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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Bergner, Heinrich: Befestigte Kirchen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0154

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'231

laOl. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

232

zeichnet. Und
so hat sich ge-
wiss unter dem

Zwang der
äufsern Verhält-
nisse die Ver-
einigung des zu-
erst freistehen-
denWehrthurms
mit dem Kir-
chengebäude
vollzogen. Was

Fig. 12. Ruine von Trutlenhausen. SeeSSelbergÜber

die Beharrung der Typen sagt, trifft vollkom-
men zu. Was in Franken und Hessen
im IX. Jahrh. Regel war, das war es im XL
und XII. Jahrh. an der Saale und Elbe. Dafs
man bei der Anlage an Treppen gedacht, ist
durch die bauliche Gestalt ausgeschlossen. Die
Glocken, in der ersten Zeit klein und immer-
hin selten, würden niemals zu so aufwendigen
Bauten Veranlassung gegeben haben. Zudem
sind in einzelnen Gegenden, wie in Böhmen
durchgehend, in andren doch häufig die
Glocken in kleinen, abseitsstehenden Holz-
thürmchen oder Häuschen untergebracht.
Also gerade die Motive, welche Dehio und
von Bezold als wirksam beschreiben, sind
wenigstens für den Norden und das flache Land
so gut wie ausgeschlossen. Vielmehr dürfte
der Entwicklungsprozefs genau in der von
Seesselberg gezeichneten Weise vor sich ge-
gangen sein, dafs ein zunächst freistehender
Wehr- und Wartthurm sich vor den West-
giebel der Kirche anlehnte. Leider scheint
in dem ganzen weiten Gebiet Norddeutschlands
nicht ein Westthurm mit den deutlichen Spuren
von Zinnen, Schiefsscharten und Wehrgang
erhalten. Doch ist in diesem Zusammenhang
der riesige quadratische Westthurm der Temp-
lerkirche in Bacharach zu erwähnen, der
einen gezinnten Mauerkranz und an den
Ecken Pfefferbüchsen trägt. Auf der Plattform
erhebt sich noch ein achteckiger Thurm
mit grofsen Spitzbogenfenstern und Zinnen-
krönung. Der Typus mit Pfefferbüchsen findet
sich noch mehrfach in Hessen. In Wächters-
bach,Sß) Kreis Gelnhausen, ist der West-
thurm 1514 vor die Kirche gebaut. Drei Ge-

3G) Li Bickell, »Die Bau- u. Kunstdenkmäler
des Kr. Kassel« I. Kr. Gelnhausen. 195 Taf. 329,
331, 332.

schösse, deren mittleres Schlitze und Schiefs-
löcher hat, ruhen auf Balken, das oberste,
offne, auf einem Kreuzgewölbe, dessen Rücken
als Plattform kunstvoll abgewässert ist. Die
Wasserspeier sind lange Röhren, die aus der
Mitte der Wand vorspringen. An den Ecken
sind fünfeckige Schiefserker auf Konsolen aus-
gekragt, zuerst mit dünnen Steinplatten, dann
später mit Ziegeln aufgemauert. In den ge-
raden Wandseiten sind keine Zinnen sondern
Fenster angebracht, offenbar 1702 bei einer
Umänderung des alten Zeltdaches in das
jetzige übergreifende Pyramidendach. Aehnlich
und noch mit den ursprünglichen schlanken,
achtseitigen, masiven Pyramiden geschmückt
sind die Thürme zu Bruchköbel, Mar-
ko bei und erst kürzlich zerstört derjenige zu
Grofskrotzenburg. Es ist sehr wahr-
scheinlich, dafs die Eckthürmchen, welche
man so zahlreich in allen Gauen Deutsch-
lands um die mittlere Pyramide angeordnet
findet, meist in Holzkonstruktion und mit
Schiefer bekleidet, auf diese Grundform der
diagonal gestellten Pfefferbüchsen zurückgehen.
Andersartig ist der westliche Abschlufs von
Münstermaifeld. Hier flankieren den
rechteckigen Einthurm zwei runde Treppen-
thürmchen, welche wie jener mit einer gezinnten
Plattform schliefsen. Ein sehr bezeichnendes
Beispiel bietet endlich die Ruine Trutten-
hausen (Fig. 12) im Unterelsafs, von welcher
sich ein Modell von Chr. Foltz im Museum
zu Kolmar befindet. Der hohe quadratische
Westthurm mitgezinn-
ter Plattform erhebt
sich über einem brei-
teren Unterbau, dessen
Westmauer gleichfalls

einen Zinnenkranz
trägt, und ebenso ist
der etwas rückwärts
gelegene Friedhof von

einer Zinnenmauer
mit überbautem Rund-
bogenthurm bewehrt.
Das Verbreitungsge-
biet des westlichen
Einthurms geht also,
wenn auch mehr spo-
radisch, weit nach Süd-
deutschland und er tritt

hier SOgar in der äl- Fig. 13. Heckrnranspach.
 
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