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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0155

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267

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 9.

268

der dargebotene Centralbau noch das alte Chor
in quadratischer Gestalt zeigt. Jene hinter dem
Kaiser aufwachsende Eiche könnte vielleicht auf
die zur Dotation des Stiftes geschenkten Wälder
bezogen werden. Das Kostüm des Kaisers ist
ebenso beachtenswerth, als jenes des Ritters auf
dem Siegel des Kämmerers von Xanten.
S.' camerar ■ ecce • Xanclesis(li). Wie geschmack-
voll ist die Gestalt des hl. Viktor hier in den Kreis
eingezeichnet! Kühn durchbricht der Stecher
die Legende, um in der Längenrichtung Raum
zu gewinnen; Schild und Fahne füllen die seit-
lichen Theile. Geschickte Ausfüllung des Raumes
zeichnet auch das Siegel des Lüneburger
Michaelklosters aus. S.'conventus• sancti•
Michaelis ■ in Luneburh • + (16). Durch Aus-
dehnung der Flügel und Querstellung des Dra-
chens ist ein Bild gewonnen, welches ebenso
sehr in die Breite als in Höhe geht.

In origineller Art ist im Siegel des Ma-
rienklosters zu Escherde bei Hildesheim
S.' ecce ■ sce ■ Marie ■ in (•) Esscherte + (15)
der Raum benutzt, um die beiden Johannes als
Nebenpatrone darzustellen. Zur Rechten Ma-
ria's sieht man den Evangelisten in siedendem
Oelbade, zur Linken das Haupt des Täufers in
einer der Symmetrie wegen kelchförmig gebil-
deten Schüssel. Hier tritt schon die in alten
Siegeln so oft mit Glück verwandte Verzierung
des Grundes mit Linien und Blumen auf. Sie
finden wir auch in dem schönen Siegel des
Hospitals zu Cues an der Mosel, der noch
erhaltenen Stiftung des Kardinals Nikolaus von
Cusa. + Sigillum + hospitalis : scti +. + Nicolai
+prope + Cusam + (12). Ein anderes System
der Ausfüllung des Hintergrundes nahm zu Bal-
dachinen seine Zuflucht. Kräftige Architektur-
formen zeigt das Siegel der dem Xantener Dom
nahe verwandten Kirche zu Kranenburg bei
Cleve (4). Der hl. Martin steht dort zwischen
den Apostelfürsten unter einem Kreuzesbilde,
über dem ihn um Bekleidung anflehenden
Bettler in einem mit fünf Nischen versehenen
Bau. S.' decani et capli ■ eccle ■ sei ■ Mart(in)i ■
Cranenborgen ■ ol(im) ■ i(n) ■ Zeß(ich).

Reich ist der Thron der Gottesmutter ge-
staltet auf dem Siegel der Kirche Maria
im Kapitol zu Köln (5). .S secrelu ecce bte
Marie i capitol Co/». Zwei der schönsten go-
thischen Siegel aus dem letzten Viertel des
XV. Jahrh., Kunstwerke ersten Ranges, sind die-
jenigen der Kölner Karthause und des Hil-

desheimer Domkapitels. In ersterem (11) finden
wir die hl. Barbara als Patronin mit der Um-
schrift : .S.' pfrijorai • do(mus) Cartus • sce •
Barbare ■ i • Colon. Unten knieet der Prior,
zur Seite erheben sich zwei Thiergestalten in
den Nischen. Wunderbar fein ist das Hildes-
heime r Petschaft 1480 in Silber gestochen
worden (9). Neben der Mutter Gottes liegt in
einer Nische ihr Buch, in der andern steht
eine Lilie; der hl. Bernward hält sein Kreuz
in der Hand, während der hl. Godehard ein
Buch trägt. Die Buchstaben der Legende, Si-
gillum ■ Hildesemensis • ecclesie • ad • causas,
sind schon nicht mehr gothisch, sondern den
antiken nachgebildet. Zur Nachahmung darf
man so feine und schöne Siegel, wie die letzt-
genannten, wohl kaum empfehlen. Für gewöhn-
lich wird man besser thun, einfachere und klei-
nere als Muster zu verwerthen. Drei derselben
finden sich auf den beiden Tafeln, eines aus
Remagen mit dem Bilde des heiligen Petrus.
S.': eccie : Remagen (13); ein rundes, das vom
Koblenzer Official, worin die Halbfigur
eines Bischofes aufwächst, S.' mag. officialat •
curie • Confluentin • (7), endlich ein reicher ver-
ziertes eines (Trierer?) Weihbischofes. Sc-
creiu • F. Nicholai • Aconen • epi' + (8).

Die Stempel zu den drei Kölner Siegeln (1, 2
und 5) finden sich in den betreffenden Pfarr-
archiven, das der Karthause (11) ruht im Museum
der städtischen Alterthümer. Das Lüneburger
Siegel (16) ist im Besitz des Staatsarchives zu
Hannover, das Kranenburger (4) hat der dortige
Pfarrer, das Aachener (10) blieb der Stadt erhalten,
ebenso das von Cues (12) dem dortigen Hospital.
Das Frankfurter und das Binger Siegel (6 und 8)
gehören dem Frankfurter Museum. Das Xantener
Siegel (14) stammt aus einer galvanoplastischen
Nachahmung. Die Siegel von Hildesheim und
Escherde fand ich im bischöflichen Museum zu
Hildesheim, die übrigen im Koblenzer Archiv
und auf der Trierer Stadtbibliothek. Die Stempel
der Siegel 9 und 11 sind silbern, alle anderen
von Kupfer.

Möge man mit diesen Proben mittelalter-
licher deutscher Kirchensiegel vergleichen, wel-
cher Art die Stempel sind, deren man sich
heute bedient. Die Antwort auf die Frage, ob
nicht im XIX. Jahrh. etwas Besseres mög-
lich, erwünscht und zu erhoffen sei,
wird nur in bejahendem Sinne ausfallen
können. Steph. lieissel.
 
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