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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0099

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163

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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tung schenkt, kam dieser Gegenstand zur Sprache,
und es wurde von hervorragender Seite der
Vorschlag gemacht, man solle bei provisorischer
Errichtung von Missionskirchen die Anlage
eines entsprechend grofsen Hauses wählen,
dessen innere Wände und Decken fehlen lassen,
und den ganzen Raum zu einer Kapelle oder
Kirche einrichten. Das Ganze müsse plan-
mäfsig so angelegt sein, dafs später, wenn zur
Erbauung der definitiven Kirche übergegangen
werde, der innere Ausbau mit leichter Mühe
hergestellt werden könne, und so aus dem
provisorischen Bau ein Haus gewonnen würde,
welches durch Verkauf oder anderweitige Ver-
wendung den Werth des aufgebotenen Bau-
kapitals wieder einbringe. Das wäre nun das
Provisorium in der mildesten Form, dabei aber
doch nicht ganz frei von Mifsständen, sowohl
für die zwischenzeitliche, als für die zukünftige
Benutzung des Gebäudes: ich erinnere nur an
die verschiedenen Fensteranlagen in den Stock-
werken, an das Treppenhaus u. s. w. Ebenso
wird es auch hier nicht ganz zu vermeiden
sein, dafs Arbeiten und Einrichtungen ausgeführt
werden, welche nachher wieder entfernt werden
müssen, z. B. Choranlage, Orgelempore, innere
Ausschmückung u. s. w.

Dennoch läfst der Vorschlag sich hören
bei Errichtung von provisorischen Kirchen in
einer Stadt; da kann der Seelsorger vorläufig
in Miethe wohnen und für das Haus, falls es
nicht als Pfarrhaus verwendet werden soll,
wird sich leicht ein Käufer finden. Anders ist
es dagegen auf dem Lande, namentlich in der
Diaspora: das Erste, was hier besorgt werden
mufs, ist eine entsprechende Wohnung für den
Missionspriester, welche miethweise in der Regel
nur schwer gefunden wird. Da man also zu-
nächst auf den Bau des Pfarrhauses und Be-
schaffung eines Raumes zur Abhaltung des
Gottesdienstes hingewiesen ist, so vereinige man
beides und richte das Pfarrhaus so ein, dafs
der erste Stock und einige Mansardenzimmer
als vorläufige Wohnung für den Seelsorger aus-
reichen, im Erdgeschofs aber die Kapelle für
die Gemeinde hergerichtet wird.

Der Seelsorger ist die Seele der Mission;
ist derselbe einmal am Platze, im „eigenen Heim"
ansässig, so hat er Zeit und Gelegenheit, die
Sammlungen für die zukünftige Kirche vorzu-
bereiten. Mit dem Wachsen der Gemeinde
wächst auch der Kapitalfond zum Kirchenbau

und gelangt letzterer dann nach Jahren zur
Verwirklichung, so kann die bisherige Kapelle
durch Einziehen einiger Wände mit leichter
Mühe in Schulsäle umgewandelt oder zur Ver-
gröfserung der Pfarrwohnung herangezogen
werden. Auf diese Weise sind in Nassau und
in der Umgebung Frankfurts schon mehrere
jetzt in hoher Blüthe stehende Missionspfarreien
entstanden.

Es war meines Wissens wieder unser ver-
ehrter Stadtpfarrer Herr Geistl. Rath Münzen-
beiger, welcher den vorhin ausgesprochenen
Gedanken zuerst gefafst und an mehreren Stellen
zur Ausführung gebracht hat; ebenso den weiteren
Gedanken, Kirchlein und Seelsorgerwohnung
durch dazwischen gelegte Sakristei und Orgel-
bühne zu verbinden, welch' letztere auch, weiter
aufgebaut, als Glockenthurm ausgebildet werden
könne. Dann bilden Kirche und Pfarrhaus
auch äufserlich ein zusammenhängendes Ganze,
welches, wenn noch so einfach gehalten, durch
die Zusammenwirkung einen gröfseren und
schöneren Eindruck macht, als wenn Kirchlein
und Pfarrhaus, jedes für sich, getrennt dastehen.

Ich führe in den beigegebenen Skizzen
zwei Entwürfe vor, welche den vorhin ausge-
sprochenen Gedanken in die Wirklichkeit über-
setzen, und zwar für eine kleinere und eine
gröfsere Missionsstelle. Der erstere, für die
Missionsstelle Haiger in Nassau bestimmt, soll
im nächsten Jahre ausgeführt werden, und zwar
zunächst das Pfarrhaus; von dem zweiten, welcher
für die Missionsstelle Fechenheim bei Frank-
furt a. M. entworfen ist, wurde der erste Theil,
das Pfarrhaus, bereits im vorigen Jahre ausgeführt.
Beide Entwürfe haben das gemeinsam, dafs zwi-
schen der Kapelle bezw. Chor und dem Pfarr-
hause der Glockenthurm angelegt ist, welcher im
Erdgeschofs als Sakristei, im ersten Stockwerk
als Orgelbühne bezw. Oratorium dient. Durch
diese, sowie durch die fernere Anordnung, dafs
zwischen Thurm und Pfarrwohnung das Treppen-
haus der letzteren und der Vorplatz zwischen-
geschoben und die Pfarrwohnung mit Vorplatz-
Abschlufs versehen ist, wird es vermieden, dafs
der Küchengeruch bis in die Kirche vordringen
kann. Es wird dieses, wohl übertrieben, viel-
fach als ein Mifsstand bei der Zusammenlegung
von Kirche und Pfarrhaus befürchtet. Durch
den vierfachen Abschlufs ist dieser Mifsstand
indessen vollkommen beseitigt; keinesfalls aber
kann derselbe in's Gewicht fallen gegenüber den
 
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