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1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.
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aliqua interrasilis magnitudinem rotae currus
adaequans. Erat fabref acta ex cupro in modum
circuli rotunda; ad tres palmos circiter lata,
exterius fortiter deaurata extabani hinc inde
brachiola, quibus cerei poterant infigi seu super
imponi; ex interiori illius circumferentia pro-
dierint et in medio concurrerint aliquot virgae
ferreae, quibus mediantibus haec Corona ex
fornice templi suspendi; quod autem in honorem
S. Viti martyris, patroni nostri gloriosissimi
fucrit parata, ut ei in honorem illius accensi
circa eam cerei ardcrent, hoc ex inscriptione
in ea inventa videtur patescere. Dum enim
anno 1655, quo nescio consilio monetarii nostri
suggesiionibus acquiescendo permissum esset, ut
aurum ab hoc afitiquo templi ornamento ab-
rasum pro moneta cudenda adhiberetur et
coronae cuprum in alios usus converterelur,
bis duo versus circumferentiae incisi ab aliquo
fortuito adhuc observati et annotati fueruni:
Stemmet micans Viti splendescit honore Beati
Thiatmari studio veniem sibimet flagitantis.w)
Es ergibt sich hieraus, dafs der Kronleuchter
unter Abt Thiatmar, dessen Regierungszeit in
die Jahre 983 bis 1001 fällt, angefertigt worden
ist. Wenn es richtig ist, dafs die Säulen, welche
derselbe Abt Thiatmar giefsen liefs, im Kloster
zu Korvey von einem Erzgiefser Gottfried ange-
fertigt worden sind,11) so läge es nahe, in diesem
Künstler auch den Schöpfer des Kronleuchters
zu erblicken. Aus der angeführten Stelle geht
indefs nicht hervor, ob wir es bei dem Kor-
veyer Leuchter mit einem Gufswerk oder mit
getriebener Arbeit zu thun haben. Die Worte:
„Messingskronen", fabrefaeta ex cupro", „versus
incisi" deuten indefs wohl auf das letztere hin,
während die Angabe, dafs aus dem Ringe nach
Aufsen hin Arme hervortreten, sich auch wohl
mit einem Werk in Bronzegufs in Einklang
bringen liefs. Die Angabe über die zur Auf-
nahme der Kerzen dienenden Arme bekundet,
dafs der Korveyer Leuchter wesentlich ver-
schieden von den anderen Leuchtern gebildet
war. Der Thürme, welche den Reif gliedern
■0) Msc. I. 135, S. 181. Auf diese Stelle machte
mich Herr Archivar Dr. Dgen zu Münster aufmerksam,
wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen Dank
ausspreche.
»•) Diese Angabe findet sich, indefs ohne Quellen-
angabe, bei Wiecleer »Die Bernwardssäule zu Hildes-
heim « (1874), S. 6; ebenso bei O U e-\V ern i c k e a.a.O.
II. S. 544, und Lübke »Geschichte der deutschen
Kunst« (1890), S. 121.
und schmücken, geschieht keine Erwähnung;
ebensowenig der Teller, welche zur Aufnahme
der Kerzen dort auf dem Kamme des Reifens
angeordnet sind; zu diesem Zwecke dienen die
an der Aufsenseite desselben hervortretenden
Arme: eine Anordnung, welche vollständig von
der der übrigen bekannten Kronleuchter ab-
weicht, von denen ihn auch die in einem starren
System bestehende Aufhänge-Vorrichtung unter-
schieden haben dürfte. Die Angabe, dafs der
Leuchter seiner Gröfse nach einem Wagenrade
gleichgekommen sei, deutet nicht auf besonders
herausfallende Abmessungen hin, ebensowenig
wie die auf drei Handbreiten angegebene Höhe
des Kronreifens. Hergestellt war der Leuchter,
wie bemerkt, aus Kupfer, aber er war stark ver-
goldet und mit Reliefdarstellungen (interrasilis)
geschmückt. Auch in letzterer Hinsicht weicht
er somit ab von den Lichterkronen zu Hildes-
heim, Aachen und Comburg, da bei diesen die
Ausschmückung aufser in kunstreichen Durch-
brechungen vorzugsweise in Gravirungen, welche
mit Schmelz gefüllt sind, besteht.
Mit dankenswertster Klarheit verbreitet sich
unsere Mittheilung über die Ursachen, welche die
Zerstörung des Leuchters herbeigeführt haben:
der Wunsch, das Gold desselben zur Münzprä-
gung zu gewinnen, ist den Mönchen von Korvey
ein ausreichender Grund gewesen, sich eines der
ehrwürdigsten Kunstdenkmale ihres Klosters zu
entäufsern. Und das zu wissen, wird nicht mehr
so ganz gleichgültig erscheinen, wenn man bei
Otte-Wernicke liest: „Aus der romanischen Pe-
riode haben sich nur wenige Lichtträger erhal-
ten, was insofern auffällt, als die Leuchter der
deutschen Kirchen äufserst selten aus edlen
Metallen angefertigt wurden und deshalb die
Habsucht nicht eben reizen konnten; es kann
daher nur veränderte Geschmacksrichtung zur
Verwerfung und Einschmelzung der als un-
brauchbar beseitigten altern Inventarienstücke
dieser Gattung geführt haben."12)
In Verbindung mit der bezüglichen Angabe,
welche Bock über die Kronleuchter vonToul und
Aachen bringt,13) gibt unser Bericht nun doch
einen überzeugenden Beleg dafür, dafs die Gewinn-
sucht an der Beseitigung der alten Kronleuchter
keineswegs so ganz unbetheiligt gewesen ist.
Freiburg (Schweiz). W. Effmann.
12) Otte-Wernicke a.a.O. S. 158.
'S) Bock a.a.O. S. 41.
1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 7.
214
aliqua interrasilis magnitudinem rotae currus
adaequans. Erat fabref acta ex cupro in modum
circuli rotunda; ad tres palmos circiter lata,
exterius fortiter deaurata extabani hinc inde
brachiola, quibus cerei poterant infigi seu super
imponi; ex interiori illius circumferentia pro-
dierint et in medio concurrerint aliquot virgae
ferreae, quibus mediantibus haec Corona ex
fornice templi suspendi; quod autem in honorem
S. Viti martyris, patroni nostri gloriosissimi
fucrit parata, ut ei in honorem illius accensi
circa eam cerei ardcrent, hoc ex inscriptione
in ea inventa videtur patescere. Dum enim
anno 1655, quo nescio consilio monetarii nostri
suggesiionibus acquiescendo permissum esset, ut
aurum ab hoc afitiquo templi ornamento ab-
rasum pro moneta cudenda adhiberetur et
coronae cuprum in alios usus converterelur,
bis duo versus circumferentiae incisi ab aliquo
fortuito adhuc observati et annotati fueruni:
Stemmet micans Viti splendescit honore Beati
Thiatmari studio veniem sibimet flagitantis.w)
Es ergibt sich hieraus, dafs der Kronleuchter
unter Abt Thiatmar, dessen Regierungszeit in
die Jahre 983 bis 1001 fällt, angefertigt worden
ist. Wenn es richtig ist, dafs die Säulen, welche
derselbe Abt Thiatmar giefsen liefs, im Kloster
zu Korvey von einem Erzgiefser Gottfried ange-
fertigt worden sind,11) so läge es nahe, in diesem
Künstler auch den Schöpfer des Kronleuchters
zu erblicken. Aus der angeführten Stelle geht
indefs nicht hervor, ob wir es bei dem Kor-
veyer Leuchter mit einem Gufswerk oder mit
getriebener Arbeit zu thun haben. Die Worte:
„Messingskronen", fabrefaeta ex cupro", „versus
incisi" deuten indefs wohl auf das letztere hin,
während die Angabe, dafs aus dem Ringe nach
Aufsen hin Arme hervortreten, sich auch wohl
mit einem Werk in Bronzegufs in Einklang
bringen liefs. Die Angabe über die zur Auf-
nahme der Kerzen dienenden Arme bekundet,
dafs der Korveyer Leuchter wesentlich ver-
schieden von den anderen Leuchtern gebildet
war. Der Thürme, welche den Reif gliedern
■0) Msc. I. 135, S. 181. Auf diese Stelle machte
mich Herr Archivar Dr. Dgen zu Münster aufmerksam,
wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen Dank
ausspreche.
»•) Diese Angabe findet sich, indefs ohne Quellen-
angabe, bei Wiecleer »Die Bernwardssäule zu Hildes-
heim « (1874), S. 6; ebenso bei O U e-\V ern i c k e a.a.O.
II. S. 544, und Lübke »Geschichte der deutschen
Kunst« (1890), S. 121.
und schmücken, geschieht keine Erwähnung;
ebensowenig der Teller, welche zur Aufnahme
der Kerzen dort auf dem Kamme des Reifens
angeordnet sind; zu diesem Zwecke dienen die
an der Aufsenseite desselben hervortretenden
Arme: eine Anordnung, welche vollständig von
der der übrigen bekannten Kronleuchter ab-
weicht, von denen ihn auch die in einem starren
System bestehende Aufhänge-Vorrichtung unter-
schieden haben dürfte. Die Angabe, dafs der
Leuchter seiner Gröfse nach einem Wagenrade
gleichgekommen sei, deutet nicht auf besonders
herausfallende Abmessungen hin, ebensowenig
wie die auf drei Handbreiten angegebene Höhe
des Kronreifens. Hergestellt war der Leuchter,
wie bemerkt, aus Kupfer, aber er war stark ver-
goldet und mit Reliefdarstellungen (interrasilis)
geschmückt. Auch in letzterer Hinsicht weicht
er somit ab von den Lichterkronen zu Hildes-
heim, Aachen und Comburg, da bei diesen die
Ausschmückung aufser in kunstreichen Durch-
brechungen vorzugsweise in Gravirungen, welche
mit Schmelz gefüllt sind, besteht.
Mit dankenswertster Klarheit verbreitet sich
unsere Mittheilung über die Ursachen, welche die
Zerstörung des Leuchters herbeigeführt haben:
der Wunsch, das Gold desselben zur Münzprä-
gung zu gewinnen, ist den Mönchen von Korvey
ein ausreichender Grund gewesen, sich eines der
ehrwürdigsten Kunstdenkmale ihres Klosters zu
entäufsern. Und das zu wissen, wird nicht mehr
so ganz gleichgültig erscheinen, wenn man bei
Otte-Wernicke liest: „Aus der romanischen Pe-
riode haben sich nur wenige Lichtträger erhal-
ten, was insofern auffällt, als die Leuchter der
deutschen Kirchen äufserst selten aus edlen
Metallen angefertigt wurden und deshalb die
Habsucht nicht eben reizen konnten; es kann
daher nur veränderte Geschmacksrichtung zur
Verwerfung und Einschmelzung der als un-
brauchbar beseitigten altern Inventarienstücke
dieser Gattung geführt haben."12)
In Verbindung mit der bezüglichen Angabe,
welche Bock über die Kronleuchter vonToul und
Aachen bringt,13) gibt unser Bericht nun doch
einen überzeugenden Beleg dafür, dafs die Gewinn-
sucht an der Beseitigung der alten Kronleuchter
keineswegs so ganz unbetheiligt gewesen ist.
Freiburg (Schweiz). W. Effmann.
12) Otte-Wernicke a.a.O. S. 158.
'S) Bock a.a.O. S. 41.