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1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 12.
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nischen Meisters S, sagt aber selbst, dafs es sehr
abweichend behandelt und minder fein gestochen
sei, als andere Arbeiten dieses Künstlers; auch
seien die Nimben nicht Scheiben- sondern strah-
lenförmig. Passavant schliefst sich dem an und
möchte das Blatt, das er im Werk des Meisters 5
aufführt, für die Arbeit eines Schülers ausgeben.
Der Stich ist aber jedenfalls älter als die Blätter
des Meisters 5, welcher bereits voll und ganz auf
dem Boden des XVI. Jahrh. steht, einen Sünden-
fall (B 1) nach Cranach kopirt3) und eine Apostel-
folge von 1519 und 1520 datirt hat. Ich halte
das Berliner Blatt für eine sehr charakteristische
Arbeit des Meisters P W aus dessen späterer Zeit,
um oder bald nach 1500. Die Analogien mit dem
Schweizerkrieg, besonders in den Typen und
der Zeichnung der Gebäude, sind in die Augen
springend. Hasen, Nelken, Rosen und Aggeley
decken sich genau mit jenen auf den gleichfalls
unbezeichneten runden Spielkarten des Kölners.
Der Berliner Abdruck ist theilweise mit Karmin,
Violett, Hellbraun, Zinnober und Grün kolorirt.
Dieselben matten Farben sind bei den runden
Karten in Dresden angewendet.
Ein sonderbarer Zufall liefs mich eine Kopie
dieses Stiches auf der Königlichen Bibliothek
in Dresden finden, welche in der That vom
Meister 5 herrührt und auch dessen Monogramm
unten rechts von der Mitte trägt. Der Rasen,
die Blumen und die Häschen, wie auch der
hübsche Blumenrahmen fehlen. Dagegen hat
der Kopist oben gothisches Mafswerk — wie
bei vielen anderen seiner Stiche — und unten
auf einer breiten Tafel die Namen: Jhesus
Maria Anna in Majuskelschrift hinzugefügt.
Die Mafse betragen 79 : 46 mm Einf. Der Stich
welcher Passavant unbekannt blieb und meines
Wissens unbeschrieben ist, findet sich — mit
dicken Farben illuminirt — auf p. 260 verso
der Handschrift M 291, welche von einer Nonne
Ghese ten Broeke aus Kloster Zelwert herrührt.
Handelte es sich hier um die Kopie eines
Stiches des Meisters PWsow der Hand eines nur
muthmafslich kölnischen Stechers, so diente
ein anderes seiner Blätter, der hl. Hieronymus
P. IL 162, 6,4) einem der bekanntesten kölnischen
s) Dafs dieser kleine Stich nur eine Kopie nach
Cranach's Holzschnitt von 1509 (B 1) ist, hat Passa-
vant nicht bemerkt.
*) Nr. 8 meines Verzeichnisses. Bisher war nur
der Abdruck in Dresden bekannt. Anfang 1889 fand
ich die rechte Hälfte eines zweiten Exemplars arg zer-
Meister zum Vorbilde. Jakob Binck hat es in
vielen Punkten gegenseitig für seinen hl. Hiero-
nymus benutzt. Der Heilige selbst und sein Löwe
sind freilich ganz verändert, beibehalten dagegen
der dürreBaum hinter ihm, an dem sein Kardinals-
hut hängt, und die Felsenhöhle. Die eigenthüm-
lichen Bäume links darauf befinden sich bei Binck
links im Hintergrunde. Das Kloster ist nach
rechts verlegt; auch die mangelhaft gezeichneten
Kameele mit ihren Schwanenhälsen verrathen
deutlich die Abhängigkeit von Meister PW.b)
Schon Bartsch zählt den Hieronymus wegen
der schlecht angeordneten Komposition, der
dürftigen Zeichnung und kindlichen Perspek-
tive, der mageren Technik zu den frühesten
Arbeiten des Binck, und, wie mir scheint, mit
vollem Recht. Es liegt also sehr nahe, dafs der
Künstler, der niemals zu voller Selbstständigkeit
heranreifte, sondern bald von Marcanton, bald
von Dürer, den Brüdern Beham, Aldegrever,
Lucas van Leyden und Hans Baidung Grien
seine Anlehen machte, in jungen Jahren aufser
einigen Stichen Martin Schongauer's auch solche
seines grofsen Mitbürgers P W kopirt habe.
Von den berufsmäfsigen Kopisten des XV.
Jahrh., die, wie später Jakob Binck, sich auf
Kosten ihrer talentvolleren Kollegen einen Na-
men machten, sind Wenzel von Olmütz und
Israhel van Meckenem, wie es scheint, die Ein-
zigen, welche Stiche des Meisters P W kopirt
haben. Von dem Ersteren habe ich in meiner
Monographie6) elf Blätter aufgeführt, zu denen
aber nur in drei Fällen die Originale des J7 W
erhalten sind, während man bei den übrigen acht
Stichen aus stilistischen Gründen auf das einstige
Vorhandensein von Vorlagen desselben Künst-
lers schhefsen kann. Dafs aber auch Israhel van
Meckenem gelegentlich einen Stich des Meisters
P IV kopirt habe, geht aus einem seiner besten
und technisch reifsten Blätter hervor, dem wohl
ohne Frage ein verschollenes Original des /'/)'
zu Grunde liegt. Es ist der von Bartsch unter
Nr. 130 beschriebene Stich SS. Maria Aegyp-
tiaca und Maria Magdalena, von dem hier
eine etwas genauere Beschreibung folgen möge:
rissen und fleckig in der Sammlung des Grafen v. Maltzan
auf Schlofs Militsch i. Schi.
') Robert Stiassny (»Chronik für vervielfältigende
Kunst« III. [1890] S. (S7) findet, dafs der Hieronymus
in der Anlage stark an Lucas van Leyden erinnert,
eine Annahme, die sich durch den Nachweis des wirk-
lichen Vorbildes erledigt.
<■) »Wenzel von Olmütz«, Dresden 1889, S. 102 e.
1891. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST
Nr. 12.
390
nischen Meisters S, sagt aber selbst, dafs es sehr
abweichend behandelt und minder fein gestochen
sei, als andere Arbeiten dieses Künstlers; auch
seien die Nimben nicht Scheiben- sondern strah-
lenförmig. Passavant schliefst sich dem an und
möchte das Blatt, das er im Werk des Meisters 5
aufführt, für die Arbeit eines Schülers ausgeben.
Der Stich ist aber jedenfalls älter als die Blätter
des Meisters 5, welcher bereits voll und ganz auf
dem Boden des XVI. Jahrh. steht, einen Sünden-
fall (B 1) nach Cranach kopirt3) und eine Apostel-
folge von 1519 und 1520 datirt hat. Ich halte
das Berliner Blatt für eine sehr charakteristische
Arbeit des Meisters P W aus dessen späterer Zeit,
um oder bald nach 1500. Die Analogien mit dem
Schweizerkrieg, besonders in den Typen und
der Zeichnung der Gebäude, sind in die Augen
springend. Hasen, Nelken, Rosen und Aggeley
decken sich genau mit jenen auf den gleichfalls
unbezeichneten runden Spielkarten des Kölners.
Der Berliner Abdruck ist theilweise mit Karmin,
Violett, Hellbraun, Zinnober und Grün kolorirt.
Dieselben matten Farben sind bei den runden
Karten in Dresden angewendet.
Ein sonderbarer Zufall liefs mich eine Kopie
dieses Stiches auf der Königlichen Bibliothek
in Dresden finden, welche in der That vom
Meister 5 herrührt und auch dessen Monogramm
unten rechts von der Mitte trägt. Der Rasen,
die Blumen und die Häschen, wie auch der
hübsche Blumenrahmen fehlen. Dagegen hat
der Kopist oben gothisches Mafswerk — wie
bei vielen anderen seiner Stiche — und unten
auf einer breiten Tafel die Namen: Jhesus
Maria Anna in Majuskelschrift hinzugefügt.
Die Mafse betragen 79 : 46 mm Einf. Der Stich
welcher Passavant unbekannt blieb und meines
Wissens unbeschrieben ist, findet sich — mit
dicken Farben illuminirt — auf p. 260 verso
der Handschrift M 291, welche von einer Nonne
Ghese ten Broeke aus Kloster Zelwert herrührt.
Handelte es sich hier um die Kopie eines
Stiches des Meisters PWsow der Hand eines nur
muthmafslich kölnischen Stechers, so diente
ein anderes seiner Blätter, der hl. Hieronymus
P. IL 162, 6,4) einem der bekanntesten kölnischen
s) Dafs dieser kleine Stich nur eine Kopie nach
Cranach's Holzschnitt von 1509 (B 1) ist, hat Passa-
vant nicht bemerkt.
*) Nr. 8 meines Verzeichnisses. Bisher war nur
der Abdruck in Dresden bekannt. Anfang 1889 fand
ich die rechte Hälfte eines zweiten Exemplars arg zer-
Meister zum Vorbilde. Jakob Binck hat es in
vielen Punkten gegenseitig für seinen hl. Hiero-
nymus benutzt. Der Heilige selbst und sein Löwe
sind freilich ganz verändert, beibehalten dagegen
der dürreBaum hinter ihm, an dem sein Kardinals-
hut hängt, und die Felsenhöhle. Die eigenthüm-
lichen Bäume links darauf befinden sich bei Binck
links im Hintergrunde. Das Kloster ist nach
rechts verlegt; auch die mangelhaft gezeichneten
Kameele mit ihren Schwanenhälsen verrathen
deutlich die Abhängigkeit von Meister PW.b)
Schon Bartsch zählt den Hieronymus wegen
der schlecht angeordneten Komposition, der
dürftigen Zeichnung und kindlichen Perspek-
tive, der mageren Technik zu den frühesten
Arbeiten des Binck, und, wie mir scheint, mit
vollem Recht. Es liegt also sehr nahe, dafs der
Künstler, der niemals zu voller Selbstständigkeit
heranreifte, sondern bald von Marcanton, bald
von Dürer, den Brüdern Beham, Aldegrever,
Lucas van Leyden und Hans Baidung Grien
seine Anlehen machte, in jungen Jahren aufser
einigen Stichen Martin Schongauer's auch solche
seines grofsen Mitbürgers P W kopirt habe.
Von den berufsmäfsigen Kopisten des XV.
Jahrh., die, wie später Jakob Binck, sich auf
Kosten ihrer talentvolleren Kollegen einen Na-
men machten, sind Wenzel von Olmütz und
Israhel van Meckenem, wie es scheint, die Ein-
zigen, welche Stiche des Meisters P W kopirt
haben. Von dem Ersteren habe ich in meiner
Monographie6) elf Blätter aufgeführt, zu denen
aber nur in drei Fällen die Originale des J7 W
erhalten sind, während man bei den übrigen acht
Stichen aus stilistischen Gründen auf das einstige
Vorhandensein von Vorlagen desselben Künst-
lers schhefsen kann. Dafs aber auch Israhel van
Meckenem gelegentlich einen Stich des Meisters
P IV kopirt habe, geht aus einem seiner besten
und technisch reifsten Blätter hervor, dem wohl
ohne Frage ein verschollenes Original des /'/)'
zu Grunde liegt. Es ist der von Bartsch unter
Nr. 130 beschriebene Stich SS. Maria Aegyp-
tiaca und Maria Magdalena, von dem hier
eine etwas genauere Beschreibung folgen möge:
rissen und fleckig in der Sammlung des Grafen v. Maltzan
auf Schlofs Militsch i. Schi.
') Robert Stiassny (»Chronik für vervielfältigende
Kunst« III. [1890] S. (S7) findet, dafs der Hieronymus
in der Anlage stark an Lucas van Leyden erinnert,
eine Annahme, die sich durch den Nachweis des wirk-
lichen Vorbildes erledigt.
<■) »Wenzel von Olmütz«, Dresden 1889, S. 102 e.