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Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

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https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0201

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353

1890.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

354

lassen.58) Aus der ganzen Art, wie der sogen.
Heraclius54) und der Mönch Theophilus Pres-
byter55) diese wenig ernst zu nehmenden Re-
zepte wiederholen, geht hervor, dafs diesen
Kompilatoren die Technik des Stein- und Glas-
schnitts aus eigner Anschauung nicht bekannt
war. Ein Schriftsteller, welcher sich mit diesem
Gegenstande viel beschäftigt hat, Friedrich,56)
nimmt deshalb keinen Anstand, die Erfindung
und geflissentliche Verbreitung dieser Fabeln
den Sarazenen zuzuschreiben, welche hierdurch
irrezuführen, die von ihnen ausgeübte Technik
mit erdichteten Schwierigkeiten zu umgeben
und sich so vor einer Nachahmung durch An-
dere zu schützen suchten.

Die Glasschneidekunst aber steht mit dem
künstlerischen Edelsteinschnitt in engster Be-
ziehung; wie die Technik und die dazu ver-
wendeten Werkzeuge die nämlichen sind, so ist
auch eine Entwickelung der einen Kunst ohne
die andere undenkbar. Es ist dabei wohl zu
beachten, dafs die sichere Ausführungsweise der
sogen. Hedwigsgläser keineswegs den Anfang
dieser Kunstübung bezeichnet; es ist ein weiter
Sprung von den wenig gelungenen und rohen
Gravirversuchen auf den seltenen mittelalter-
lichen Gemmen und Siegelsteinen bis zu dem
kühnen und in seiner Art vollkommenen Tief-
schnitt der ersteren. Wo aber sind die Vor-
läufer dieser entwickelten Technik im Abend-
lande, wo sind vor allen Dingen die verbinden-
den Glieder zu suchen, welche zu der späteren
Glasschneidekunst des XVII. Jahrh. hinüberleiten
und an welche diese etwa hätte anknüpfen kön-
nen? Etwas müfste sich doch erhalten haben!
Es ist nicht leicht anzunehmen, dafs diese Kunst-
übung, wenn sie im XIII. Jahrh. im Abendland
und speziell in Deutschland vorhanden war, so-
fort nach der Anfertigung der sogen. Hedwigs-
gläser in völlige Vergessenheit gerathen sei,

6S) Vergl. darüber Friedrich a. a. O. S. 181 ff.
Plinius h. n. XX, prooem. und XXXVI, 193 (Er-
weichung durch Bocksblut).

M) »Heraclius, von den Farben und Künsten der
Römer«, herausgegeben von A. Ilg Quellenschrift zur
Kunstgeschichte, IV. Bd., lib. I, c. IV. Vergl. die An-
merkungen des Herausgebers ebenda S. 116 ff.; ebenda
lib. III, c. IX (Erweichung mit Ziegenmilch).

BR) »Theophilus Presbyter, Diversarum artium sche-
dula«, herausgegeben von A. 11g Quellenschrift zur
Kunstgeschichte, VII. Bd., lib. III, c. XCIV.

»•) a. a. O. S. 192.

etwa wie dies für verschiedene Zweige der ge-
werblichen Künste nach dem Untergang des
weströmischen Reiches in Folge der Völker-
wanderung angenommen wird. Wir wissen, dafs
die Glasschneidekunst in Deutschland bezw.
Böhmen ihre Anregung durch die am Ende
des XVI. Jahrh. am Hofe Rudolfs IL in Prag
lebenden italienischen Edelsteinschneider, na-
mentlich die beiden Miseroni, Girolamo und
Gaspare, erhielt. In Italien selbst entwickelte
sich die Kunst durch sarazenischen Einflufs im
XV. und XVI. Jahrh.

Ferner ist zu berücksichtigen, dafs der Stil
und das Verfahren der ersten böhmischen und
schlesischen Glasschneider sich als wesentlich
verschieden von jenen älteren Glasskulpturen
erweisen. Während der orientalische Krystall-
schnitt, ebenso wie bei den uns beschäftigen-
den Gläsern, den Grund aushebt und die Dar-
stellung in starkem Relief zeigt, arbeitete der
Glasschneider des XVII. Jahrh. die meist zarte,
in der Fläche gehaltene Zeichnung in das Glas
hinein. Es ist also thatsächlich eine Gravirung
mit dem Rade; erhabene Darstellungen finden
sich nur sehr selten, in späterer Zeit und meist
als Zuthaten zu gravirten Gläsern in Form von
Blattkelchen, Muscheln und Pflanzenornament
an einzelnen Stellen, vorzugsweise dort, wo der
Kelch der Deckelpokale sich auf den Fufs auf-
setzt. Dagegen ist die erhabene, ausgegründete
Arbeit bei den Gegenständen aus Bergkrystall
des XVI. und XVII. Jahrh., ital'enischen wie
deutschen Ursprungs, die Regel.

Ich kann aus allen diesen Gründen nicht
umhin, der Ansicht Gerspachs beizupflichten, und
halte die sogen. Hedwigsgläser für orientalischen
Ursprungs. Darin bestärkt mich der Umstand,
dafs sie vielfach als Mefskelche und Reliquien-
behälter gefafst angetroffen werden. Sie ver-
danken diese Ehre wohl nur dem Umstände,
dafs sie von Pilgerfahrten aus dem hl. Lande
mitgebracht wurden.

Ich bin übrigens der Ansicht, dafs aufser
den vorstehend aufgeführten noch mehr der-
artige Gefäfse vorhanden sind und hoffe, dafs
sie durch einen günstigen Zufall ans Licht ge-
zogen werden. Vielleicht ergiebt sich alsdann
bei dem einen oder dem andern noch ein Mo-
ment, welches bei der Beantwortung der Frage
nach der Herkunft entscheidend ist.

Breslau. E. v. Czihak.
 
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