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Zeitschrift für christliche Kunst — 14.1901

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Bergner, Heinrich: Befestigte Kirchen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4055#0155

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233

1901. — ZEITSCHRIFT KÜR CHRISTLICHE KUNST

Nr. 8.

234

teren Rundform auf, wie an der Kirche zu
Zetting in Lothringen, wo sich ein höchst un-
geschlachter, fünfmal abgesetzter Thurm ohne
alle Oeffnungen westlich vor die gothische Ba-
silika legt, nur im Obergeschofs mit gepaarten
Rundbogenfenstern versehen. Aehnlich ist der
jetzt isolirt stehende Thurm von Mutter-
bach, der letzte Rest einer befestigten Kirche
des XII. Jahrh., an welchem der anscheinend
mifslungene Versuch gemacht ist, das Ober-
geschofs wieder rechteckig zu gestalten. Die
grotesken Wasserspeier am vorspringenden
Kranzgesims beweisen, dafs auch hier eine ge-
zinnte Plattform beabsichtigt war.

Sonst ist die Stellung der Thürme in Süd-
deutschland vielfach regellos, an einer Seite
des Langhauses oder des Chores.
Sie wird mehr, als man jetzt
nachweisen kann, von Verthei-
digungsrücksichten bestimmt ge-
wesen sein. Besonders Lothrin-
gen ist noch reich an derartigen
Anlagen. So ist an der Kirche
in Heck enranspach (Fig. 18)
zwischen Schiff und Apsis ein
stolzer Rundthurm eingelegt,
gröfstentheils Backsteinbau, der
im Obergeschofs durch kräftige

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Pechnasen in das Viereck über-
geht und erst in spätgothischer
Zeit die Giebelaufmauerung und
das Satteldach erhielt. Ursprüng-
lich haben wir wohl eine Platt-
form wie in Truttenhausen zu
suchen. In Vaux (Fig. 14) ist der an das
Langhaus angeschobene Thurm quadratisch,
in den unteren Geschossen wie ein richtiger
Bergfrid ohne Oeffnungen. Oben ist auf
Knaggen ein hölzerner Wehrgang vorgekragt,
vielleicht noch das einzige Beispiel dieser Art
im Reiche, darüber erhebt sich ein weit vor-
greifendes Zeltdach. Ebenso dienten die
Thürme von Norroy-le-Veneur und der
starke Thurm von Arry als Warten und zur
Vertheidigung, beide aus dem XIII. Jahrh.

Dafs endlich hie und da Kirchen im Schutz
eines bereits vorhandenen festen Thurmes
profaner Herkunft erbaut wurden, ist doch
vereinzelt nachzuweisen. Man wird hier so-
gleich an den isolierten Thurm beim Ober-
münster in Regensburg denken oder an den
Südthurm an der Klosterkirche in Günzburg,

Fig. 14. Thurm in Vaux.

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bei welchem, wie vielfach anderwärts, die sonst
im Kirchenbau seltene Buckelquadertechnik
die Sage von einer alten Römerwarte einge-
geben hat. Auch in Kirchhasel bei Rudol-
stadt ist ein Kirchlein an einen alten Rund-
thurm gerückt, welcher ganz- den Eindruck
eines Bergfrids macht.

Neben diesen mehr zufälligen und unorgani-
schen Verbindungen von Kirche und Thurm
steht eine bessere und sehr folgenreiche Lösung
des Problems, der Centralthurm über dem
Altarhaus. Dies Schema ist für Mitteldeutsch-
land ebenso typisch wie der westliche Einthurm
für den Norden. Die Anlage gliedert sich deut-
lich in drei Theile, das rechteckige Schiff, das
quadratische Altarhaus und die halbrunde Apsis.
Die beiden letzteren sind ge-
wölbt und über dem mittleren
Räume erhebt sich, gewöhnlich
noch in zwei, höchstens in drei
Geschossen, der ebenfalls quadra-
tische Thurm, wie am besten
das Beispiel von Schaala zeigt
(Fig. 8). Auch in Siiddeutschland
ist diese Stellung die normale,
nur dafs hier nicht selten die
Apsis fehlt. Dafs der Central-
thurm mit dem Vierungsthurm
;. der Kathedrale nichts zu thun
hat, liegt ohne weiteres auf der
j Hand. Denn dieser ist nur die
repräsentative Umkleidung und
Bedeckung der Vierungskuppel
und tritt in Deutschland zu spät
selten auf, um für einen so weit-
reichenden Typus vorbildlich gewesen zu sein.
Schon Otte hat richtig erkannt, dafs die cen-
trale Stellung des Thurmes mit Rücksicht auf
die Wehrhaftigkeit der Kirche durchgedrungen
sei, und sie empfahl sich vor der westlichen
dadurch, dafs das Schufsfeld allseitig freier und
nicht durch das Langhaus und die Chortheile be-
hindert war. Schiefsscharten, auch mit besondern
Auftritten für den Schützen in der Mauerdicke,
finden sich noch zahlreich, der Zinnenkranz
schon seltner oder doch so überarbeitet und
vermauert, dafs er sich leicht der Beobachtung
entzieht, so in Heilingen, S. A.; besser er-
halten ist der Zinnenthurm in Siegelbach bei
Arnstadt.

Abweichend von dem gewöhnlichen Typus
des Zinnenkranzesist die Befestigung des Thurmes

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