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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0071

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1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

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dann in irgend einer Weise farbig zu dekoriren.
Die erstere Art mochte sich in vieler Beziehung
empfehlen. Der Wechsel von rothen oder gar
farbig (dunkelgrün, braun, gelb, schwarz) glasirten
Steinen und mörtelfarbigen Fugen belebte in
angenehmer Weise die Wand- und Pfeilerflächen.
Nimmt man noch hinzu die verputzten Mauer-
blenden zwischen den Fenstern, die verputzten
und oft mit Pflanzen- oder Figurenornament ge-
schmückten, oder aber mit glasirten bezw. ein
Pflanzenornament oder Figuren darstellenden
Plättchen ausgelegten Friese unterhalb der Fen-
ster und der Decke, so war gewifs die Mono-
tonie gröfserer Wandflächen, wie sie der Back-
steinbau wegen der beschränkten Breite der
Fenster mit sich brachte, überwunden und die
ästhetische Wirkung eine befriedigende. Es
sprach aber gegen diese Dekorationsweise die
Nothwendigkeit, ein sehr glattes Baumaterial,
welches in jener Zeit selten, zu wählen und den
Fugenverband mit gröfster Sorgfalt herzustellen.
Beachtete man dies nicht, so war der Eindruck
einer gewissen Rohheit kaum zu vermeiden.
Dagegen war man bei der Dekoration verputzter
Flächen viel freier und konnte den Sinn für
Farbenreichthum und Bilderschmuck ungehin-
derter walten lassen.

Beide Dekorationsarten lassen sich in den
Kuchen des Nordostens nachweisen. Die herr-
liche St. Katharinakirche zu Brandenburg i. d.M.
zeigte in ihrem Innern den Rohbau, wahrschein-
lich auch die Pfarrkirche zu Braunsberg. In letz-
terer fand man bei einer Restauration im Jahre
1859 einen unter den Fenstern umlaufenden ver-
putzten, geW1fs auch einst ornamentirten Fries.

Die weitaus meisten Kirchen waren in ihrem
Innern mit Kalkmörtel verputzt, dann aber auch
wohl ausnahmslos mit farbigen Ornamenten und
Bildern reich dekorirt, wie denn auch bei den
neuerlichen Restaurationen in sehr vielen Kirchen
des Nordostens Wand-, Pfeiler- und Decken-
malerei zu Tage getreten sind. Es sei hier
verwiesen auf meinen Aufsatz: »Die mittelalter-
liche Kunst im Ordenslande Preufsen« (Görres-
Veremsschrift 1887, S. 80-82). Die Wände der
zwar nur kleinen, aber sehr sorgfältig behan-
delten Küche des Dorfes Arnau bei Königsberg
bergen unter der Tünche einen ganzen fort-
laufenden Cyklus von bildlichen Darstellungen,
nach einigen sichtbar gewordenen Stücken zu
urtheilen, wahrscheinlich eine ganze Biblia Pau-
perum mit mehr als dreifsig Bildern. In solcher

oder ähnlicher Weise dürften sehr viele Land-
kirchen mit Bildern geschmückt gewesen sein.
Die schon unter der Herrschaft des neuen Ge-
schmackes verfafsten ermländischen Visitations-
berichte aus dem Anfange des XVII. Jahrh.
(1609, 1622/23) heben es öfter an den Land-
kirchen tadelnd hervor, dafs die Wände mit
Bildern bemalt seien, allerdings „utcunque" oder
„rudis Minervae" — was indefs noch keines-
wegs für ihren Unwerth spricht —, und fordern
Entfernung und Ersetzung derselben durch eine
weifse Kalktünche.

Mochten die Kirchen in Rohbau oder in
Kalkverputz behandelt sein, die das Kapital
ersetzenden Friese der Pfeiler waren stets mit
Mörtel überzogen, ebenso die Kappen der Ge-
wölbe, zugleich aber auch farbig dekorirt, sei
es mit Pflanzenornament (Thorn), sei es mit
geometrischen Figuren, wie in der Schlofskapelle
zu Heilsberg. Die Prunksäle des Heilsberger
Schlosses bieten zugleich das Beispiel einer spät-
mittelalterlichen (1500) teppichartigen Bemalung
des ganzen Gewölbes. (Vgl. obige Schrift S. 82.)
Wenn selbst die verputzten Blenden am Aeufsern
der Kirchen durch aufsteigende Linien und Mafs-
werk (in der Weise eines gothischen Fensters)
und andere geometrische Figuren verziert waren,
wie dies die Kirche von Arnsdorf im Erm-
lande beweist, so darf man ein Gleiches auch
für die Wandnischen und Blenden im Innern
der Kirchen annehmen.

Dafs die Fenster der Kirchen, wenigstens der
Kathedralen und gröfseren Stadtkirchen, mit Glas-
malereien geschmückt waren, darf man dreist be-
haupten, wenn sich auch heute nur wenige Spuren
nachweisen lassen. (Vgl. obige Schrift S. 85.)

Die Entwickelung, welche das Benefizien-
wesen in dem auslaufenden Mittelalter nahm,
machte eine grofse Zahl von Altären nothwen-
dig. Denn die Erektion eines Benefiziums war
meistens auch mit der Errichtung eines Altares
verbunden. Zudem hatten die einzelnen Ge-
werke und Bruderschaften ihre eigenen Altäre,
welche sie baulich zu unterhalten, mit den er-
forderlichen Utensilien zu versehen, zu beleuch-
ten und zu „bekleiden" hatten. So finden wir
denn gegen Ende des Mittelalters nicht nur alle
Pfeiler, selbst die Chorpfeiler, sondern auch die
Seitenwände, selbst die Räume unter dem Thurm
und wo immer sich ein geeigneter Platz darbot,
mit Altären reich besetzt. So gab es in der
Marienkirche zu Danzig aufser dem Hochaltar
 
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