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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Herzig, R.: Der große Radleuchter im Dome zu Hildesheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0026

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1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 1.

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bracht war. Ein Vergleich mit der Azelin'schen
Krone im Chor bringt auf die Vermuthung,
dafs die Portalöffnungen ähnlich wie in jener
Krone noch heute zu sehen, mit Metallblech,
nach Art einer Nische, geschlossen war. Aller-
dings ist die Nischenfüllung nicht mehr die
ursprüngliche, sondern die spätgothischen Einzel-
heiten lassen auf eine spätere Ergänzung
schliefsen, die jedoch wahrscheinlich dem älteren
Vorbild nachgebildet sind. — Eine weitere
Frage ist, ob sämmtliche 12 Thore von runden
Flankirungsthürmchen begleitet waren. Auf-
fallend ist nämlich, dafs gerade die eine Hälfte
der 12 Thore mit den ursprünglichen fein ge-
zeichneten Thürmchen ausgestaltet ist, während
die anderen 6 mit rohen Kupferröhren, vom
Jahre 1818 herrührend, versehen sind. Sollten
diese etwa nach dem Vorbild der kleinen Krone
im Chor mit anders geformten, etwa aus dem
Achteck gebildeten, ausgestaltet gewesen sein?
Ferner ist nicht unbedingt zweifellos die Frage
zu bestimmen, wo ursprünglich die Lichtträger
gesessen haben. Jetzt sind sie bekanntlich
hinter den Zinnen am obern Ende des Reifs
angebracht; wenn auch zuzugeben ist, dafs die
jetzige Stelle zweckmäfsig gewählt ist für die
Beleuchtung der Kirche, so spricht doch die
Art der Anbringung sehr dagegen, dafs dies
die ursprüngliche Form sei. Denn dem äst-
hetischen Gefühl genügt die Anbringung der
röhrenförmigen Leuchterhalter an der Rück-
fläche der Zinnen in keiner Weise; das untere
Ende der Kupferröhren ist ohne Schlufs und
Deckung. Es ist schwer anzunehmen, dafs
diese Befestigung die ursprüngliche gewesen
ist. Auch der Umstand, dafs an jeder Röhre
noch drei unbenutzte Durchlochungen vor-
handen sind, läfst eine andere Anbringung ver-
muthen. Wie und wo, ist vorläufig noch
räthselhaft. Für die jetzige Anbringung der
Leuchter auf der Peripherie haben wir allerdings
in den beiden noch erhaltenen Radleuchtern zu
Aachen und Komburg, sowie in der kleinen
Krone im Chore zu Hildesheim, wo die Leuchter
auf blattähnlichen Gebilden sitzen, Beispiele.
Gelegentlich der vorzunehmenden Restauration
des Kronleuchters ist der Gedanke angeregt,
statt der Kerzenbeleuchtung electrisches Licht
zu verwenden. Man würde dadurch die Lichter-
träger mit ihrer nicht schönen Befestigung ent-
behrlich machen, und ferner den Kronleuchter
vor Beschädigungen und Verunreinigungen, die

beim Anzünden und Löschen der Kerzen un-
vermeidlich sind, bewahren. Um jedoch Mifs-
verständnissen vorzubeugen, soll von vorn-
herein bemerkt werden, dafs die Frage nur aus
praktischen Gründen aufgeworfen wurde, und
noch weit von Verwirklichung entfernt ist.

Aufser den Kerzen an der Peripherie hatte
der Kronleuchter noch eine andere Lichtquelle,
eine im Centrum des Reifs, unter der grofsen
Kugel hängende Leuchte. In einer Urkunde
vom Jahre 1442 stiftete Hermann Knyghe,
Domherr zu Hildesheim, eine jährliche Rente,
zu zahlen auf St. Michaelis Tag, „to dem
leckte, dal hanget midden in unserem dorne in
der groten ktonen, dal leckt darmede to holdende
und to beternde und ewigliien to bernende."
(Nach einer gütigen Mittheilung von Dr. Bertram.)
Es mag dies ,,leckt" wohl eine Oellampe ge-
wesen sein, die, nach Art der Ewigen Lampen
gebildet, mitten in der Krone hing. Ebenfalls
verschwunden sind die am Radleuchter zu den
hohen Festzeiten angebrachten Engelfiguren.
Nach einer Urkunde stiftete der Domvicar
Diedrich Schütte im Jahre 1411 für den weifsen
Sonntag eine hochfestliche Feier und bestimmte
dabei, dafs: ,,de groten krönen mid den enghelen
.... to tzytende." Wo diese Engelfiguren
angebracht wurden, ist mit einiger Sicherheit
wohl anzugeben. Eine früher verbreitete An-
sicht, dafs sie in den Nischen der Thürme
oder Thore gestanden, ist deshalb haltlos, weil
diese zu klein, und der von schwachem Blech
gebildete Boden zum Tragen solcher Gegen-
stände nicht geeignet ist. Eine andere Ver-
muthung hat jedoch viel für sich, nämlich, dafs
sie oberhalb der 12 Thore angebracht waren.
! Hier sind noch heute eiserne, mit dem Eisen-
gerüst des Reifs fest verbundene, bajonetartige
Zapfen angebracht, welche zum Aufstecken
von Metallfiguren augenscheinlich recht geeignet
sind, und aufser diesem keinen Zweck gehabt
haben können.

In den obigen Zeilen ist es versucht, die
ehemalige Form des Leuchters aus den heute
noch vorhandenen Resten und Bestandtheilen
zu rekonstruiren und für die eingeleitete Restau-
ration einige Fingerzeige zu geben. Möge es
ein kleiner Beitrag sein zur Klärung über
die verschiedenen noch dunkelen Fragen, be-
treffend den ursprünglichen Zustand des
Leuchters!

Hildesheim. R. Herzig.
 
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