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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0160

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275

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

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einzelne Anlagen beschränkte. In ähnlicher
Weise wird wohl auch die spezifische Malweise
der Beuroner Schule in einer gewissen Be-
schränkung auf die eigenen Ordenshäuser sich
zu bethätigen haben. Hier haben die speziellen
Gesichtspunkte des Ordens ihre volle Berech-
tigung, hier dürfen die kunsthistorischen Ueber-
lieferungen der Gegend ihnen gegenüber in den
Hintergrund treten. Freilich wird die Einheit
des Stiles, namentlich die Uebereinstimmung
zwischen Figur und Ornament, welche doch als
Grundgesetz festzuhalten ist, durch ihre Manier
keine zu grofse Einbufse erleiden dürfen. Be-
denklich erscheint defshalb die Verwendung
ägyptischer Verzierungen, wie verschiedener an-
derer antiker Motive, bedenklich würde auch
die Wiedereinführung der klassischen Bauweise,
bedenklich der Verzicht auf die Errungen-
schaften der mittelalterlichen Architektur, zu-
mal derjenigen sein, welche direkt aus dem
Mönchsleben, seiner Beschaulichkeit und Litur-
gie, herausgewachsen ist. Auch andere Eigen-
tümlichkeiten, die mehr oder weniger auf den
Einflufs der antiken Kunst hinweisen, dürften
einer Revision benöthigen, namentlich die min-
dere Betonung der Konturen, welche gerade bei
der Wandmalerei und ihrer in der Regel auf
weitere Entfernungen beabsichtigten Wirkung,
von besonderer Wichtigkeit ist. Neben ihnen
wäre eine gröfsere Lebhaftigkeit der Farben,
selbst bei geringer Abwechselung derselben, um
so angebrachter, und wo es sich um die Dar-
stellung nicht nur von einzelnen statuarischen
Gestalten, sondern von Gruppen handelt, würden
in den Kompositionen die gezwungenen, schema-
tischen Haltungen einer freieren Behandlung und
Gestaltung Platz zu machen haben.

Wesentlich erleichtert würden diese Ver-
änderungen werden durch den engeren An-
schlufs an die Vorbilder, welche die christliche
Kunst des Mittelalters in allen Kulturländern,
namentlich auch in den einzelnen deutschen
Provinzen als durchaus eigenartige Schöpfungen
hervorgebracht hat. Bei der Vorliebe des Mittel-
alters für die Farbe hat gerade die Wandmalerei
eine überaus umfassende und sorgsame Pflege
gefunden nicht nur in der romanischen Periode,
in welcher fast keine Kirche unbemalt blieb,
sondern auch in der gothischen Zeit, aus welcher
alljährlich neue Entdeckungen unter der Tünche
auftauchen. Von der gröfsten Wichtigkeit wäre

es, dafs alle diese farbigen Ueberreste sorg-
fältigst aufgedeckt und aufs gewissenhafteste her-
gestellt würden. Gerade hier wäre bei der Ar-
muth mancher, an solchen Ueberresten reicher
Kirchen die Mitwirkung genügsamer Ordens-
leute am Platze, gerade hier fänden diese die
beste Gelegenheit, die alten deutschen Stilrich-
tungen und Malweisen, wie sie sich in den ein-
zelnen Kunst-Epochen mit grofser Konsequenz
entwickelt haben, kennen zu lernen. Aus Mangel
an Kenntnifs und Interesse, noch mehr, weil es
an für die Herstellung geschickten Händen fehlt,
gehen zahlreiche und bedeutende Ueberreste von
Wandgemälden, die kaum der Kalkmilch wieder
abgerungen sind, unwiederbringlich verloren, eine
Thatsache, für welche noch aus den letzten Jahren
mehrere höchst betrübende Belege gebracht wer-
den könnten. Wie wichtig wäre deren Erhaltung!
Denn erst nachdem die ganze bezügliche Nach-
lassenschaft des Mittelalters, insoweit sie erkenn-
bar wird, fest- und hergestellt sein wird, kann die
Schöpfung neuer Gebilde in ihrem Geiste mit be-
sonderem Erfolge unternommen werden. Und wie
wünschenswerth wäre dieser Erfolg, wie erstre-
benswert!) das erhabene Ziel, dafs von den Wän-
den unserer Kirchen wieder fromme Gestalten zu
der versammelten Gemeinde sprächen und deren
Geist erhöben zu sich und zu Gott! Aber in
welche Ferne scheint dieses Ziel gerückt wenn
man an die kärglichen Mittel so mancher, ja der
meisten Gemeinden denkt, aber um wie viel
näher erscheint es wiederum, wenn man sich
dort überaus fleifsige, anspruchslose Ordensleute
an der Arbeit denkt, deren Theilung als so
durchschlagender Verbilligungsfaktor dann um
so leichter durchzuführen wäre. Was bei dem
gewöhnlichen Arbeitsbetriebe unerreichbar wäre,
würde auf diese Weise durch die Mitwirkung
der Klöster zu erlangen sein ohne Beeinträch-
tigung der Künstler und Kunsthandwerker aus
dem Laienstande, denen dann die materiell loh-
nenderen Aufträge vorbehalten blieben. Durch
die Mitwirkung der Ordensleute würde die
kirchliche Kunst, zunächst die Malerei, welche
hier einstweilen allein ins Auge gefafst werden
soll, eine Vertiefung erfahren, ein der gegen-
wärtigen Verflachung gegenüber um so gröfseres
Bedürfnifs, als dessen Befriedigung aus dem
Bereiche der Laienkünstler ohne besondere Ver-
anstaltungen nicht so bald zu erwarten sein

dürfte. Schnütgen.
 
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