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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Semper, Hans: Eine venetianische Holztafel mit Beinreliefs im Kensington-Museum, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0056

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71

1901.

ZEITSCHRIFT FÜRTCHRISTLICHE KUNST — Nr. 3.

72

sind zwei Kriegerpaare einander entgegenschrei-
tend dargestellt, indem je einer von ihnen die
rechte Hand auf die Schulter des Andern legt.
Hier wie dort fällt ein langer über der rechten
Schulter durch eine Spange zusammengehaltener
Kriegermantel (paludamentum) über den Rücken,
bis an den Fufsknöchel reichend und den
linken Arm bedeckend.

Hier wie dort ist der sichtbare rechte Arm
oben mit drei Schichten von Lederstücken be-
deckt, während den
Unterarm der engan-

schliefsende Aermel
der Tunica bis zum
Handgelenk verhüllt.
— Auch der sich an
den Körper eng an-
schliefsende Lederpan-
zer ebenso wie die aus
zwei Reihen Laschen
bestehende Lorica, wel-
che an einem mit
runden Metallplättchen
verstärkten Gürtel be-
festigt ist, findet sich
in gleicher Weise an
den Reliefs im Vati-
kan, wie an der S. Mar-
cuskirche. Auch die

eng anschliefsenden
Beinlinge (falls nicht
nackte Beine darge-
stellt sind) finden sich
hier wie dort.

Die Fufsbekleidung
an den vatikanischen
Figuren scheint, so weit
sich erkennen läfst,
ebenfalls nicht wesent-
lich verschieden von
der der Kriegergestalten an der Marcuskirche zu
sein, welche sich deutlich als sogenannter „com-
pagus" d. h. ein auf dem Fufsblatt offener, da-
gegen an Zehen und Hacke von Leder be-
deckter Schuh, der mit Riemen kreuzweise
aufgebunden wurde, zu erkennen giebt. Diese
Fufsbekleidung sollgegen Ausgang der römischen
Kaiserzeit und im Anfang des Mittelalters an
Stelle des „calceus" getreten sein.88)

Die Verschiedenheiten zwischen den vatika-
nischen und venetianischen Kriegergruppen be-

83; Baumeister, Fufsbekleidung I. p. 576.

Fig. 3. Porphyrgruppe römischer Tmperntoren im Museum des
Vatikans.

stehen, abgesehen von stilistischen Eigentüm-
lichkeiten, hauptsächlich darin, dafs die vatika-
nischen Gestalten durchwegs bärtig und mit
Lorbeerkränzen geschmückt sind, während
an den venetianischen Gruppen je eine Figur
einen kurzgeschnittenen Vollbart trägt, die
andere bartlos ist. — Statt der Lorbeerkränze
der vatikanischen Figuren tragen diejenigen von
S. Marco niedrige runde Kappen (Helme
oder Kronreifen) mit einem Loch an der
Vorderseite, in dem
sich vermuthlich Me-
tallschmuck befand. —
Ferner halten die va-
tikanischen Gestalten
in der linken Hand
Kugeln, wogegen die
venetianischen Krieger
mit der Linken den
Griff eines Schwer-
tes umfassen, welcher
geschuppt ist und in
einem Vogelkopf en-
det. Das Schwert
scheint vermittels eines
Hakens am Gürtel der
Loricabefestigt zu sein;
darüber befindet sich
noch ein zweiter, mit
Metall platten und Stei-
nen besetzter Gürtel,
der an den Figuren
des Vatikans fehlt.
Diese doppelten Gürtel
sowohl, ebensowie die
Helme oder Kronen der
Kriegerfiguren von S.
Marco weisen darauf
hin, dafs sie jedenfalls
jüngeren Datums sind
als die Figuren im Vatikan, welche durch die
corona triumphalis, ebensowie durch den
R e i c h s a p f e 1, als römische Imperatoren gekenn-
zeichnet sind. Man könnte an die Cäsaren, welche
Diocletian neben sich einsetzte, denken, wenn
der schlechte Stil dieser Figuren, sowie die langen
Aermel derselben, die unseres Wissens nicht vor
dem VI. Jahrh. an den Darstellungen der römi-
schen Kaiser vorkommen, nicht dem zu wider-
sprechen schienen.89)

39; Vergl. die Statuen des Constanlin (D'Agin-
court »Atlas der Sculptur« T. III f. 2, 3, 4) sowie
 
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