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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Hager, Georg: Zur Geschichte der abendländischen Klosteranlage, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0073

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99

1901. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

100

Mahl zugerüs'tet wird,s) unter dem andern
aber die Diener Christi zur Versammlung
zusammenkommen.'1) In welchem der bei-
den Flügel der Kapitelsaal angeordnet war,
sagt die Vita nicht. Nach Analogie späterer
Klosteranlagen darf man aber annehmen, dafs
unter dem östlichen Dormitorium das Kapitel,
unter dem westlichen der Keller und das Re-
fektorium eingerichtet war.

Da die Zahl der Mönche in Gemeticum
schon bald nach der Gründung sich auf 900
belief, so konnte die Anlage eines einzigen
Dormitoriums nicht genügen. Wir fragen uns,
warum das zweite Dormitorium nicht unmittel-
bar an das erste, d. h. über dem der Kirche
gegenüberliegenden Kreuzgangtrakte, angereiht
wurde, wie wir es später öfters finden. Mafs-
gebend war wohl der Grund, dafs die Mönche
in unmittelbarer Nähe der Kirche wohnen
sollten. Treffend verleiht schon der hl. Isidor
von Spanien diesem Prinzip Ausdruck, wenn
er in der Einleitung zu seiner Regel sagt: „Die
Zellen sollen dicht neben der Kirche errichtet
werden, damit die Brüder möglichst schnell
zum Officium eilen können". Die günstigste
Lage für den Dorment bot der östliche Kreuz-
gangtrakt, weil er dem Mönchschor, d. h. dem
Räume westlich vor dem Hochaltar, wo im
Mittelalter stets die Chorstühle standen, am
nächsten war. Daher findet sich in mittel-
alterlichen Klöstern das Dormitorium ziemlich
ausnahmslos über dem östlichen Kreuzgang-
flügel, sobald der Kreuzgang an einer der
beiden Langseiten der Kirche lag. Und letz-
teres war wieder regelmäfsig der Fall, wenn
nicht Terrainschwierigkeiten entgegenstanden.
Auf schmalen Bergrücken z. B. disponirte man
den Kreuzgang mit den Konventgebäuden ent-
weder an der Ostseite der Klosterkirche, wie
in Kastei in der Oberpfalz, oder an der West-
seite der Klosterkirche, wie in Grofskomburg

3) Mit vollem Recht bemerkt schon H. Graf
„Neue Beiträge zur Entstehungsgeschichte der kreuz-
förmigen Basilika", »Repertorium für Kunstwissenschaft«
XV (1892) 457: „Mit Rücksicht auf die Gröfse des
Raumes darf letzterer Ausdruck wohl eher auf die
Darbietung als auf die Zubereitung des Mahles be-
zogen werden, wenn nicht vielmehr, wie auf dem
Plane von St. Gallen, die Räume für beide Zwecke
in unmittelbarer Verbindung zu denken sind."

4) Der Ausdruck conventus wird auch sonst iden-
tisch mit capitulum gebraucht.

bei Schwäbisch-Hall.B) Die Lage des Dormi-
toriums über dem östlichen Kreuzgangflügel
bot noch den weiteren Vortheil, dafs es hier
am ruhigsten war. Der Westflügel, aber auch
der den Ost- und Westflügel verbindende
Quertrakt (d. h. der südliche bezw. nördliche
Flügel) lagen dem im Klosterhofe sich ab-
spielenden Verkehre unmittelbar nahe. Wenn,
um wieder auf Gemeticum zurückzukommen,
der hl. Philibert das zweite Dormitorium pa-
rallel dem ersten und nicht im rechten Winkel
zu demselben anlegte, so folgte er wohl der
Erwägung, dafs dasselbe ebenso an die Kirche
sich anschÜefsen müsse wie das erste. In spä-
teren Jahrhunderten zog man in Fällen, wo
ein Dormentflügel nicht ausreichte, es vor, den
zweiten rechtwinklich anzugliedern, d. h. gegen-
über der Kirche anzuordnen. Ueber dem west-
lichen Kreuzgang aber richtete man im Mittel-
alter gerne die Wohnung des Abtes ein, weil
hier der Eingang in das Claustrum war und
von hier aus das Treiben im Klosterhofe sich
gut übersehen liefs. So war es z. B. in Wessc-
brunn, in Ebersberg, in Steingaden.0)

Ich habe den Kapitelsaal in Gemeticum
unter das östliche, den Keller und das Refek-
torium unter das westliche Dormitorium ver-
legt. Den Kapitelsaal zu ebener Erde am öst-
lichen Kreuzgangtrakt, und zwar möglichst
nahe der Klosterkirche anzulegen, war im ganzen
Mittelalter Regel. Die Nähe des Chores der
Kirche wurde gesucht, weil der Raum vor
allem der geistlichen Disziplin diente. Dafs
der Kapitelsaal bei solcher Disposition mög-
lichst entfernt vom Eingange in den Kreuz-
gang, also möglichst ruhig und ungestört lag,
war ein weiterer Vortheil.

War die Abgelegenheit für das Kapitel ein
Vortheil, so war andererseits die leichte und
bequeme Zugänglichkeit für einen andern Raum
des Claustrums nicht minder wichtig. Ich meine
das Cellarium, den Keller. Der westliche
Kreuzgangtrakt, d. h. die Eingangsseite des"
des Claustrums lag für das Einbringen der Vor-
räthe in den Keller naturgemäfs am günstig-
sten. Bis hierher konnten die Wagen verkehren.
Und beim Ein- und Ausladen brauchte der
Kreuzgang nicht betreten zu werden. Wir

6) Vergl. dazu auch H. Otte »Handbuch der
kirchl. Kunstarchäologie« I6 (1883) 101.

6) Die Cistercienser dagegen richten im westlichen
Flügel gerne das Dormitorium der LaienbrUder ein.
 
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