Insbesondere wäh-
rend meines ersten, achtmonatlichen Aufenthaltes
daselbst unterliefs auch ich es nicht, den Kunst-
schöpfungen, darunter den hervorragenden Wie-
dergeburts-Erzeugnissen, möglichste Aufmerk-
samkeit zuzuwenden. In der Beurtheilung letz-
terer gehen wir, Herr Graus und ich, weit aus
einander, hauptsächlich wohl, weil wir dieselben
unter voneinander sehr abweichenden Gesichts-
punkten betrachtet haben. Ich darf dem Herrn
nicht, zum Zwecke eines kontradiktorischen Ver-
ständigungsversuchs, eine fünfzehnte Reise in's
Land der Citrone zumuthen, da ich meinerseits
mich zu einer dritten dorthin nicht aufgelegt
finde. Statt dessen sei ein anderer Vorschlag
gestattet. Derselbe geht dahin, dafs Herr Graus
mittelst einer Reise durch Deutschland sich
davon näher unterrichten möge, in welcher Art
die Renaissance auf das Kunstleben und dessen
Hervorbringungen bei uns zu Lande eingewirkt
hat. Dazu scheint ihm sein so oftmaliges Wandern
über die Alpen nicht zureichende Zeit gelassen
zu haben; anderen Falles hätte er unmöglich
sich so, wie geschehen, über die bezügliche Dar-
stellung Janssen's äufsern können. Vielleicht
wird er sich des demselben zugefügten Unrechts
schon bewufst, wenn er nur bei Besichtigung
der alten Kirchen sich deren Zustand zur Zeit
des Eindringens der Renaissance in Deutsch-
land vergegenwärtigt. Er findet dann, wie zu-
folge dieses Eindringens die im Bau begriffen
gewesenen ins Stocken geriethen, als ob eine
Art Mehlthau ihr Fortwachsen gehemmt hätte,
wie eine grofse Zahl der anderen Kirchen durch
Verstümmelungen und modische Zuthaten ent-
stellt wurde, ihre alten Altäre, Lettner und
 
Annotationen