113
1890.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 4.
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ganzen Gottesdienstes der Heiland, aber nicht
als Lehrer inmitten seiner Apostel, auch nicht als
künftiger Weltenrichter, sondern als der „durch
sein Kreuz und Leiden die Welt Erlösende" vor-
gehalten. Verweilte man doch gerade im Mittel-
alter bei diesem Gedanken so gerne.
In der Mitte der Kirche hing vom Gewölbe
oder der flachen Decke herab ein grofser Leuch-
ter, in gröfseren Kirchen deren wohl auch zwei
bis drei, aber zumeist nicht in Form der Krön-,
sondern der Bügelleuchter, welche ein Madon-
nenbild (öfter Doppelbild) einschlössen. Schöne
Exemplare solcher Leuchter sieht man noch
heute in der Marienkirche zu Ranzig, in Brauns-
berg und in Wormditt. Bei einer Kirche des
Ermlandes finden sich auch kostbare gestickte
Vorhänge für den Hauptleuchter erwähnt. Sehr
beliebt waren, zumal für kleinere Kapellen, die
aus Hirschgeweih angefertigten Leuchter. Auch
Armleuchter aus Eisen oder Bronze, oblonge
Lichthalter mit mehreren Spitzen (apices, acu-
mina) begegnen häufig an Wänden und Altären.
Die Weihwasser- oder Sprengsteine waren
in den allermeisten Kirchen aus Granitstein ge-
arbeitet, kelchartig in runder oder polygoner
Form. Ebenso die Taufsteine, darin ein zinner-
nes, ehernes oder kupfernes Becken mit eben-
solchem Deckel und „cum operculo pensili lig-
neo acuminalo et affabrepicto". In Dorfkirchen
waren die Baptisterien vielfach aus Holz. Der
werthvollste mittelalterliche „Taufstein" im Nord-
osten ist zweifellos der in der Nikolaikirche
zu Elbing, ein Messinggufs, laut Inschrift von
Meister Bernhuser aus dem lahre 1387
Die Sitz- und Kniebänke für die Gläu-
bigen haben wir uns nur einfach zu denken-
reicher behandelt waren die Kirchensitze vor-
nehmer Geschlechter, die Stühle der Raths-
herren, Priester, Kirchenväter. Beispiele kann
man noch in mehreren Kirchen Danzigs sehen
Die Dom- und Klosterkirchen hatten natür-
bch auch ihre Cho rs t ü hl e, in gothischem oder
auch Uebergangsstil kunstvoll geschnitzt. Trüm-
mer haben sich noch erhalten in der Domkirche
*u *™*nburg, der Marienkirche zu Thorn, in
Braunsberg aus der ehemaligen Franziskaner-
Kirche, im Dom zu Königsberg, in den Kirchen
Danzigs. Ausgezeichnet sind die Chorstühle im
Pelplmer Dom (Uebergangsstil
Eine sehr schöne mittelalterliche Kanzel
besitzt die Trinitatiskirche zu Danzig. Beicht-
stühle gothischen Stiles gab es, wie bekannt,
nicht. Von mittelalterlichen Orgelgehäusen
hat sich im Nordosten nichts erhalten, ebenso-
wenig von Chorbrüstungen.
Noch eine Eigenthümlichkeit der mittel-
alterlichen Kirchen möge hier erwähnt werden.
Wie nämlich jeder Altar im Ganzen der Kirche
eine gewisse Selbständigkeit behauptete, seinen
besondern Priester, seine eigenen Utensilien
hatte, so sah man neben den Altären besondere
Schränke, namentlich Wandschränke, in welchen
wenigstens einige der für die Darbringung des
heiligen Opfers nothwendige Sachen aufbewahrt
wurden. Demselben Zwecke dienten auch ver-
schliefsbare Nischen in den Seiten- oder hin-
teren Theilen des Altares. Von der Anlage
und Ausstattung solcher Schränke kann man
sich bei einem Besuche der Stadtkirche in Worm-
ditt, wo sie sich noch in ihrer ursprünglichen
Gestalt erhalten haben, eine Vorstellung machen.
Häufig standen auch, demselben Zwecke die-
nend, neben den Altären schwere, mit Eisen be-
schlagene Kasten von Eichenholz. Die eigent-
lichen Paramentschränke haben wir aber in den
Sakristeien zu suchen. In der Katharinakirche
zu Braunsberg hatte jeder Altar auch in der
Sakristei einen eigenen verschliefsbaren Schrank,
dazu noch einen Kasten. Muster solcher Para-
ment- oder Utensilienschränke, mit herrlichem
gothischem Schnitzwerk versehen, finden sich
noch in den Sakristeien von Danzig, Marien-
burg, Barent (Niederung). Die in vielen prote-
stantischen Kirchen dem Besucher so gern ge-
zeigten alten „Ablafskasten" sind meistens weiter
nichts, als die eben erwähnten Kasten zur Auf-
bewahrung von kostbaren Kirchengeräthen.
Die Fu fsböden waren ursprünglich in
den Landkirchen wohl ausnahmslos, in den
Stadtkirchen meistentheils mit Ziegelsteinen oder
Ziegelfliesen belegt. Die quadratische Form war
die vorwiegende; daneben kommen auch poly-
gone und anders geformte vor, wie sie noch
bis heute in einigen Nebenräumen des Frauen-
burger Domes vorhanden sind.
Da im Mittelalter viele Leichen, zumal die
der Vornehmeren, in der Kirche eingesenkt oder
wohl gar in besonderen Gewölben dortselbst
beigesetzt wurden, so fanden sich bald, sei es
zur Bedeckung des einzelnen Grabes, sei es zum
Verschlufs einer Gruft, zahlreiche, vielfach mit
Inschiiften und Wappen gezierte Grabsteine
bezw. Grabplatten aus Erz, was für das Aus-
sehen des Fufsbodens jedenfalls nicht vortheil-
1890.
ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 4.
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ganzen Gottesdienstes der Heiland, aber nicht
als Lehrer inmitten seiner Apostel, auch nicht als
künftiger Weltenrichter, sondern als der „durch
sein Kreuz und Leiden die Welt Erlösende" vor-
gehalten. Verweilte man doch gerade im Mittel-
alter bei diesem Gedanken so gerne.
In der Mitte der Kirche hing vom Gewölbe
oder der flachen Decke herab ein grofser Leuch-
ter, in gröfseren Kirchen deren wohl auch zwei
bis drei, aber zumeist nicht in Form der Krön-,
sondern der Bügelleuchter, welche ein Madon-
nenbild (öfter Doppelbild) einschlössen. Schöne
Exemplare solcher Leuchter sieht man noch
heute in der Marienkirche zu Ranzig, in Brauns-
berg und in Wormditt. Bei einer Kirche des
Ermlandes finden sich auch kostbare gestickte
Vorhänge für den Hauptleuchter erwähnt. Sehr
beliebt waren, zumal für kleinere Kapellen, die
aus Hirschgeweih angefertigten Leuchter. Auch
Armleuchter aus Eisen oder Bronze, oblonge
Lichthalter mit mehreren Spitzen (apices, acu-
mina) begegnen häufig an Wänden und Altären.
Die Weihwasser- oder Sprengsteine waren
in den allermeisten Kirchen aus Granitstein ge-
arbeitet, kelchartig in runder oder polygoner
Form. Ebenso die Taufsteine, darin ein zinner-
nes, ehernes oder kupfernes Becken mit eben-
solchem Deckel und „cum operculo pensili lig-
neo acuminalo et affabrepicto". In Dorfkirchen
waren die Baptisterien vielfach aus Holz. Der
werthvollste mittelalterliche „Taufstein" im Nord-
osten ist zweifellos der in der Nikolaikirche
zu Elbing, ein Messinggufs, laut Inschrift von
Meister Bernhuser aus dem lahre 1387
Die Sitz- und Kniebänke für die Gläu-
bigen haben wir uns nur einfach zu denken-
reicher behandelt waren die Kirchensitze vor-
nehmer Geschlechter, die Stühle der Raths-
herren, Priester, Kirchenväter. Beispiele kann
man noch in mehreren Kirchen Danzigs sehen
Die Dom- und Klosterkirchen hatten natür-
bch auch ihre Cho rs t ü hl e, in gothischem oder
auch Uebergangsstil kunstvoll geschnitzt. Trüm-
mer haben sich noch erhalten in der Domkirche
*u *™*nburg, der Marienkirche zu Thorn, in
Braunsberg aus der ehemaligen Franziskaner-
Kirche, im Dom zu Königsberg, in den Kirchen
Danzigs. Ausgezeichnet sind die Chorstühle im
Pelplmer Dom (Uebergangsstil
Eine sehr schöne mittelalterliche Kanzel
besitzt die Trinitatiskirche zu Danzig. Beicht-
stühle gothischen Stiles gab es, wie bekannt,
nicht. Von mittelalterlichen Orgelgehäusen
hat sich im Nordosten nichts erhalten, ebenso-
wenig von Chorbrüstungen.
Noch eine Eigenthümlichkeit der mittel-
alterlichen Kirchen möge hier erwähnt werden.
Wie nämlich jeder Altar im Ganzen der Kirche
eine gewisse Selbständigkeit behauptete, seinen
besondern Priester, seine eigenen Utensilien
hatte, so sah man neben den Altären besondere
Schränke, namentlich Wandschränke, in welchen
wenigstens einige der für die Darbringung des
heiligen Opfers nothwendige Sachen aufbewahrt
wurden. Demselben Zwecke dienten auch ver-
schliefsbare Nischen in den Seiten- oder hin-
teren Theilen des Altares. Von der Anlage
und Ausstattung solcher Schränke kann man
sich bei einem Besuche der Stadtkirche in Worm-
ditt, wo sie sich noch in ihrer ursprünglichen
Gestalt erhalten haben, eine Vorstellung machen.
Häufig standen auch, demselben Zwecke die-
nend, neben den Altären schwere, mit Eisen be-
schlagene Kasten von Eichenholz. Die eigent-
lichen Paramentschränke haben wir aber in den
Sakristeien zu suchen. In der Katharinakirche
zu Braunsberg hatte jeder Altar auch in der
Sakristei einen eigenen verschliefsbaren Schrank,
dazu noch einen Kasten. Muster solcher Para-
ment- oder Utensilienschränke, mit herrlichem
gothischem Schnitzwerk versehen, finden sich
noch in den Sakristeien von Danzig, Marien-
burg, Barent (Niederung). Die in vielen prote-
stantischen Kirchen dem Besucher so gern ge-
zeigten alten „Ablafskasten" sind meistens weiter
nichts, als die eben erwähnten Kasten zur Auf-
bewahrung von kostbaren Kirchengeräthen.
Die Fu fsböden waren ursprünglich in
den Landkirchen wohl ausnahmslos, in den
Stadtkirchen meistentheils mit Ziegelsteinen oder
Ziegelfliesen belegt. Die quadratische Form war
die vorwiegende; daneben kommen auch poly-
gone und anders geformte vor, wie sie noch
bis heute in einigen Nebenräumen des Frauen-
burger Domes vorhanden sind.
Da im Mittelalter viele Leichen, zumal die
der Vornehmeren, in der Kirche eingesenkt oder
wohl gar in besonderen Gewölben dortselbst
beigesetzt wurden, so fanden sich bald, sei es
zur Bedeckung des einzelnen Grabes, sei es zum
Verschlufs einer Gruft, zahlreiche, vielfach mit
Inschiiften und Wappen gezierte Grabsteine
bezw. Grabplatten aus Erz, was für das Aus-
sehen des Fufsbodens jedenfalls nicht vortheil-