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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Hager, Georg: Zur Geschichte der abendländischen Klosteranlage, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0072

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Abhandlungen.

Zur Geschichte der abendländischen
Klosteranlage.

(Mit 7 Abbildungen.)

,n der Entwicklung der abendländischen
Klosteranlage lassen sich zwei grofse
Perioden unterscheiden. Die eine reicht
von der Zeit des hl. Benedikt bis zum
Ausleben der gothischen Bauperiode,
die andere umfafst die Zeit der Re-
naissance und des Barock. Für die
erstere Periode ist es charakteristisch,
dafs, nachdem einmal für die Anord-
nung der einzelnen Räume und Gebäude ein
Schema aufgestellt ist, an diesem mit ver-
hältnifsmäfsig geringen Variationen und ge-
ringer Fortentwicklung Jahrhunderte lang fest-
gehalten wurde. Eine der wesentlichsten
Aenderungen in dieser langen Zeit war der
Verzicht auf einen gemeinsamen Schlafsaal
und die an Stelle des Schlafsaales tretende
Anordnung eines langen, an der schmalen
Schlufswand durch ein grofses Fenster erhellten
Mittelganges, zu dessen beiden Seiten die Zel-
len zum Wohnen und Schlafen lagen. Die
zweite Periode verläfst, bei Wahrung des alten
Schemas im allgemeinen, im einzelnen vielfach
die bisherige Tradition und sucht, einerseits
zur Befriedigung der jetzt gesteigerten An-
sprüche des Wohnens, andererseits zur Erfüllung
der die Bauanlagen nun beherrschenden For-
derung der Symmetrie und Proportionalität
(gegenüber der malerischen Gruppirung des
Mittelalters) neue Wege. In der zweiten Pe-
riode werden die Clausurgebäude und die Gast-
und Wirthschaftsgebäude gerne in regelmäfsigen
Vierecken zusammengefafst und aneinander
gegliedert. Der Gang des Dormitoriums wird
nach der Innenseite des Hofes, die Zellen an
die Aufsenseite der einzelnen Trakte verlegt.
Der Kapitelsaal, die Krankenabtheilung erhalten
eine bequemere Lage.

Im allgemeinen sind wir gegenwärtig über
die Klosteranlage gut unterrichtet. Zusammen-
fassende Werke und Monographien geben reich-
lichen Aufschlufs. Und seitdem J. v. Schlosser
den Ursprung und die Entwicklung des Bau-

schemas der Benediktiner nachgewiesen hat,
läfst sich ein klarer Ueberblick von den älte-
sten Zeiten an gewinnen.1) Im einzelnen aber
kann die Forschung noch bereichert werden.
An die verdienstvolle Arbeit v. Schlossers
anknüpfend, theile ich im Folgenden eine Reihe
von Bemerkungen mit, die sich mir bei meinen
Klosterstudien ergaben.

Während die orientalischen Klöster bis
heute die sogenannte Laurenanlage festhalten,
d. h. die Gruppirung der Zellen (Lauren) um
einen Hof, in welchem sich die Kirche be-
findet, nehmen die abendländischen Klöster,
abgesehen von einer vorübergehenden Beein-
flussung durch die Laurenanlage, die claustrale
Anlage auf, d. h. die Gruppirung "\um einen
viereckigen Kreuzgang, an dessen Seiten die
Kirche, Kapitel, Dormitorium, Refektorium,
Keller etc. liegen.

I. Gemeticum.

Es scheint, dafs schon der hl. Benedikt
(f 543) in Monte Cassino das Kloster claustral
angelegt hat. Klar und unzweideutig ist die
Claustralanlage ein Jahrhundert später bezeugt,
nämlich in Gemeticum (Jumieges) bei Rouen,
das der hl. Philibert 655 gegründet hat. Die
Vita des hl. Philibert erzählt, dafs der Kloster-
gründer an der Südseite der kreuzförmigen,
nach Osten gerichteten Klosterkirche einen
Kreuzgang erbaute. Ueber den beiden nach
Süden ziehenden Flügeln des Kreuzganges,
d. h. über dem östlichen und über dem west-
lichen Flügel, waren Dormitorien errichtet
und unter diesen Kapitel, Keller und Re-
fektorium.2) So verstehe ich nämlich die
Beschreibung der Vita, dafs unter dem einen
Dormitorium der Wein aufbewahrt und das

') J. v. Schlosser »Die abendländische Kloster,
anläge des früheren Mittelalters« (1889).

s) Duplex vergens ad Austrum 290 pedes longi-
tudine, 50 in latitudine eminet doraus quiescendi ob-
tentu. . . . Subter aedes geminae duobus officiis op.
portunae. Hinc falerna servanda conduntur, hinc
prandia clara parantur; ibique conveniunt, qui digne
Christo deserviunt .... Vergl. v. Schlosser a. a.
O. S. 11.
 
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