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1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.
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I
modernen Ausführung vielfach für zu hand-
werksmäfsig und roh erachten mochten, sei es,
weil sie auf der Suche nach einem strengen und
ernsten Stil selbst beim Mittelalter noch nicht
Halt machen zu sollen glaubten. Auf ihrem
Forschungswege nach dem Ideal war ihnen die
antike Kunst besonders beachtenswerth erschie-
nen, und in den griechischen Figuren der besten
Zeit glaubten sie so viel Erhabenheit im Aus-
druck, so viel Ebenmafs in der Bewegung, so
viel Würde in der Haltung, so viel Harmonie
in der Gewandung, kurz so viel Reinheit in
der Empfindung zu gewahren, dafs ihnen die
Anknüpfung an diese statthaft, ja angezeigt er-
schien für die Schöpfung christlicher Gebilde.
Als die verwittwete Frau Fürstin Katharina von
Hohenzollern beiden Künstlern gleich nach Ein-
richtung des Klosters Beuron (1869) die Auf-
gabe stellte, in der Nähe desselben an einem
der schönsten Punkte des Donauthales, am Fufse
gewaltiger Felsmassen eine Kapelle zu bauen
und auszustatten, da mochten die Traditionen
des Benediktiner-Ordens, dessen Wiege noch
ganz umgeben war von den Erzeugnissen der
klassischen Kunst, besonders mächtig auf sie
einwirken, obwohl sie demselben noch nicht als
Mitglieder angehörten. Sie mochten von dem
Gedanken, dafs im Schatten der ägyptischen
Tempel und Grabstätten die ersten Mönche sich
angesiedelt hatten, sich ergriffen fühlen. Die
einfachen Formen dieser Bauwerke und ihrer
Ausstattung mochten ihnen als eine Art von
Widerhall der Psalmengebete und Choralge-
sänge vorkommen, und die einfache Gröfse der
letzteren als eine Art von Nachklang jener ernsten
antiken Formen. Die schlichte aus mächtigen
Tuffquadern gebaute St. Mauruskapelle mit
ihrer Vorhalle, ihren kräftigen Säulen und kleinen
Fenstern, mit ihrem flachen Satteldach und ihrer
Kasettendecke macht wenigstens in ihrer be-
scheidenen, aber doch wirksamen Monumen-
talität den Eindruck, aus solchen und ähnlichen
Erwägungen herausgewachsen zu sein. Auch
ihre ornamentale Ausstattung erinnert in ihren
Friesen und Borten, in ihren Palmetten und
Rosetten ganz an die ägyptischen Wandmalereien,
nicht blofs in Bezug auf die Zeichnung, sondern
auch in Bezug auf das Kolorit. Für die Figuren
mufste nun freilich nach anderen Vorbildern
gesucht werden, selbst auf die Gefahr hin, dafs
die Einheit des Stiles, vielleicht gar der Wirkung
dadurch Einbufse erleiden könnte. Am nächsten
mochte es liegen und am konsequentesten er-
scheinen, der Katakombenmalerei in Bezug auf
Gestaltung und Farbe die Motive zu entlehnen.
Damit war die antikisirende Haltung gegeben,
damit zugleich einfache und lichte Färbung mit
Ausschlufs kräftiger Töne, damit der Verzicht auf
eigentlichen Detaildekor. Aber nach einzelnen
Beziehungen konnte die Nothwendigkeit einer
Weiterbildung, zumal in Betreff des Faltenwurfs
und des Gesichtsausdruckes nicht wohl verkannt
werden. Hierfür mochten sie die Fingerzeige
am sichersten aus demjenigen Lande erwarten,
welches die antiken Formen am erfolgreichsten
in sich aufgenommen und im Sinne der christ-
lichen Wahrheiten umzugestalten und auszubilden
vermocht hat. Italien fing im XIII. Jahrh. an,
auf diesem Wege eine neue, glänzende Epoche
der kirchlichen Kunst, besonders der Malerei
herbeizuführen, für die Benediktiner um so
sympathischer, als dieselbe sie anmuthet mit
heimathlicher Wärme. In Fra Angelico hat diese
Malerei die höchsten Triumphe gefeiert in Bezug
auf Tiefe der Empfindung, Schönheit der Form,.
Gluth der Farbe; seine Schöpfungen sind daher
eine Art von Kanon für die christliche Malerei,
zumal in denjenigen Ländern, die nicht einen
eigenartigen Formenkreis aus sich entwickelt,
und für diejenigen Korporationen, welche einen
mehr internationalen Charakter besitzen, weil sie
in gewissem Sinne als ein unmittelbares Abbild
der universellen, katholischen Kirche sich dar-
stellen. Dieses ist aber das auszeichnende Merk-
mal gerade des Benediktiner-Ordens, und indem
die Leistungen seiner Malerschule an Fiesole
anknüpfen, beschreiten sie unseres Erachtens
einen ebenso richtigen wie sicheren Weg.
In der figuralen Ausstattung der St. Maurus-
kapelle sind diese Beziehungen schon ganz un-
verkennbar und gerade diejenigen Gestalten,
wie der Heiland am Kreuz, die Gottesmutter,
der hl. Johannes der Täufer, in welchen diese
Anklänge am meisten in die Augen fallen, sind
zugleich die ansprechendsten. Es ist daher sehr
zu begrüfsen, dafs viel mehr noch, als in diesen
Erstlingswerken, welche zugleich als die Aus-
gangspunkte der immer neue Sprossen treiben-
den Beuroner Malerschule zu betrachten sind,
der Formengeist des seligen Malerfürsten in den
späteren Wandmalereien zum Ausdrucke ge-
langt ist, namentlich in denen zu Emaus in
Prag und im Mutterkloster zu Monte Cassino,
in dessen uralten Räumen auch deutsche Ordens-
1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.
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I
modernen Ausführung vielfach für zu hand-
werksmäfsig und roh erachten mochten, sei es,
weil sie auf der Suche nach einem strengen und
ernsten Stil selbst beim Mittelalter noch nicht
Halt machen zu sollen glaubten. Auf ihrem
Forschungswege nach dem Ideal war ihnen die
antike Kunst besonders beachtenswerth erschie-
nen, und in den griechischen Figuren der besten
Zeit glaubten sie so viel Erhabenheit im Aus-
druck, so viel Ebenmafs in der Bewegung, so
viel Würde in der Haltung, so viel Harmonie
in der Gewandung, kurz so viel Reinheit in
der Empfindung zu gewahren, dafs ihnen die
Anknüpfung an diese statthaft, ja angezeigt er-
schien für die Schöpfung christlicher Gebilde.
Als die verwittwete Frau Fürstin Katharina von
Hohenzollern beiden Künstlern gleich nach Ein-
richtung des Klosters Beuron (1869) die Auf-
gabe stellte, in der Nähe desselben an einem
der schönsten Punkte des Donauthales, am Fufse
gewaltiger Felsmassen eine Kapelle zu bauen
und auszustatten, da mochten die Traditionen
des Benediktiner-Ordens, dessen Wiege noch
ganz umgeben war von den Erzeugnissen der
klassischen Kunst, besonders mächtig auf sie
einwirken, obwohl sie demselben noch nicht als
Mitglieder angehörten. Sie mochten von dem
Gedanken, dafs im Schatten der ägyptischen
Tempel und Grabstätten die ersten Mönche sich
angesiedelt hatten, sich ergriffen fühlen. Die
einfachen Formen dieser Bauwerke und ihrer
Ausstattung mochten ihnen als eine Art von
Widerhall der Psalmengebete und Choralge-
sänge vorkommen, und die einfache Gröfse der
letzteren als eine Art von Nachklang jener ernsten
antiken Formen. Die schlichte aus mächtigen
Tuffquadern gebaute St. Mauruskapelle mit
ihrer Vorhalle, ihren kräftigen Säulen und kleinen
Fenstern, mit ihrem flachen Satteldach und ihrer
Kasettendecke macht wenigstens in ihrer be-
scheidenen, aber doch wirksamen Monumen-
talität den Eindruck, aus solchen und ähnlichen
Erwägungen herausgewachsen zu sein. Auch
ihre ornamentale Ausstattung erinnert in ihren
Friesen und Borten, in ihren Palmetten und
Rosetten ganz an die ägyptischen Wandmalereien,
nicht blofs in Bezug auf die Zeichnung, sondern
auch in Bezug auf das Kolorit. Für die Figuren
mufste nun freilich nach anderen Vorbildern
gesucht werden, selbst auf die Gefahr hin, dafs
die Einheit des Stiles, vielleicht gar der Wirkung
dadurch Einbufse erleiden könnte. Am nächsten
mochte es liegen und am konsequentesten er-
scheinen, der Katakombenmalerei in Bezug auf
Gestaltung und Farbe die Motive zu entlehnen.
Damit war die antikisirende Haltung gegeben,
damit zugleich einfache und lichte Färbung mit
Ausschlufs kräftiger Töne, damit der Verzicht auf
eigentlichen Detaildekor. Aber nach einzelnen
Beziehungen konnte die Nothwendigkeit einer
Weiterbildung, zumal in Betreff des Faltenwurfs
und des Gesichtsausdruckes nicht wohl verkannt
werden. Hierfür mochten sie die Fingerzeige
am sichersten aus demjenigen Lande erwarten,
welches die antiken Formen am erfolgreichsten
in sich aufgenommen und im Sinne der christ-
lichen Wahrheiten umzugestalten und auszubilden
vermocht hat. Italien fing im XIII. Jahrh. an,
auf diesem Wege eine neue, glänzende Epoche
der kirchlichen Kunst, besonders der Malerei
herbeizuführen, für die Benediktiner um so
sympathischer, als dieselbe sie anmuthet mit
heimathlicher Wärme. In Fra Angelico hat diese
Malerei die höchsten Triumphe gefeiert in Bezug
auf Tiefe der Empfindung, Schönheit der Form,.
Gluth der Farbe; seine Schöpfungen sind daher
eine Art von Kanon für die christliche Malerei,
zumal in denjenigen Ländern, die nicht einen
eigenartigen Formenkreis aus sich entwickelt,
und für diejenigen Korporationen, welche einen
mehr internationalen Charakter besitzen, weil sie
in gewissem Sinne als ein unmittelbares Abbild
der universellen, katholischen Kirche sich dar-
stellen. Dieses ist aber das auszeichnende Merk-
mal gerade des Benediktiner-Ordens, und indem
die Leistungen seiner Malerschule an Fiesole
anknüpfen, beschreiten sie unseres Erachtens
einen ebenso richtigen wie sicheren Weg.
In der figuralen Ausstattung der St. Maurus-
kapelle sind diese Beziehungen schon ganz un-
verkennbar und gerade diejenigen Gestalten,
wie der Heiland am Kreuz, die Gottesmutter,
der hl. Johannes der Täufer, in welchen diese
Anklänge am meisten in die Augen fallen, sind
zugleich die ansprechendsten. Es ist daher sehr
zu begrüfsen, dafs viel mehr noch, als in diesen
Erstlingswerken, welche zugleich als die Aus-
gangspunkte der immer neue Sprossen treiben-
den Beuroner Malerschule zu betrachten sind,
der Formengeist des seligen Malerfürsten in den
späteren Wandmalereien zum Ausdrucke ge-
langt ist, namentlich in denen zu Emaus in
Prag und im Mutterkloster zu Monte Cassino,
in dessen uralten Räumen auch deutsche Ordens-