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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0164

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283

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 9.

284

nicht einmal der Name, auf den sie geweiht
ist, hat sich feststellen lassen. Die Bauzeit läfst
sich allerdings auf indirektem Wege, wenn auch
nur in ganz weitem Rahmen umschreiben. Die
nördliche Langmauer der Kapelle steht auf den
Fundamenten jener Mauer, mit welcher Erz-
bischof Ludolf (994 bis 1008) die Domfreiheit
befestigt hat (Gesta Trevirorum in Mon. Germ.
Script. VIII S. 171 Z. 33/35); die Kapelle kann
somit erst erbaut sein, als durch die Stadtbe-
festigung eine besondere Befestigung der Dom-
freiheit zwecklos geworden war. Von der rö-
mischen Ummauerung Triers ist bekanntlich
Alles aufser der Porta nigra verschwunden; man
hat sie als Steinbruch für kirchliche und pro-
fane Zwecke gründlichst ausgenutzt. Doch war
die Stadt um das Jahr 1140, allerdings nur in
sehr nothdürftiger Weise, schon wieder umfestigt,
(Gesta Alberonis, Mon. Germ. VIII S. 240
Vers 181 ff. und S. 253 Zeile 28 ff., S. 241 Vers
238 ff.). Die letztzitirte Stelle bekundet aber,
dafs man im Jahre 1142 ernstlich an eine bessere
Befestigung der Stadt durch Mauern und Thürnie
dachte. Etwa 100 Jahre später finden sich um
1248 neue Nachrichten von neuen Befestigungs-
arbeiten der Stadt. (Vergl. Gesta Trev. Conti-
nuatio V in Mon. Germ. Script. XXIV S. 410
Zeile 3 ff. und Beyer, Mittelrheinisches Urkun-
denbuch III Nr. 932 S. 700 Zeile 10.) Die alte
Ummauerung der Domfreiheit mit ihren Thoren
ist zwar bis zum Anfang dieses Jahrhunderts
bestehen geblieben, aber selbstredend hörte der
Befestigungszweck mit der neuen Stadtbefesti-
gung auf. Erst nachdem so die Befestigung der
Domfreiheit zwecklos geworden war, kann ein
Stück der Ludolf'schen Befestigung niedergelegt
und darauf die nördliche Kapellenmauer angelegt
worden sein. Dies in Verbindung zu bringen
mit der Stadtbefestigung von 1248 erscheint
schlechterdings unmöglich. Denn bekanntlich
wurde um diese Zeit die Liebfrauenkirche und
ebenso gerade um dieselbe Zeit — noch vor
1250 — die rein gothische Marienkapelle in
der Abtei S. Eucharii sive S. Mathiae gebaut
(die Ruinen stehen zum Theil noch jetzt. Vgl.
dazu Mon. Germ. Script. XV S. 1279 Zeile 40 ff.
und Anm. 2, und S. 1280 Anm. 1). Es ist aus-
geschlossen, dafs um dieselbe Zeit an demselben
Ort unsere noch vollständig der romanischen
Formgebung folgende Kapelle erbaut ist. Man

kann deshalb nur sagen, sie mufs nach der Stadt-
befestigung von 1140 erbaut sein. Andererseits
sprechen aber auch wieder die Formen gegen eine
so frühe Zeit, dieselben weisen vielmehr darauf
hin, dafs das Bauwerk gegen Ende der romanischen
Epoche entstanden ist. Es mag dem Schlufs des
XII. oder dem Anfang des XIII. Jahrh. angehören,
und man wird deshalb die Erbauung der Kapelle
auf die Zeit um 1200 datiren können.

Auf diese Zeit weist auch der Charakter der
Majuskel-Inschrift hin, die sich auf zwei Seiten
einer Gesimskonsole an der östlichen Chorwand
zeigt. „Eleo Gerlaci" ist ihr Wortlaut, für den
es bislang an einer sicheren Erklärung fehlt.

Ebenso dunkel ist der Zweck, dem die Ka-
pfelle zu dienen bestimmt war. Man kann im Hin-
blick darauf, dafs in dem zugehörigen Garten der
Kurie vordem viele Gebeine gefunden worden
sind, und in Rücksicht auf den Umstand, dafs die
erwähnte kleine Fensteröffnung in der Südwand
wohl zur Anbringung eines Lichtes gedient hat,
indefs die Frage aufwerfen, ob die Kapelle viel-
leicht als Friedhofskapelle für die Domfreiheit
gedient hat.

Es ist ein interessantes Zusammentreffen, dafs
die drei mittelalterlichen Bauperioden, welche
uns zu Trier in dem Westbau des Domes ein
Werk der frühromanischen Kunst, in seinem
Chorbau eine Schöpfung aus der Blüthezeit des
entwickelten romanischen Stiles, und endlich in
der Liebfrauenkirche eine Perle des frühgothi-
schen Stiles hinterlassen haben, auch sämmtlich
in drei kleineren Bauwerken in Trier vertreten
sind. Der Westbau des Domes fällt in die Zeit
von 1038 bis 1078, und derselben Zeit, der
zweiten Hälfte des XL Jahrh., gehört die Ka-
pelle zu Heiligkreuz an, deren tiefgehende Ueber-
einstimmung mit der Formgebung des Trierer
Westbaues ich jüngst an anderem Orte darge-
than habe.1) Der Chorbau des Trierer Domes
fällt in die Jahre 1190 bis 1212, also in die-
selbe Zeit, der unsere Kapelle angehört. Mit
der Liebfrauenkirche endlich, deren Erbauung
in die Zeit von 1227 bis 1244 fallt, ist gleich-
zeitig die Marienkapelle bei St. Mathias, welche,
wie schon erwähnt, noch vor 1250 erbaut wurde.

Freiburg (Schw.) W. Effmann.

l) Effmann, Heiligkreuz und Pfalzel, im diesjäh-
rigen Herbstprogramm der Universität Freiburg (Schw.).
 
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