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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0115

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193

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

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vvorten. Ob genügende Mittel für einen wür-
digen Ersatz flüssig zu machen sind, weifs ich
nicht, möchte aber auch in diesem Falle vor
Uebereilung warnen.

Um an den Altar anschliefsend die Möb-
lirungsfrage zu erledigen, möchte ich rathen, über
die Erneuerung der Beichtstühle in einfachen
gothischen Formen und bescheidenen Dimen-
sionen — Bufse und Prunk gehen schlecht zu-
sammen! — nicht hinauszugehen. Orgelbühne
und -Gehäuse sind der Erhaltung und einer er-
neuerten Bemalung wohl werth. Die Neben-
altäre an den Langschiffspfeilern erhalte man
vorläufig. Sowie guter Wille die Mittel für
ihren Ersatz durch gothische Altäre hergibt, mag
letztere eintreten, aber allmählich, in ruhiger
Entwickelung. Dabei zerstöre man Nichts, auch
nicht das geringwerthig Erscheinende, sondern
man sorge, was bei den Dimensionen der Altäre
keinerlei Schwierigkeiten haben wird, dafs sie
anderswo, und zwar mit inschriftlicher Fest-
legung ihres Herkommens und ihrer bisherigen
Geschichte, erhalten und in Ehren gehalten wer-
den, wie es Erzeugnisse menschlichen Kunst-
schaffens und mehr noch die für die heilige
Bestimmung empfangene Weihe beanspruchen
dürfen.

Die Dekorirung der Mauer- und Wölbflächen
beginne man nicht, ehe man durch Beklopfen
mit hölzernem Hammer und Schaben entweder
die führenden Spuren alter Bemalung oder deren
Fehlen festgestellt hat. Für den letztern Fall
würde die Mutterkirche Doberan die nächst-
liegenden Traditionen geben und für die Behand-
lung der Wände, Pfeiler und Gewölbeflächen
ein gutes und der früheren Wirklichkeit viel-
leicht nicht fernstehendes Beispiel liefern. Wird
an der rothen Färbung der Hauptflächen Anstofs
genommen, so würde auch ein anderes System
nach alten Mustern zum guten Ziele führen,
demgemäfs nur die tragenden Theile roth mit
grauweifs gezogenen Fugen, die Wand- und
Wölbflächen putzgrau, kalt gefärbt werden. Lieber
den Arkadenbögen werden dann die Wand-
flächen durch aufgemalte Trifbrienarchitektur,
selbstredend flächig, nicht modellirt, zu beleben,
Rippenkreuzungen und Schlufssteine, sowie
Kämpfer bunt auszuzeichnen sein. Dazu und
dazwischen kämen dann Einzelbilder, Figuren

und Historien, wie solche in unseren alten Kir-
chen die Reste unter der Tünche in der gröfsten
Mannigfaltigkeit und Feinheit noch zeigen.
Besser wird es sein, wenn das nicht Alles jetzt
und auf einmal entsteht, sondern nach und nach
in den jetzt zu schaffenden festen Rahmen hinein-
wächst, sowie Mittel fliefsen und Stifter sich
finden.

Innerhalb dieser einheitlichen Fassung kann
dann die individuelle Mannigfaltigkeit mit allen
den Reizen sich bethätigen, wie sie Zeit, Geber,
Künstler und Stoffe bringen.

Nachzuholen bleibt noch der dringende Rath,
auf ein Abschlagen des ganzen Putzes sich nicht
einzulassen, um etwa Rohbauflächen herzustel-
len, wo deren früheres Bestehen nicht feststeht.
Das sogen. Herstellen des „ächten Materials"
ist eine der Prozeduren, welche als Reaktionen
gegen das Verbergen des Materials und die
architektonische Lüge erklärlich, so oft geistlos
gehandhabt werden und mit dem Abhauen und
Scharriren alter Wand- und Steinflächen als
dem verwandten Extrem so oft sich verbindend,
so viel geschadet und zerstört haben, mehr wie
der mit Recht berüchtigte Tüncherquast, der so
viel Gutes, schadhaft Gewordenes zugedeckt und
in unsere Zeit gerettet hat.

Es wird genügen, die Putzflächen vor dem
Malen sorgfältig zu untersuchen, an losen Stellen
den Putz zu erneuern, übrigens aber, sobald und
wo die Ursprünglichkeit und Festigkeit des vor-
handenen alten Putzes konstatirt ist, nur die
losen Krusten früherer Anstriche zu entfernen.
Dann wird man malen können.

Der vorstehende Auszug dürfte mit V. Geld-
bedarf zu schliefsen sein mit dem Hinweise
auf die unerläfsliche Nothwendigkeit einer, wenn
auch nur überschläglichen, vorher aufzustellenden
Kostenberechnung und zugleich einer strengen
Unterscheidung des sofort Auszuführenden von
dem, was Aufschub erleiden und, je nachdem
die Mittel fliefsen, nachgeholt werden kann. Die
im vorliegenden Falle unter dem Drucke sehr
beschränkter Mittel und unter sehr niedrigen
Freisverhältnissen berechneten Zahlen, welchen
meines Wissens andererseits die Probe erfolgter
Ausführung bislang noch fehlt, entbehren eines
allgemeinen Interesses.

Bonn. J»h. Richter.
 
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