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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Braun, Joseph: Die Stola des Erzbischofs Theoderich II. von Trier
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0028

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29

1901.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTUCHE KUNST — Nr. 1.

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sonst ist, worauf der Heiland steht, hat er in
die Füfse desselben umphantasirt. Der
Höllendrache, in dessen Rachen Christus die
Kreuzeslanze stöfst, ist zu einem Löwen ge-
worden, der dem Beschauer sein Gesicht zu-
wendet. Am besten sind, wenngleich immer
noch mangelhaft, die „drei Marien am Grabe".
Bei der Himmelfahrtsszene hat v. Wilmowsky
einen der Zeugen des Geheimnisses völlig aus-
gelassen, die Figuren auf ein verschiedenes
Planum gestellt und den Engel, der die Jünger
tröstet, zu einem Zuschauer gemacht. Dafs er
dem Auffahrenden und den die Mandorla
haltenden Engel Schuhe statt blofser Füfse
angezeichnet hat, ist noch ein kleiner Ver-
stofs. Die Umbordung der Stola ist ganz
ausgelassen, der Stil der bildlichen Darstel-
lungen absolut und in keiner Weise wieder-
gegeben. Es wäre in der That zu wünschen,
dafs an Stelle der gänzlich ungenügenden
v. Wilmowsky'schen Abbildung eine neue
korrekte Zeichnung der Stola angefertigt würde,
ehe letztere ganz zu Grunde geht.

Beachtung verdient die Ungleichheit, welche
in Bezug auf die Höhe der nämlichen Szenen
besteht. Die Differenz ist theilweise recht be-
trächtlich. Ueberhaupt ist es dem Meister auf
eine saubere, gleichmäfsige Arbeit nicht an-
gekommen. Interessant ist ferner, dafs die
Darstellungen des einen Streifens, die Schrift
nicht ausgeschlossen, auf dem andern völlig
umgekehrt erscheinen. Ob das der Symmetrie
halber mit Absicht geschehen ist oder ob der
Grund in gewissen mechanischen Einrichtun-
gen des Webstuhles lag, auf dem die Stola
hergestellt wurde, ist schwer zu sagen. Eigen-
thümlich ist die Sache jedenfalls.

Ein der Trierer Stola verwandtes Ornat-
stück wird zu Utrecht im Archiv der „bis-
schoppelijke (jansenistischen) Kleresie" auf-
bewahrt. Es gilt als Stola des hl. Bernulf
(t 1054). Wir fügen von ihr eine theil-
weise Abbildung an, die nach einer von Maler
Kleinertz seiner Zeit angefertigten und im
»Het Gildeboek« Bd. II, S. lff. und Tfl. 2
veröffentlichten farbigen Kopie hergestellt ist.
Die auf ihr sich wiederholende Folge von
Szenen setzt sich zusammen aus der Verkün-
digung, der Geburt, der Anbetung durch die
Weisen, Christus am Kreuz, die Frauen am
Grabe, Christus und Maria Magdalena (Auf-

erstehung), Himmelfahrt und Glorie Christi.
Eine gewisse Aehnlichkeit zwischen der Trierer
und der Utrechter Stola ist unverkennbar.
Dabei bestehen allerdings andererseits bedeu-
tende Verschiedenheiten. Es sind nicht nur
dieselben Scenen ikonographisch sehr ungleich
behandelt, sondern es sind auch die bild-
lichen Darstellungen der Trierer Stola weit
durchgebildeter und edler, als das kindlich
naive und ganz unbeholfene Bildwerk ihres
Utrechter Gegenstückes.

Jedenfalls glaube ich nicht, dafs die Trierer
und die Utrechter Stola zeitlich soweit ausein-
ander liegen, wie solches die Verschiedenheit
in der zeichnerischen Vollendung vermuthen
lassen könnte und wie es nach der Utrechter
Tradition der Fall wäre. Vielfache Erfahrung
hat mich belehrt, dafs die sog. Ueberlieferungen,
welche Gewänder bestimmten Personen zuwei-
sen, sehr unzuverlässig sind.1)

Ueber den Ursprungsort der Stola Theo-
dorichs wage ich Vermuthungen nicht aufzu-
stellen. Insbesondere mufs ich es dahin ge-
stellt sein lassen, ob sie, wie man allerdings
anzunehmen geneigt sein möchte, palermita-
nischer Provenienz ist.

Zum Schlüsse noch eine praktische
Frage. Sollte es sich nicht empfehlen, von
neuem Stolen nach Art der Trierer und Ut-
rechter Stola, natürlich mit korrekteren Des-
sins, herzustellen? Die Dutzendwaare, die heute
mittelst der Maschinenstickerei en masse fabri-
zirt wird, ist denn doch ein zu geist- und werth-
loses Zeug. Man hat mit Erfolg angefangen, die
in der Technik der Kölner Borten gewebten
Stolen zu reproduziren. Sollte es sich nicht
der Mühe verlohnen, auch nach dem Vorbild
der Trierer und Utrechter Stola wiederum Stolen

ZU weben? Joseph Braun S. J.

*) Unter den bei der Untersuchung der Kaiser-
gräber im Dom zu Speyer (vergl. Grauert »Die
Kaisergräber im Dome zu Speyer.« Bericht über ihre
Oeffnung im August 1900; Sitzungsberichte der kgl.
bayer. Akademie der Wissenschaften, S. 539 bis 617)
gefundenen Gewandstttcken sah ich, Dank der Güte
des Herrn Bibliothekars Dr. W. Schmidt, im National-
museum zu München gelegentlich des Gelehrtenkon-
gresses, den Rest einer Stola, die ebenfalls dem An-
fange des XIII. Jahrh. angehört und in Zeichnung wie
Technik derjenigen Theodorichs sehr verwandt ist,
aber, so viel ich mich erinnere, nur eine Standfigur
in der Wiederholung zeigt. Da eine illustrirte Ver-
öffentlichung dieser merkwürdigen Grabfunde bevor-
steht, so wird gewifs auch diesem Reste eine Abbil-
dung gewidmet werden. D. H.
 
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