Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 3.1890

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3822#0224

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
397

1890. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

398

der Vorzeit kaum nachstehen. Seine Sachen sind zudem
nicht theuer; kostet doch der Quadratmeter je nach dem
Reichthum des Musters nur G bis 16 Mk. In erfreulicher
Art thut hier die Erfahrung dar, dafs selbst einfache
Arbeiter bei guter Anleitung, bei Fleifs und Ausdauer
vortreffliche Erzeugnisse zu liefern vermögen. Die An-
lage, sich zum Kunsthandwerker zu erheben, fehlt auch
heute nicht. Was dem Handwerker fehlt, ist nur zu
oft die Gelegenheit, seine Kraft zu erproben, und die
Anleitung, sie in rechter Weise zu vervverthen.

Wie diese emaillirten Platten sind auch die Fenster
koloristisch und stilistisch zu den Malereien in enge
Beziehung gesetzt. Es mufs freilich der Grundsatz
betont und als Regel festgehalten werden, dafs Jeder
bei seinem Fach bleiben soll, dafs also Wandmaler
und Glasmaler in Einheit zu wirken haben, nicht aber
zu einer Person zu vereinen sind. Es mufs weiterhin
der prinzipielle Satz festgehalten werden, das Material
solle die Ausführung beherrschen. Demnach sollen
Fenstermalereien einerseits den Charakter von Licht
durchlassenden Scheiben wahren, andererseits aber als
teppichartiger Verschlufs dienen. Nie dürfen sie die
Architekturtheile zu Bilderrahmen von Stein erniedrigen.
Die Erfahrung beweist bis zur Evidenz, dafs Maler
durch die Natur ihrer Kunst dazu geneigt werden,
ihre malerischen Grundsätze auch auf andere Zweige
zu erstrecken, und dafs sie dadurch unbewufst der Stil-
losigkeit oder Stilmengerei oftmals in die Hände ar-
beiten. In Anholt war der Maler trotzdem gezwungen,
die Fenstermalereien selbst zu zeichnen. Da er ältere
Fenstermalereien gründlich studirt und mit ernstem
Wollen nachgeahmt, zudem seine Kartons bei einem
geschickten Meister (W. Derix zu Goch) hat ausführen
lassen, sind die Uebelstände nicht eingetreten, welche
sonst nur zu leicht und nur zu oft zu Tage kommen,
wo Maler farbige Fenster besorgen. Die Chorfenster
sind in einfacher Grisaille ausgeführt unter Anlehnung
an die von Camesina herausgegebenen Klosterneuburger
Meisterwerke. Huntes Glas hätte hier das ohnehin
mangelhafte Licht zu sehr vermindert. Da im Gegensatz
zum finstern Chor das Kreuzschiff eine Ueberfulle von
Licht besafs, sind die fünf Fenster des südlichen Kreuz-
armes tieffarbig verglast. Sie ahmen die höchste Gluth
der prächtigsten Erzeugnisse romanischer Kunst nach.
Die kleinern thun dies in reichen Ranken, das mittlere,
gröfsere in einem Bilde der Mutter Anna, die ihr Kind
Maria unterweist. In diesem figuralen Fenster ist der
Farbenton der omamentirten Fenster sowie die strenge
Anordnung alter Vorbilder festgehalten, die Zeichnung
der Figur aber, unter Streben nach Stilisirung, doch
richtig gegeben. Warum sollte man heute nicht jene
Ungelenkigkeit alter Figuren vermeiden, wodurch das
moderne Gefühl so sehr verletzt wird I

Die Malereien sind nach der Keim'schen Me-
thode ausgeführt. Der Grund wurde sorgfältig vor-

bereitet und blieb aufsaugungsfähig. Mit Ausschlufs
aller vegetabilischen und anilinhaltigen Stoffe sind nur
einfache Erd- und Mineralfarben ohne Zusatz eines
Bindemittels, also nur mit Wasser aufgetragen. Das
vollendete Bild wurde vier- bis fünfmal bis zur vollen
Sättigung mit Fixativ bespritzt. Als Festigungsmittel
diente hauptsächlich Wasserglas. So zeigen die Ma-
lereien eine dem Fresko gleiche matte Oberfläche. Sie
besitzen eine Festigkeit und Härte, die nicht nur dem
Wasser, sondern auch dem Spiritus widerstehen, selbst
bei leichter mechanischer Verletzung durch Bürsten
oder kratzende Eisentheile keine Spuren aufnimmt. Das
Reinigen der so ausgemalten Kirche mittels grofser
Besen ist darum in keiner Weise ausgeschlossen.

Die Mittel zur Ausführung haben grofsmüthige
Geschenke des fürstlichen Hauses, besonders Seiner
Durchlaucht des Fürsten Leopold von Salm-Salm, vor
Allem ein unter opferwilliger Leitung des Herrn
Kaplans Teilen stehender „Pfennigverein" aufgebracht.
Man ging von dem nicht genug zu empfehlenden
Grundsatz aus, malen zu lassen, nachdem eine ge-
nügende Summe gesammelt sei, dann eine Pause ein-
treten zu lassen und erst wiederum zu beginnen,
nachdem neue Gelder eingekommen seien. Dadurch
ward die Opferwilligkeit stärker angeregt, und man
konnte nach und nach so bedeutende Mittel herbei-
schaffen und verwenden, wie sie nie zu erlangen ge-
wesen wären, wenn man nach einem einmaligen Kosten-
anschlag die Ausführung des Ganzen in einem Zuge
zu unternehmen versucht hätte.

Dies System der allmählichen Ausführung wurde
ehedem fast immer eingehalten. Es sichert Ruhe und
Besonnenheit, bringt reichere und bessere Ausführung,
es bewahrt vor Schulden und deren mifslichen Folgen.

Nichts hier auf Erden ist nach allen Seiten hin
vollkommen und tadellos. Aber angesichts des wahr-
haft grofsartigen Eindruckes, den diese Malereien be-
sonders am Abend bei ausreichender Beleuchtung
machen, verstummt die Kritik. Man mufs dem Herrn
Dechanten Achterfeld und seiner Gemeinde Glück
wünschen zu einer solchen Arbeit. Ohne Zweifel
wird Anholt's Kirche, wenn sie einmal in vollendetem
Schmucke dasteht, eines der bestdekorirten Gottes-
häuser sein, die man kennt. Durch treues, jahrelanges
Studium mittelalterlicher Vorbilder hat Herr Stummel
den Weg gefunden zu solchen Erfolgen. Möchte er
fortfahren in noch strengerer und einheitlicherer Nach-
ahmung einer bestimmt abgegrenzten Periode deutscher
Kunstthätigkeit des Mittelalters, dann werden seine
Werke Epoche machen und auf Jahrhunderte hin
fromme Gemüther zur Betrachtung heiliger Stoffe und
zur Erregung christlicher Gesinnung anleiten. Das mufs
der Kirchenmaler wollen und anstreben. Wollte er
nur ein Kunstwerk vollenden, so würde er seiner Auf-
gabe nie gerecht werden. Steph Beissel S. I.
 
Annotationen