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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0173

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299

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

300

Schmiedeeisernes Kircheneeräth.

Mit Abbildung.

|er hierneben abgebildete Gegenstand,
welcher Anlafs zu einer Besprechung
der zur Kirchen-Ausstattung ver-
wendeten Kunstschmiede - Arbeiten
giebt, gehört dem städtischen historischen Mu-
seum zu Frankfurt an und entstammt der Kirche
zu Oberndorf am Main. Als Schmiedearbeit
von hervorragender Schönheit, fesselt er be-
sonders durch das sinnige Motiv seiner Kom-
position: eine der weifsen Seerose ähnliche
Blume, als Kerzenträger gestaltet, entwächst
einem mit zwei geöffneten Blüthen und einer
Knospe besetzten Lilienstengel. Letzterer ruht
freischwebend auf einem Kranz von fünf Lilien-
blättern, die in graziöser Weise umgebogen, an
ihren Spitzen vermittelst kleiner Rosen auf
einem Eisenring befestigt sind. Zwischen je
zwei Blättern entspriefst aus einer gleichen Rose
eine Blume; wir glauben, in den naturalistisch
wiedergegebenen Blüthen diejenigen unserer
Frühlingsblumen: des Krokus, der Narzisse etc.
zu erkennen. Der poetische Gedanke, der hier
mit einem liebenswürdigen Naturalismus zum
Ausdruck kommt: die Lilie in einem mit Früh-
lingsblumen geschmückten Rosenhag — läfst
kaum eine andere Deutung als auf den Marien-
dienst zu. Wir hätten also den schmiede-
eisernen Altarleuchter eines Marienaltars und
damit ein Kirchengeräth vor uns, das zu den
allerseltensten gerechnet werden dürfte. Dafs
man ihm schon bei seiner Entstehung einen
gröfseren Werth beilegte, beweist der auf der
Unterseite des Kranzes eingeschlagene Stempel,
der links unten abgebildet ist: in einem oben
halbkreisförmig abgeschlossenen vertieften Felde
ein Kreuz, daneben die Buchstaben C und T.
Das ganze Geräth ist mit Blattgold vergoldet;
Spuren von Bemalung konnten nicht aufgefunden
werden. Die Zeit seiner Entstehung ist bei dem
Fehlen jeder Ornamentform nicht ganz leicht zu
bestimmen. Gerade die schlichte Natürlichkeit
der Pflanzenmotive, die Straffheit der Linien und
das Fehlen jeder schnörkelhaften Zuthat läfst
es nicht unmöglich erscheinen, dafs wir es mit
einer frühen Arbeit der Renaissance, etwa aus
dem Beginn des XVI. Jahrh., zu thun haben.

Schmiedeeiserne Altarleuchter sind aufser
diesem Beispiel wenig bekannt; ein weiteres
Stück, von gleicher Herkunft wie das unserige,

nämlich aus Unterfranken, bildet Hefner-Alten-
eck, im ersten Bande seiner »Eisenwerke« ab.
Es mufs dies seltene Vorkommen um so auffal-
lender erscheinen, als die kunstvolle Schmiede-
arbeit im Uebrigen in der Kirche durchaus hei-
misch war. Eine Klassifizirung der Materialien
in edle und unedle, wie sie unserer Anschau-
ung wohl nahe liegt, trat in der kirchlichen
Kunst zurück gegenüber dem Werthe, welchen
die kunstvolle Bearbeitung dem Gegenstande
verlieh. Nur in frühester Zeit finden wir Spu-
ren einer Ausscheidung minderwerthiger Stoffe
als zum Altardienst unwürdig, in der Bestim-
mung Papst Leo's IV. (847—855), dafs Mefs-
kelche nicht aus Holz oder Glas gemacht wer-
den durften. Im Uebrigen fand gerade das
Schmiedeeisen eine ausgedehnte Verwendung
zum Schmuck und zur Ausstattung der Kirche.
Heute ist ja die Pflege dieses überaus dank-
baren Materials allerorten zu neuer Blüthe
erwacht, nachdem sie jahrzehntelang über der
Gufseisen-Herrlichkeit fast in Vergessenheit ge-
rathen war. Namentlich in unserem Hausgeräth
findet das Schmiedeeisen wieder eine so aus-
gedehnte, manchmal fast übertriebene Anwen-
dung, dafs ein kurzes Eingehen auf die Gebiete,
welche es früher in der kirchl. Kunst einnahm,
wohl auf allgemeines Interesse rechnen kann.

Die mehr in das Gebiet der Architektur
gehörige Verwendung der Kunstschmiede-Ar-
beiten zu Beschlägen und Aehnlichem kann
dabei nur im Vorbeigehen berührt werden. Fast
unerschöpflich ist die Fülle herrlichster Eisen-
ornamente, die sich über Kirchen- und Sakri-
steithüren, den Verschlufs von Sakramentshäus-
chen und den Beschlag von Opferstöcken ver-
breiten. Von den frühesten romanischen Bei-
spielen durch jene herrlichsten Leistungen des
Schmiedehammers, welche die Thüren von Notre
Dame in Paris aufweisen, bis zu den reichen
und phantasievollen Thürbändern der Barock-
zeit, haben uns gerade die Kirchen die aller-
vollkommensten Vorbilder für Beschläge und
Schlösser jeder Art erhalten. Nicht minder
sind die Kirchen die ergiebigsten Fundstätten
für Gitterwerke jeder Art, namentlich solcher,
die als Chor- und Kapellenabschlüsse dienen:
es sei nur an die monumentalen Eisenarbeiten
im Dome von Lucca und in Or san Michele
 
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